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Kommunikation bei Reorganisationen: Grenzen der Offenheit

 

Winfried Berner, Die Umsetzungsberatung

Normalerweise gilt im Change Management die Regel, dass man kaum genug kommunizieren kann, geschweige denn zu viel. Denn entweder sind die geplanten Veränderungen für die Mitarbeiter bedrohlich – dann schreien sie förmlich nach Informationen. Oder sie fordern ihnen Einstellungs- und Verhaltensänderungen ab – dann ist das Interesse zwar deutlich verhaltener, aber gerade deshalb ist die intensive Vermittlung des Handlungsbedarfs Voraussetzung dafür, dass überhaupt etwas in Bewegung kommt. Die Ausnahme von der Regel sind Reorganisationen. Dort muss zwar auch erklärt werden, weshalb überhaupt eine Veränderung der Organisationstruktur erforderlich ist, und natürlich muss die neue Organisation, wenn sie denn verabschiedet ist, klar und überzeugend vermittelt werden. Doch dazwischen liegt eine Phase, in der – idealerweise mit Ansage – überhaupt keine Kommunikation stattfinden sollte.

  • Die Ausnahme
    von der Regel
  • Der Grund für diese bewusste Unterbrechung des Kommunikationsflusses ist, dass das Projektteam, das die neue Organisation erarbeitet, einen Schonraum braucht, in dem es ohne jede Rücksichtnahme auf vorhandene Strukturen, Personen und Interessen völlig frei "spinnen", also auch die verrücktesten Ideen und Modelle diskutieren darf. Wenn in dieser Phase offen über die aktuellen Überlegungen der Projektgruppe informiert würde, hätte das gleich drei unschöne Auswirkungen. Erstens würden manche der Ideen, die da vorgestellt werden, bei den betroffenen Führungskräften und Organisationseinheiten blankes Entsetzen, wenn nicht gar Panik auslösen. Zweitens würden sich die meisten dieser Schockwellen wenig später als falscher Alarm erweisen, weil das Projektteam diese Ideen nach genauerer Prüfung als ungeeignet verwirft. Und drittens würden die zu erwartenden Reaktionen das Projektteam in seinem kreativen Prozess hemmen: Manche Ideen, die absehbar für Aufruhr sorgen könnten, würden zur Vermeidung stressiger Debatten überhaupt nicht mehr eingebracht oder nicht mehr ernsthaft geprüft.

  • Freiräume für die Diskussion aller Optionen
  • Hohe Bedrohlichkeit vor allem für Führungskräfte

     

    Da es aber ausgesprochen ungünstig ist, bei so wichtigen Fragestellungen mit einer "Schere im Kopf" zu diskutieren, müssen die Regeln für die Kommunikation so definiert werden, dass im Projektteam eine offene Diskussion aller nur denkbarer Varianten möglich ist. Und zwar ohne die Führungskräfte und Mitarbeiter ständig mit Ideen und Modellen verrückt zu machen, von denen sich die allermeisten nach genauerer Betrachtung ohnehin als ungeeignet erweisen. Das kann im Ergebnis nur heißen: Während der "heißen Phase" der Erarbeitung der neuen Organisationsstruktur muss eine strikte Kommunikationssperre gelten, und zwar bis zur Verabschiedung und Verkündung der neuen Organisation durch das Top-Management.

  • Kommunika-
    tionssperre
  • Natürlich ist das keine angenehme Zeit: Viele Mitarbeiter und Führungskräfte durchlaufen in dieser Phase, in der alle wissen, dass eine neue Struktur kommen wird, aber noch nicht, wie sie aussehen wird, zahlreiche Ängste und Katastrophenphantasien. Sie fragen sich, ob sie zu den Gewinnern oder den Verlierern der neuen Struktur gehören werden – und was sie gegebenenfalls tun sollten, falls ihnen nur eine deutlich schlechtere Position angeboten würde als ihre heutige, oder vielleicht sogar gar keine. Sie grübeln, wie sie die eine oder andere Bemerkung des Vorstands in den letzten Monaten deuten sollen und ob sie nicht vor dem Hintergrund der bevorstehenden Reorganisation eine ganz andere Bedeutung hatte als sie damals dachten. Sie zerbrechen sich den Kopf, ob sie sich nicht in der Vergangenheit bei der einen oder anderen Gelegenheit hätten klüger verhalten sollen: Nicht so unnachgiebig auf ihrer Meinung beharren, sich anpassungswilliger zeigen, oder was auch immer.

