Die Umsetzungsberatung

Rezensionen

Eine Überlebensstrategie im gnadenlosen Wettbewerb

Stern, Carl (2005):

Leadership in a Time of Creative Destruction

Opportunities for Action in Consumer Goods Markets

BCG Perspectives; 9 S. (ohne Nummerierung) (www.bcg.com)


Nutzen / Lesbarkeit: 8 / 9

Rezensent: Winfried Berner, 27.03.2005

Carl Stern, der frühere Präsident und CEO der Boston Consulting Group, beschreibt, weshalb die Wettbewerbsbedingungen immer schwieriger werden, und schlägt zugleich eine neue Brücke zwischen der Unternehmensstrategie und dem Change Management.

Vor 63 Jahren prägte der Ökonom Joseph Schumpeter den Begriff "Kreative Zerstörung", den Carl Stern in diesem Artikel aufgreift: "Considering the value that has been created and destroyed in the economy over the past decade, he [Schumpeter] would have felt right at home today. Not only are the forces of creative destruction alive and well, they have multiplied and intensified. Our business environment is increasingly unforgiving." So sind aus der Forbes Liste der Top-100-US-Unternehmen innerhalb der letzten 25 Jahre 68% der 1978 aufgeführten Unternehmen ausgeschieden: 3 durch Bankrott, 35 durch Übernahmen und 30, weil sie von anderen überholt wurden. Wiewohl uns der Begriff Wettbewerbsvorteile geläufig über die Lippen geht, sind sie "harder to establish than it used to be and even harder to maintain."

Der jetzige Cochairman des Boards der Boston Consulting Group nennt drei Hauptgründe, weshalb Unternehmen die Anpassung an eine sich schnell wandelnde Umwelt nicht gelingt. Erstens übersieht eine erstaunlich große Zahl von Firmen bestehende Bedrohungen. Zweitens überfordern neue Entwicklungen zum Teil die Anpassungsfähigkeit von Unternehmen. (Was an Michael Löhners Diktum erinnert, dass ein Unternehmen genau dann überlebensfähig ist, wenn seine Lerngeschwindigkeit größer ist als die Veränderungsgeschwindigkeit der Umgebung.) Drittens gibt es Firmen, die theoretisch die Fähigkeit zur schnellen Anpassung besäßen, davon aber aus einer Mischung von Ignoranz und Verweigerung keinen ausreichenden Gebrauch machen.

Zum Glück, schreibt Stern, sind solche fundamentalen Herausforderungen selten: "Most of us will face only one or two in our terms as leaders." Allerdings steht bei solchen Umbrüchen die gesamte Zukunft des Unternehmens auf dem Spiel. Das erste große Problem ist daher, die kritischen Signale nicht zu übersehen – sie gehen leicht im Rauschpegel der zahlreichen weniger kritischen Signale unter, die ständig auf die Verantwortlichen einprasseln.

Was die Sache zusätzlich erschwert, ist, so Stern, dass sich die Mitarbeiter nicht mehr so verhalten wie früher: "Few organizations are as compliant as they used to be. No longer can the boss tell someone to take care of a problem and expect it to get solved. Most of our organizations are increasingly dominated by what one author recently termed 'the creative class'." Der gesellschaftliche Wertewandel hat dazu geführt, dass extrinsische Motivation an Gewicht verloren und intrinsische an Bedeutung gewonnen hat: "People aren't as loyal to companies as they are to professions, locations, and their own 'personalities'." Stern macht sich daher eine Empfehlung von Peter Drucker zu eigen, "that the best way to manage 'creative' people is as de facto volunteers."

Da gerade die fähigsten Leute nicht mehr so leicht lenkbar sind wie früher, funktioniert ein Top-Down-Führungsstil nicht mehr. Stern schlägt daher drei Ansatzpunkte vor: Erstens sei es notwendig, die Organisation frühzeitig in das Vorgehen einzubeziehen, und zwar nicht erst in die Umsetzung von Veränderungen, sondern bereits in die fortlaufende Beobachtung von Markt- und Wettbewerbsentwicklungen. Besonders wichtig seien dafür jene Nachwuchs-Führungstalente ("leaders"), die sich bereits als Querdenker und Querköpfe bei ihren unmittelbaren Vorgesetzten unbeliebt gemacht hätten. Zweitens sei es notwendig, durch konsequentes Hinterfragen die Spreu vom Weizen zu trennen, weil die Unternehmensleitung alsbald mit einer Flut gut gemeinter Vorschläge überschüttet werde. Drittens müsse das Top Management die Aufmerksamkeit des gesamten Unternehmens auf jene Entwicklungen fokussieren, die es als besonders kritisch identifiziert hat. Das sei erfahrungsgemäß eine stress- und konfliktreiche Übung, die der Unternehmensleitung große Konsequenz und Entschiedenheit abverlange.

Besonders bemerkenswert an diesen Empfehlungen ist, dass Stern als Elder Statesman der Unternehmensstrategie damit, ohne den Begriff zu erwähnen, eine neue Brücke zwischen Strategie und Change Management schlägt: Er verbindet das klassische OE-Instrument der Einbeziehung mit dem klassischen strategischen Ansatz der analytischen Priorisierung und dem in der Change Management-Praxis zentralen Aspekt von Entschiedenheit und Konfliktbereitschaft in der Führung. (Es scheint, dass die langjährige Tätigkeit der Change Management-Kollegin Jeannie Daniel Duck im Chicagoer Office, wo auch Carl Stern angesiedelt ist, doch Wirkung zeigt ...)

Schlagworte:
Unternehmensführung, Wettbewerb, Wettbewerbsstrategie, Strategie, Bedrohungen, Wertewandel, Führung

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