Die Umsetzungsberatung

Rezensionen

Allzu knappe Übersicht über 50 wichtige Managementbücher

Crainer, Stuart (1997):

Die ultimative Managementbibliothek

50 Bücher, die Sie kennen müssen. Vorwort und Kommentare von Gary Hamel

Campus (Frankfurt, New York); 348 S.; 39,90 Euro


Nutzen / Lesbarkeit: 7 / 9

Rezensent: Winfried Berner, 03.04.2005

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Wer sich einen schnellen Überblick verschaffen will, welche(s) von 50 wichtigen Managementbüchern er lesen soll, erhält hier eine recht gute Orientierung. Wer hingegen auf einen tieferen Einblick in deren zentrale Gedankengänge hofft, wird enttäuscht

"Die ultimative Managementbibliothek" ist ein Buch über Bücher, sozusagen ein Meta-Buch, und zwar eines, das gleich im ersten Satz des Vorworts von sich behauptet, "eine objektive Auswahl" darzustellen (S. 25). Die Kriterien der Auswahl bleiben aber ebenso im Unklaren wie das Auswahlverfahren. Der Autor und Financial Times-Journalist Stuart Crainer sagt dazu lediglich: "Meinungen über die Auswahl wurden auf beiden Seiten des Atlantik eingeholt. Manche Bücher enthalten im Keim eine große Idee, andere sind wirklich genial. Einige hatten trotz offensichtlicher Mängel großen Einfluss, andere waren kommerzielle Misserfolge, enthalten jedoch Ideen, die sich als wertvoll für die Praxis erwiesen haben." (S. 25) Das klingt, mit Verlaub, nach einer recht subjektiven Auswahl. Was durchaus auch sein darf – aber dann sollte man es auch so nennen.

Harvard-Professor Gary Hamel, der das Vorwort und Zehn-Zeilen-Kommentare zu den einzelnen Büchern verfasst hat (und selbst mit "Competing For the Future" in der Liste vertreten ist), enthält sich denn auch jeglicher Superlative: "Sowohl zeitgemäß als auch zeitlos zu sein ist eine wunderbare Eigenschaft – und alle Bücher, die hier in einer kurzen Zusammenfassung dargestellt werden, besitzen sie. Jedes war ein Produkt seiner Zeit und sprach die Probleme seiner Zeit an, aber jedes hat auch seine Zeit überdauert. Manager haben immer wieder auf diese Bücher zurückgegriffen, um darin Wahrheiten zu entdecken, die auch in unserer Zeit ihre Gültigkeit besitzen." (S. 13) Auch Crainer formuliert auf der zweiten Seite des Vorworts sehr viel demütiger: "Jede Auswahl hat Nachteile und Mängel und ist von Vorurteilen beeinflusst. Aber die fünfzig Bücher die hier vorgestellt werden, haben zweifellos tiefgreifende Wirkungen auf Manager und Unternehmen in der ganzen Welt gehabt." (S. 26)

Doch schon die Überschrift des Hauptkapitels kommt wieder recht präpotent daher: "Die 50 wichtigsten Managementbücher" – und fordert damit zum Widerspruch heraus. Wer Einwände erheben möchte, kann entweder auf wichtige Titel verweisen, die in der Liste fehlen – aus meiner Sicht zum Beispiel "Leading Change" von John Kotter oder auch "Change Management" von Klaus Doppler und Christoph Lauterburg. Er kann aber auch der Frage nachgehen, was denn die unausgesprochenen Voraussetzungen für eine Aufnahme in diese erlauchte Liste waren. Dann würde er feststellen, dass es absolut unabdingbar war, auf Englisch erschienen zu sein – was vermutlich weniger damit zu tun hat, dass es ausgeschlossen ist, ein wichtiges Managementbuch auf Deutsch, Französisch oder Japanisch zu schreiben, als damit, dass selbst die führende amerikanische Business-School-Szene keinerlei Neigung zeigt, ihre provinzielle Einsprachigkeit zu überwinden. Weiter sollte, wer Wert auf die Aufnahme legt, entweder Amerikaner sein oder – wie Sun Tsu, Niccolò Machiavelli oder Max Weber – schon länger tot. Und schließlich müsste man ihm dringend raten, weiß und männlich zu sein: Ganze zwei Frauen, nämlich Mary Parker Follett und Rosabeth Moss Kanter, bilden die Ausnahme von der "Männlichkeitsregel"; der brillante Kenichi Ohmae ist, soweit ich erkennen konnte, der einzige Asiate, Ricardo Semler der einzige Repräsentant Südamerikas und der "Emerging Economies". (Die Europäer sind nicht so leicht zu identifizieren, aber die einzigen Exemplare dieser Gattung scheinen mir neben den bereits erwähnten Machiavelli und Weber Adam Smith, Henri Fayol und Fons Trompenaers zu sein; dazu kommen einige US-Immigranten wie Peter Drucker.)