  • Zahlreiche Ängste und Katastrophen-
    phantasien
  • Ohne Zweifel zählen Reorganisationen in der Typologie der Veränderungsprozesse zu den Vorhaben, die bei den Betroffenen erhebliche Ängste auslösen und ihnen leicht ein Gefühl von Ohnmacht und Kontrollverlust vermitteln können. Aus Change Management-Sicht liegt es daher nahe, darüber nachzudenken, wie man diese Ängste durch gute Kommunikation eindämmen und den Betroffenen mehr Sicherheit geben kann – oder zumindest mehr Berechenbarkeit. Das Problem ist nur: Das Einzige, was man ihnen konkret sagen kann, solange die neue Struktur nicht verabschiedet ist, ist der Termin, an dem diese Entscheidung (voraussichtlich) getroffen und kommuniziert wird. Und das schränkt die Ungewissheit nur zeitlich ein, nicht aber inhaltlich. Das ist zwar immer noch besser als gar nichts, aber es mildert die Ängste natürlich nicht.

  • Grenzen der Kommunikation
  • Keine belastbaren Aussagen zu Einzelfällen möglich

     

    Während bei Kostensenkungsprogrammen und Personalabbau vor allem die "einfachen Mitarbeiter" beunruhigt sind, weil der Großteil der Stellenstreichungen meist auf den unteren Ebenen erfolgt, sind bei einer Reorganisation vor allem die Führungskräfte beunruhigt. Denn in diesem Fall sind sie stärker betroffen sind als die Mitarbeiter im schützenden Inneren der "Kästchen". Die wichtigste Frage, die sie umtreibt, ist natürlich: Was wird aus mir? Werde ich mich möglicherweise verschlechtern? Diese Fragen lassen sich naturgemäß erst beantworten, wenn die neue Struktur steht und die Kästchen mit Namen gefüllt sind. Das kann dauern.

  • Beunruhigte Führungskräfte
  • Die entstehenden Ängste steht zwar "objektiv" in einem gewissen Missverhältnis zu der tatsächlichen Bedrohlichkeit der Lage, denn in der Realität von Reorganisationen ändert sich für einen Großteil der Führungskräfte gar nichts oder zumindest nicht sehr viel: Die meisten "Kästchen" werden ja nicht aufgelöst oder gestrichen, sondern lediglich umgehängt und neu sortiert. Aber es ist kaum möglich, dies in eine entlastende Botschaft an die Adressaten zu übersetzen. Denn für alle kann diese Aussage ja nicht gelten, sonst wäre es keine Reorganisation. Und mit differenzierenden Aussagen anzufangen, wäre keine gute Idee – zumal es in der Praxis von Reorganisationen gar nicht so selten ist, dass sich der Fokus des Projektes erweitert oder verschiebt, wenn man erst einmal mit dem Nachdenken über Strukturen und Abläufe begonnen hat. Und nicht immer ist am Anfang absehbar, ob am Ende eine "kleine Lösung" oder eine "große Lösung" herauskommen wird.

  • "Was wird aus mir?"
  • Für die Kommunikation bedeutet das: Man kann hier leicht ungewollt etwas Falsches sagen – oder etwas, was ursprünglich genau dem Stand der Planung entsprach, sich aber durch den Gang der Ereignisse nachträglich in eine falsche Aussage verwandelte. Auch wenn das vom Prinzip her ein bedeutender Unterschied ist, wird der Hinweis darauf die Betroffenen kaum trösten, wenn eine ihnen gegenüber gemachte Aussage nachträglich wieder "eingesammelt" werden muss.

