Die Umsetzungsberatung

Rezensionen

Über den Mut loszulassen und so einen Neuanfang zu ermöglichen

Schoenaker, Theo (2005):

Loslassen, damit das Leben weitergeht



RDI-Verlag (Bocholt) 1998, 3. überarb. Aufl. 2005; 96 S.; 10,00 Euro


Nutzen / Lesbarkeit: 8 / 9

Rezensent: Winfried Berner, 15.09.2006

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Praxisorientierte Gedanken zu den Themen Loslassen und Festhalten, Abschiednehmen und Verzeihen aus der Sicht der Individualpsychologie und der Baha'i-Religion.

Ganz glücklich macht mich die Verquickung von Individualpsychologie und Religion nicht, die Theo Schoenaker in diesem Büchlein vornimmt. Selbstverständlich respektiere ich, dass Schoenaker ein tiefreligiöser Mensch ist, und ich sehe auch, dass gerade dann, wenn es um den Abschied von Verstorbenen geht, unweigerlich die Frage ins Spiel kommt, ob es ein "Leben nach dem Tode" gibt oder ob mit unserem körperlichen Tod (oder in dessen zeitlicher Nähe) auch unsere geistig-seelische Existenz erlischt. Mein Unbehagen rührt nicht daher, dass ich als Agnostiker aus dem Verkünden religiöser Gewissheiten weder Trost noch Orientierung ziehen kann; es rührt daher, dass Schoenaker seine religiösen Überzeugungen in gleicher Weise als zweifelsfreie Tatsachen präsentiert wie die psychologischen Erkenntnisse zum Thema. Das aber führt zu einer Vermengung ganz unterschiedlicher Erkenntnisquellen: Empirische Forschung und klinische Erfahrung auf der einen Seite, spirituelles Erleben und Glaubensgewissheit auf der anderen. Es liegt mir fern, den Wert oder die Legitimität spiritueller Erfahrungen in Abrede zu stellen; dennoch würde ich mich wohler fühlen, wenn Schoenaker deren hochgradig subjektiver Glaubenscharakter klarer zu erkennen geben würde.

Trotz dieser Irritation kann ich dieses schmale Büchlein "im Prinzip" empfehlen: Nicht nur Menschen, die den Verlust eines Angehörigen verarbeiten müssen, sondern auch solchen, die vor anderen Aufgaben des Abschiednehmens, Loslassens oder auch des Verzeihens stehen – etwa, wenn die Kinder das Haus verlassen, persönliche Verletzungen verarbeitet und verziehen werden müssen oder wenn eine Trennung erfolgt ist. Aber auch im beruflichen Bereich, wenn freiwillig oder unfreiwilligermaßen eine neue Weichenstellung stattgefunden hat oder stattfinden muss, die eben oft auch mit Abschieden und zuweilen mit Enttäuschungen, Verletzungen und damit dem Bedarf für Loslassen und Verzeihen einhergehen.

Wie immer bei Schoenaker ist das Buch leicht lesbar, auch ohne psychologische (oder sonstige akademische) Vorbildung zu verstehen, und ausgesprochen lebensnah geschrieben. In den ersten vier Kapiteln entwickelt Schoenaker seine zentralen Gedanken anhand des Fallbeispiels von einer Mutter und ihrer Tochter, die mit schweren Aufgaben von Abschied und Loslassen zu tun haben: von der Abreise des geliebten Sohnes zum Auslandsstudium bis zum zurückliegenden, aber noch nicht bewältigten Tod des Ehemanns, von der Ablösung von den Eltern und ihren Erwartungen oder Forderungen bis hin zum Unfalltod eines Kindes. Erkennbar und nacherlebbar werden dabei nicht nur die Bewältigung des Abschieds und die Neuorientierung, sondern auch das persönliche Wachstum, das aus der Entscheidung zum Loslassen entsteht, und die Intensivierung der persönlichen Beziehungen, die sich aus der gemeinsamen Verarbeitung des Loslassens entfalten kann.

Immer wieder kondensiert Schoenaker aus der Fallgeschichte knappe, prägnante Merksätze wie: "Man darf keine halben Sachen machen beim Abschiednehmen. Wer nicht loslässt, kommt in die Krise. Man kann nicht festhalten, was es nicht mehr gibt." (S. 14) oder: "Das Loslassen braucht neue Ziele." (S. 16) Er versteht es wirklich in bemerkenswerter Weise, die Dinge zu verdichten und Aussagen auf den Punkt zu bringen.

Das fünfte Kapitel wirkt auf mich etwas "gewaltsam angeklebt". Es besteht aus einem Vortrag sein, den angeblich die fiktive, im Loslassen inzwischen herangereifte Mutter auf Einladung der örtlichen Hospizbewegung hält. Aber das ist nicht ihr Vortrag, das ist ein Vortrag von Theo Schoenaker (der denn auch auffällige Ähnlichkeiten mit seiner gleichnamigen CD hat). Hier legt er seiner Figur zu viel auf einmal in den Mund. Deshalb höre ich diesen Vortrag lieber gesprochen von Schoenakers klarer, ruhiger, freundlicher Stimme. Was durchaus auch als Empfehlung für die empfehlenswerte CD verstanden werden darf, die zwar nicht alle Inhalte und Beispiele dieses Buchs enthält, aber dennoch ein sehr rundes Bild von der Thematik vermittelt. (Bezug: www.rdi-verlag.de; Preis 9,90 Euro)

Schlagworte:
Loslassen, Abschied, Verzeihen, Tod, Sinn des Lebens

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