Dennoch ist überhaupt nicht zu bestreiten, dass es sich bei der vorgestellten Auswahl um wichtige und einflussreiche Bücher handelt – und es ist auch nicht zu bestreiten, dass die meisten führenden Business-Denker derzeit in den USA sitzen. Trotzdem würde man sich wünschen, dass die Amerikaner nicht nur im Gespräch höflich konzedieren, dass auch noch ein bisschen Restwelt außerhalb von Nordamerika existiert, sondern davon auch in ihrem praktischen Handeln Kenntnis nehmen.

Having said this – und es war mir ein Anliegen –, darf auch gesagt werden, dass mir die Auswahl für diesen Olymp der Managementliteratur überwiegend plausibel erscheint. Akzeptiert man die Begrenzung auf englische bzw. amerikanische Bücher, finden sich in der Liste sehr viele Titel, die ich entweder gelesen habe, schon immer mal lesen wollte oder angelesen irgendwo herumstehen habe (Kategorie "Wenn ich mal Zeit habe ..."). Sicherlich sind manche davon Ermessensentscheidungen: Ist Dale Carnegies "How to Win Friends", Abraham Maslows "Motivation and Personality" oder Robert Townsends "Up the Organization" wirklich so bedeutend? Muss man Henry Fords "My Life and Work", Alfred Sloans "Years With General Motors" oder Thomas Watsons "IBM" heute wirklich noch als Pflichtlektüre ansehen? Aber das sind zum guten Teil subjektive Geschmacksfragen, erst recht in Abwesenheit objektiv(ierend)er Auswahlkriterien.

Nicht so recht glücklich bin ich mit den Beschreibungen der Bücher geworden. Das liegt hauptsächlich daran, dass die meisten Titel auf nur 4 – 5, maximal 6 Seiten beschrieben werden. Davon entfällt eine auf die Titelseite, die nur einen knappen Kurzkommentar von Gary Hamel enthält, eine weitere auf eine Kurzbiographie des Autors; bleiben nur noch 1,5 bis maximal 4 Seiten, auf denen meist auch noch eine Einordnung des jeweiligen Buchs in das Gesamtwerk des Autors erfolgt und ein paar Anmerkungen zu seiner Wirkungsgeschichte gemacht werden. So interessant dies alles ist, wer sich von dem Buch erhofft, die zentralen Gedanken von 50 wichtigen Büchern auf effiziente und hochkomprimierte Weise aufnehmen zu können, wird es vermutlich enttäuscht zur Seite legen. Die meisten so genannten "Zusammenfassungen" entpuppen sich beim Lesen eher als Appetitanreger denn als hochverdichtete Astronautenkost. Mit anderen Worten, nach diesen paar Seiten kann man zwar meist recht gut beurteilen, worum es in dem jeweiligen Buch geht, was seine Kernthese ist und ob es sich für die eigene Interessenlage lohnen könnte, es zu lesen, doch als unmittelbare Ernte nimmt man nur eine sehr grobe Vorstellung von dessen zentralen Aussagen und Argumentationslinien mit. Schade: Mit ein bisschen mehr Raum (und Arbeit) wäre das durchaus möglich gewesen, wie etwa die sehr dichten Zusammenfassungen von "GetAbstracts" (deutsch- und englischsprachig) oder die "Executive Book Summaries" (englisch) beweisen.

Eine Schnapsidee war schließlich, das Buch alphabethisch nach Autorennamen zu sortieren. Wer sich etwa für die Denkgeschichte des Managements interessiert, für die Zusammenhänge zwischen den Gedankengängen der verschiedenen Autoren, sieht sich so hoffnungslos ausgebremst. Ebenso gut hätte man die Bücher nach ihrer Seitenzahl sortieren können oder nach der Quersumme der ZIP-Codes ihrer Autoren – willkürlicher und unsinniger wäre die Reihenfolge auch dann kaum geworden.

Schlagworte:
Unternehmensführung, Management, Prozessoptimierung, Fachliteratur, Bestseller, Bücher

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