  • Fahrlässige Falschaussagen
  • Auch ein anderer denkbarer Ansatz, unnötige Ängste wenigstens teilweise zu reduzieren, erweist sich bei näherer Betrachtung als kaum gangbar: In jedem Unternehmen gibt es ja Mitarbeiter und Führungskräfte, auf die man, gleich wie die neue Organisationsstruktur aussehen wird, auf keinen Fall verzichten möchte – und bei denen man auch verhindern möchte, dass sie von sich aus abwandern. Könnte man nicht wenigstens debeb ein Signal geben, dass sie sich keine Sorgen um ihre Zukunft zu machen brauchen? Im Einzelfall kann man darüber nachdenken, doch das Risiko dabei ist zum einen, dass dieses – selbstverständlich streng vertrauliche – Signal nicht vertraulich bleibt. Wenn es aber durchsickert, weil einer der Betroffenen davon "im Vertrauen" seinem Kollegen erzählt und der dem Rest des Hauses, dann sind die Folgen äußerst unerfreulich: Dann muss man nicht nur einem sprunghaften Anstieg der Unruhe rechnen, sondern auch damit, dass plötzlich das Misstrauen im Raum steht, hier werde mit gezinkten Karten gespielt – und die ganze Reorganisation sei möglicherweise nur ein Manöver, um einige missliebige Führungskräfte loszuwerden.

  • Signal an die Leistungsträger
  • Zum anderen ist der Nutzen des beruhigenden Signals vermutlich geringer als erhofft. Der Betreffende wird sich zwar über die Wertschätzung freuen, die diese Aussage impliziert, aber alsbald wird er Genaueres wissen wollen: Ob er denn in seiner bisherigen Position bleiben werde? Oder ob er möglicherweise für eine höherwertige Aufgabe vorgesehen sei, und wenn ja, für welche? Oder ob er unter Umständen auch auf eine Verschlechterung gefasst sein müsse, oder auf die Versetzung in eine Position, die seinen Neigungen und Karriereambitionen nicht entspräche?

    Auch beim besten Willen wird das Top-Management hierzu jedoch weder etwas fest zusagen noch definitiv ausschließen können, einfach weil bei Reorganisationen zu viele Variablen im Spiel sind und man es sich nicht leisten kann, sich durch die voreilige Festlegung in Einzelfällen die nötigen Freiheitsgrade für die Organisationsgestaltung zu verbauen. Es besteht jedoch ein hohes Risiko, dass dieses "Ausweichen" bei dem betreffenden Manager völlig falsch ankommt. Sein ernüchtertes Resümee könnte sein, dass das Signal, das zunächst so großartig klang, bei näherer Betrachtung wenig wert ist. Dementsprechend würde sich seine anfängliche Freude in Reserviertheit, wenn nicht in Enttäuschung verwandeln. Unter dem Strich kann man dann froh sein, wenn der langfristige Effekt des positiven Signals nicht negativ ist.

  • Zweischneidige Schwerter
  • Klare, umfassende Informationen vorab

     

    Trotzdem ist die Kommunikation bei Reorganisationen keine Aufgabe, die auch Trappisten ohne Verletzung ihres Schweigegelübdes erfüllen können. Zwar kann und darf in der "heißen Phase" tatsächlich kein Wort nach außen dringen; umso wichtiger ist aber die Kommunikation davor und danach. Die Kommunikation "davor" hat vor allem zwei Funktionen: Erstens muss sie den Mitarbeitern aller Ebenen erklären, weshalb eine Reorganisation überhaupt erforderlich ist und was damit erreicht werden soll. Was meistens gar nicht so schwierig zu vermitteln ist, denn über organisatorische Veränderungen wird ja üblicherweise dann nachgedacht, wenn die alte Organisation spürbar an ihre Grenzen stößt und die aus ihren Schwachstellen resultierenden Ineffizienzen ziemlich offensichtlich geworden sind.

  • Erläuterungen vor Projektstart
  • Zweitens müssen Ablauf, Vorgehensweise, Projektstruktur und Zeithorizont erläutert werden: In welchen Etappen vorgegangen wird, wie die Bestandsaufnahme erfolgt und wessen Input dabei aufgenommen wird, ob externe Berater beteiligt sind und was ihre Rolle in dem Prozess ist, ob es verschiedene Teilprojekte gibt, wann mit Ergebnissen zu rechnen ist und wie sie verkündet werden etc. Die Eckdaten sollten auch schriftlich oder über das Intranet bereitgestellt werden: Oft werden sie am Anfang gar nicht mit so großer Aufmerksamkeit registriert, aber ein paar Wochen oder Monate später flammt plötzlich doch ein großes Interesse an der "Zeitschiene" auf.

  • Vorgehen und Zeitschiene
  • Eine wichtige Gelegenheit zur Kommunikation ist auch die Bestandsaufnahme, und zwar in doppelter Hinsicht: Zum einen ist das Vertrauen in das Projekt und seine Arbeit umso größer, je mehr die besorgten Beobachter das Gefühl haben, dass bei der Analyse sorgfältig und "objektiv" gearbeitet wird und dass das Projekt die Feststellungen, Beurteilungen und Anregungen der Führungskräfte aufmerksam aufnimmt. Zum anderen ist das Resümee der Bestandsaufnahme eine gute Gelegenheit, die Führungsmannschaft davon zu überzeugen, dass das Projekt die Problemlage tatsächlich verstanden, den bestehenden Konsens sauber herausgearbeitet und die bestehenden Divergenzen neutral und sachlich wiedergegeben hat. Je besser sich die Führungskräfte in den Ergebnissen der Bestandsaufnahme wiederfinden, desto mehr Vertrauen haben sie auch, dass das Projekt insgesamt gute Arbeit macht. Zugleich ist die Präsentation der Bestandsaufnahme eine gute Gelegenheit, den Teilnehmern deutlich zu machen, in welche Richtung die Überlegungen gehen, und ihre Erwartungen so zu kanalisieren.

  • Vorgehen und Ergebnisse der Bestands-
    aufnahme
  • Bei den Aussagen über die Zeitplanung sollte von vornherein eingeplant werden, dass eine neue Organisationsstruktur sehr selten an dem Tag beschlossen wir, an dem das Projektteam zum ersten Mal dem Lenkungsausschuss präsentiert. Häufig liegen zwischen der ersten Präsentation und dem endgültigen Beschluss noch mehrere Wochen, in denen auf höchster Ebene intensiv diskutiert und heftig um die endgültige Entscheidung gerungen wird. Dass dabei inhaltliche Überzeugungen, persönliche Interessenlagen und politische Motive zusammentreffen, macht die Sache nicht einfacher – und vor allem erhöht es den Zeitbedarf. Deshalb ist es wichtig, für diesen Klärungsprozess nicht nur ein paar Wochen "Puffer" einzuplanen, sondern auch sicherzustellen, dass in diesem Zeitraum in den Terminkalendern der Entscheider genügend Spielraum ist, um die Zeit wirklich nutzen zu können. Denn für die innenpolitische Wirkung ist es ungünstig, wenn der bereits festgesetzte Termin für die Bekanntgabe der neuen Organisation verschoben werden muss, weil der Vorstand noch keine Zeit gefunden hat, sie abschließend zu diskutieren: Kaum jemand wird glauben, dass das nur ein Terminproblem war. Selbst wenn es stimmt.

  • Für ausreichend Zeitreserven sorgen

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  • Sorgfältiger, durchdachter Kommunikationsprozess "danach"

     

    Wenn die neue Organisation schließlich doch verabschiedet ist, muss sie "nur noch" verkündet werden. Das klingt einfach – so als müsste sich nur jemand ans Mikrofon gehen und den versammelten Mitarbeitern und Managern mitteilen, wie die neue Struktur aussieht; sobald sie das zur Kenntnis genommen haben, können alle wieder zurück an die Arbeit gehen. Doch im wirklichen Leben ist nichts so einfach wie es aussieht, erst recht nicht im Change Management. So wäre es ein Kommunikationsdesaster, wenn die "Verlierer" der neuen Struktur ahnungslos in der Versammlung säßen und durch die vergebliche Suche nach ihrem Namen im Organigramm erführen, dass sie in der neuen Organisation nicht mehr vorkommen, jedenfalls nicht in leitender Stellung. Auch wenn es nur Gedankenlosigkeit ist, ein solcher Umgang mit den negativ Betroffenen käme nicht nur bei ihnen selbst schlecht an, sondern würde auch bei den Kollegen einen verheerenden Eindruck machen – schon weil sie sich fragen müssten, ob das Top-Management möglicherweise bei späterer Gelegenheit mit ihnen ähnlich umspringen wird.

  • Nicht leichtfertig in Fallen stolpern
  • Ebenso wenig sollte man es sich leisten, den Betriebsrat dadurch zu brüskieren, dass man ihn mit vollendeten Tatsachen konfrontiert. Zwar hat er bei der Gestaltung der Organisation keine "harten" Mitbestimmungsrechte, wohl aber das Recht, umfassend informiert zu werden. Er muss Gelegenheit haben, die Entscheidungen des Managements zu hinterfragen, seine Meinung zu der vorgesehenen neuen Struktur zu äußern sowie Empfehlungen dazu abzugeben. Selbst wenn das Top-Management fest entschlossen ist, von der vorgesehenen neuen Struktur auch bei noch so heftigen Widerständen nicht abzugehen, wäre es nicht nur schlechter Stil, sondern auch rechtlich angreifbar, durch das Schaffen vollendeter Tatsachen zu demonstrieren, dass es die Beratungen mit dem Betriebsrat nur als lästige Formalie betrachtet, die auf das Resultat keinerlei Einfluss hat. So etwas schafft böses Blut und lädt zu Retourkutschen förmlich ein – und die Gelegenheit dafür steht bereits vor der Tür: Es ist der Ausgleich sozialer Härten, den die organisatorische Veränderung mit sich bringt.

  • Betriebsrat nicht übergehen
  • Wenn die Reorganisation nämlich "wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben" kann (kann!), handelt es sich um eine Betriebsänderung im Sinne der §§ 111ff. Betriebsverfassungsgesetz. Und dann ist der Arbeitgeber nach § 112 verpflichtet, mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich und Sozialplan zu verhandeln. (Achtung, nichts durcheinander bringen: Ein Sozialplan wird häufig mit Entlassungen in Verbindung gebracht, aber er kann auch in anderen Konstellationen erforderlich werden, zum Beispiel auch bei umfangreichen Versetzungen oder Veränderungen der Arbeitsinhalte oder -bedingungen, etwa wenn bisherige Innendienst-Mitarbeiter in den Vertrieb geschickt werden.) Zwar kann der Betriebsrat die vom Management geplanten organisatorischen Veränderungen letztlich nicht verhindern; sie unterliegen dem so genannten "Direktionsrecht des Arbeitgebers". Er kann sie aber erheblich verteuern und unter Umständen auch ihre Umsetzung verlangsamen, sodass es kein sehr kluger Spielzug wäre, das Klima mit einer völlig unnötigen Brüskierung zu belasten. Ganz abgesehen davon, dass negative Reaktionen des Betriebsrats natürlich auch die Einführung der neuen Organisation beeinträchtigen und ihre Akzeptanz in der Belegschaft schwächen.

  • Interessen-
    ausgleich und Sozialplan bei Betriebsänderung
  • Offensichtlich ist es also ratsam, sich im Vorfeld der Kommunikation ein paar Gedanken über separat anzusprechende Zielgruppen und deren Reihenfolge zu machen, bevor man ans Mikrofon geht. Folgende Abfolge erweist sich in der Regel als sinnvoll:
    1. Information der negativ Betroffenen (in der Regel in Einzelgesprächen)
    2. Information der oberen Führungskräfte (unter dem Vorbehalt der noch zu führenden Beratungen mit dem Betriebsrat)
    3. Information des Betriebsrats und Beratungen, einschließlich der Klärung der Frage, ob eine Betriebsänderung vorliegt und Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan erforderlich sind)
    4. Information der Belegschaft (bzw. der betroffenen Teile der Belegschaft)
    5. Umsetzung
  • Sinnvolle Abfolge festlegen
  • Diese Abfolge (wie auch jede andere) wirft ein Dilemma auf: Je größer der Abstand zwischen einzelnen Schritten wird, desto mehr entsteht die Gefahr, dass mit einer wachsender Zahl von Informierten auch die Zahl der undichten Stellen zunimmt. Dadurch kann der Kommunikationsprozess aus dem Ruder laufen: Dann sind möglicherweise viele Mitarbeiter und Führungskräfte beunruhigt und verärgert, weil sie bruchstückhafte und oft einseitige Informationen über ihre künftige Position aus der Gerüchteküche erfuhren, lange bevor sie offiziell informiert wurden.

    Die einzige Möglichkeit, dies zu verhindern, ist ein zügiges Vorgehen – was aber impliziert, dass man offene Fragen nicht ausdiskutieren kann, bevor man den nächsten Schritt macht. Das ist insbesondere bei den Beratungen mit dem Betriebsrat kritisch, weil die in aller Regel mehr als eine Sitzung erfordern und sich kaum verhindern lässt, dass in der Zwischenzeit sowohl aus dem Management als auch aus dem Betriebsrat Informationen durchsickern. Die beste Möglichkeit, dieses Dilemma zu lösen, ist, auch die Information der Mitarbeiter zeitnah durchzuführen, sie aber mit einem "Betriebsratsvorbehalt" zu versehen, also mit dem Hinweis, dass sich unter Umständen aus den Beratungen mit dem Betriebsrat noch Änderungen ergeben könnten. Davon kann man in der Regel auch den Betriebsrat überzeugen, und wenn nicht, kann der Arbeitgeber es trotzdem tun – wichtig ist dann nur, dass es "mit Ansage" erfolgt und nicht als Überrumpelung.

  • Zügiges Vorgehen mit "Betriebsrats-
    vorbehalt"
  • Fairer Umgang mit Verlierern

     

    Besonderer Aufmerksamkeit bedarf die Frage, wie mit denjenigen Managern umgegangen werden soll, die von den organisatorischen Veränderungen stark negativ betroffen sind. (Bei den Mitarbeitern und unteren Führungskräften ist dies, sofern es in größerem Umfang der Fall ist, Gegenstand von Interessenausgleich und Sozialplan; ansonsten Gegenstand der ebenfalls mitbestimmungspflichtigen Regelung von "personellen Einzelmaßnahmen"; §§ 99ff.) Die Gründe, weshalb ein Manager in der neuen Organisation keinen vergleichbaren Platz mehr bekommt, können sehr vielfältig sein: Nicht nur schwache Leistungen oder eine allzu lange "Konfliktschleppe", sondern auch der Wegfall von Funktionen, der Neuzuschnitt von Bereichen und vieles andere mehr. Trotzdem ist das für die Betreffenden meistens erst einmal ein Schock, und natürlich liegt für sie die Frage auf der Hand: "Warum ich?" Und gleich dahinter steht ausgesprochen oder unausgesprochen eine zweite Frage: "Habe ich hier überhaupt noch eine Zukunft oder ist es gelaufen?"

  • Vorrang für negativ Betroffene
  • Gleich war die Gründe waren, weshalb die Betroffenen keine vergleichbare Position bekamen, es wäre unwürdig, ihnen zuzumuten, dies selbst herauszufinden. Das Unternehmen hat die moralische Pflicht, jedem Einzelnen von ihnen reinen Wein einzuschenken und ihm vor allem klar zu sagen, wie seine Perspektiven aussehen. Dazu zählt auch eine ehrliche Antwort auf die Frage, ob das Management ihn im Unternehmen halten oder sich von ihm trennen möchte.

    Ein fairer Aufhebungsvertrag ist hier oft besser als beiderseitiges Herumeiern, zumal mit halbherzigen Lösungen meist beide Seiten nicht glücklich werden: Die "Degradierten" hadern oft noch jahrelang mit ihrem Schicksal und beklagen die ihnen widerfahrene Ungerechtigkeit gegenüber allen, die es sich anzuhören bereit sind – was ihnen zwar eine vorübergehende emotionale Entlastung verschafft, zugleich aber ihre Reputation immer mehr ramponiert, sodass ihre Karriereperspektiven immer weiter dahinschwinden. Auch dem Klima im Unternehmen tun solche "Haderer" natürlich nicht gut, weil es angesichts ihrer Verbitterung kaum möglich ist, mit ihnen konstruktiv über neue Themen zu reden. Der mangelnde Mut zu klaren Aussagen und Entscheidungen hat daher mittelfristig oft einen hohen Preis.

  • Klare Aussagen gefordert
  • Anders ist es, wenn eine Führungskraft im neuen Organigramm aus irgendwelchen Gründen keinen Platz hatte, obwohl das Management von ihren Fähigkeiten und/oder ihrem Potenzial überzeugt ist. Aber auch dann ist unbedingt ein offenes Gespräch erforderlich, denn erstens gilt es, den scheinbaren Widerspruch zwischen beiden Aussagen überzeugend aufzulösen, und zweitens muss die Frage nach den weiteren Perspektiven geklärt werden. Zwar kann man dabei keinen Blankoscheck auf die Zukunft ausstellen, doch der Betreffende muss sich ja darüber klar werden, ob er bleiben oder gehen soll, und wenn das Unternehmen möchte, dass er bleibt, muss es ihm überzeugende Gründe dafür liefern. Dabei müssen sich die Verantwortlichen darüber klar sein, dass es für ambitionierte Führungskräfte in aller Regel ein Schock ist, bei der Neubesetzung des Organigramms nicht "erste Wahl" gewesen zu sein – was bei ihnen erhebliche Zweifel daran aufwirft, ob das Management tatsächlich "an sie glaubt". Daher liegt es für sie nahe, die Fortsetzung ihrer Karriere außerhalb der Firma zu suchen.

  • Halten guter Führungskräfte
  • Ein oberflächliches Schulterklopfen in Verbindung mit der Aufforderung, etwas Geduld zu haben, wird daher kaum ausreichen, um sie neu zu motivieren und zum Bleiben zu veranlassen. Um die Verunsicherung zu überwinden, welche die "Zurücksetzung" beinahe unvermeidlich auslöst, ist ein offenes Gespräch vor allem über die Hinderungsgründe erforderlich, die ausschlaggebend für die Nichtberücksichtigung im neuen Organigramm waren. Sowohl fachliche als auch persönliche Vorbehalte sollten in aller Klarheit und Offenheit besprochen werden, und in diesem Zusammenhang sollte auch erläutert werden, was die betreffende Führungskraft tun kann, um sich für den nächsten Karriereschritt zu qualifizieren, und wie das Management sie dabei unterstützt. Solch ein offenes Feedback, auch wenn es für die Beteiligten kein Zuckerschlecken ist, trägt mehr dazu bei, negativ betroffene Führungskräfte motiviert und im Unternehmen zu halten, als alle ebenso beschwichtigenden wie unglaubwürdigen Beteuerungen, die Entscheidung hätte "in keiner Weise mit Ihrer Person oder Ihren Fähigkeiten zu tun".

  • Ehrliches, konstruktives Feedback
  • Vorbereitung für den Roll-Out

     

    Die nächste Hürde, die vor dem Inkraftsetzen genommen werden muss, sind die Gespräche mit dem Betriebsrat. Dem geht es – von persönlichen Betroffenheiten abgesehen, die es gerade bei Reorganisationen immer auch geben kann – in der Regel vor allem darum, wie der Personalbedarf für die neue Struktur bestimmt worden ist. Die Veränderungen im oberen Management berühren ihn im Allgemeinen weniger, solange nicht ausgesprochene "Falken" Karriere machen oder sehr beliebte und angesehene Manager abgelöst werden. Doch selbst wenn, kann er dazu im Grunde nur Missbilligung oder Bedauern äußern; ein Mitspracherecht bei diesen Entscheidungen hat er nicht. Anders bei der Frage, wie der Personalbedarf bestimmt wurde: Hier kann er verlangen, dass ihm im Detail belegt wird, wie die Kapazitäten ermittelt wurden. Denn seine Rolle ist ja, darauf zu achten, dass nirgendwo Mitarbeiter überlastet und überfordert werden. Dazu kann auch gehören, sich die Arbeitsprozesse im Detail anzuschauen, die durch die neue Struktur verändert werden.

  • Interessen des Betriebsrats
  • Über einen Interessenausgleich und Sozialplan muss hingegen nur verhandelt werden, wenn die neue Struktur wesentliche Nachteile für erhebliche Teile der Belegschaft mit sich bringt. Nachteile für einzelne Mitarbeiter oder Organisationseinheiten reichen also nicht aus, doch im konkreten Fall kann es unterschiedliche Auffassungen sowohl über die Bedeutung des "wesentlich" als auch über die des "erheblich" geben. Deshalb ist ratsam, sich darüber frühzeitig zu verständigen. In aller Regel ist diese Schwelle erreicht, wenn es im Zuge der Reorganisation zu Personalabbau kommt, der über die Einsparung einzelner Stellen hinausgeht, oder wenn eine größere Zahl von Mitarbeitern an einen anderen Standort versetzt wird. Bei vielen Reorganisationen geht es hingegen ohne Sozialplan, indem man für einzelne Härtefälle, die es wohl fast immer gibt, eine faire Einzelfalllösung findet.

  • Nötigenfalls Verhandlungen über Sozialplan
  • Eine saubere Ausarbeitung der Arbeitsprozesse, die sich mit der neuen Struktur ändern, ist indessen nicht nur zur Beruhigung des Betriebsrats erforderlich: Auch die Mitarbeiter und Führungskräfte der betroffenen Bereiche wollen und müssen ja wissen, wie ihre Arbeit in Zukunft ablaufen soll. Je nachdem, um welche Prozesse es sich handelt und wie komplex sie sind, sind hier unterschiedliche Vorgehensweisen erforderlich: Solange es um wenig komplexe Abläufe geht, kann man sie bei der Reorganisation zunächst überspringen und ihre Anpassung nach deren Inkrafttreten sozusagen bei laufendem Betrieb machen.

    Falls es sich aber um komplexere technische oder IT-gestützte Prozesse handelt oder gar um Abläufe, die sicherheitsrelevant sind und/oder externen Zertifizierungen unterliegen, muss die Prozessoptimierung wie auch die Schulung der neuen Abläufe rechtzeitig vor dem Inkrafttreten der neuen Struktur abgeschlossen sein. Oftmals ist es in solchen Fällen jedoch klüger, mit dem gesamten Organisationsprojekt den umgekehrten Weg zu gehen und "von den Prozessen zu den Strukturen" zu arbeiten, also zuerst die optimierten Abläufe festzulegen und dann zu prüfen, welche Aufbauorganisation zu diesen Abläufen am besten passt.

  • Anpassung von Prozessen und Abläufen
  • Die Umsetzung ist mit der Vorstellung und Erläuterung der neuen Organisation weitgehend erledigt – auch wenn dieser Kommunikationsprozess natürlich über die verschiedenen Ebenen der Organisation heruntergebrochen werden muss, weil die übergreifende Vorstellung natürlich nicht alle Einzelfragen beantworten kann, die die Mitarbeiter und nachgeordneten Führungskräfte zu ihrer jeweiligen Organisationseinheit haben. Möglicherweise müssen noch Einzelfragen geklärt, Schulungen durchgeführt und veränderte Arbeitsabläufe eingeübt werden. Doch damit ist es dann weitgehend getan: Organisationsveränderungen haben die angenehme Eigenschaft, dass sie die "normative Kraft des Faktischen" auf ihrer Seite haben. Das heißt, gleich ob es die Betroffenen freut oder nicht, ab dem Stichtag wird in den neuen Strukturen gearbeitet, die Routinebesprechungen finden ab sofort mit den neuen Vorgesetzten und Kollegen statt. Falls die neue Struktur also nicht irgendwelche groben Mängel hat, die ihre Arbeitsfähigkeit ernstlich beeinträchtigen, dauert es daher nicht lange, bis sich die allermeisten Mitarbeiter und Führungskräfte an die neue Organisation gewöhnt haben – und sich bald kaum noch erinnern können, dass es jemals anders war.

  • Die normative Kraft des Faktischen wirkt
  • Literatur:
    Berner, W. (2015): Change! – 20 Fallstudien zu Sanierung, Turnaround, Prozessoptimierung, Reorganisation und Kulturveränderung; Schäffer-Poeschel (Stuttgart) 2010, 2. überarbeitete und erweiterte Auflage 2015; 503 S.

     


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