Die Umsetzungsberatung

Rezensionen

Wie man spannende Geschichten schreibt

Stein, Sol (1997):

Über das Schreiben



Zweitausendeins (Frankfurt) 2011; 429 Seiten; 19,90 Euro


Nutzen / Lesbarkeit: 6 / 8

Rezensent: Winfried Berner, 06.01.2012

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Wer schreibt, will gelesen werden. Also sollte ihn interessieren, unter welchen Bedingungen Leser bereit sind, seine Texte freiwillig zu lesen. Stein, ein erfahrener Schriftsteller und Lektor liefert Anregungen - allerdings primär für Fiction-Autoren

Sol Steins primäre Zielgruppe sind "Fiction"-Autoren, denen er immerhin 16 von 34 Kapiteln exklusiv widmet und die auch in vielen der übrigen Kapitel seine Perspektive dominieren. Und natürlich kann man sich fragen, ob man als Autor von Fachtexten die Mühe aufwenden soll, 200 Seiten über das gekonnte Schreiben erfundener Geschichten durchzuarbeiten. Doch eine enge Fokussierung ist zwar oft die effizienteste, aber nicht notwendigerweise die bereicherndste Lebensform. Meine Erfahrung ist, dass man von eigenständig und sorgfältig denkenden Menschen eigentlich immer etwas lernen kann – auch wenn man zu dem Zeitpunkt, wo man sich damit beschäftigt, noch nicht weiß, wofür es einmal gut sein wird. (Aber keine Sorge: Es besteht keine Gefahr, dass ich anfange, Romane zu schreiben.)

Also habe ich auch die 200 Seiten gelesen, die sich ausschließlich mit dem Schreiben von "Fiction" befassen. Nun weiß ich ein bisschen mehr darüber, wie man Personen mit ein paar Federstrichen charakterisiert, wie man eine Handlung aufbaut, wie man "Spannung erzeugt, die den Leser nicht mehr loslässt" (S. 145 ff.), wie man gelungene Dialoge schreibt, wie man Dinge "zeigt", statt sie zu erklären, wie man die richtige Perspektive wählt, Rückblenden einsetzt, um "den Hintergrund in den Vordergrund" zu rücken (S. 210 ff.), wie man Liebesszenen gestaltet und manches andere mehr. Der unmittelbare Nutzwert von Autoren von "Nicht-Erfundenem" ist gering; ein indirekter Nutzen dürfte aber darin liegen, dass man etwas mehr über die bewusste Gestaltung seiner Texte nachdenkt, statt die Dinge einfach so aufzuschreiben, wie sie einem in den Sinn kommt.

Doch man kann sich diesen langen Exkurs auch sparen und gleich zum dritten Teil springen, der sich gleichermaßen auf "fiktionale und nichtfiktionale Literatur" bezieht. Dort geht es als erstes um "Amphetamine, die das Tempo steigern" (???) – oder, schlichter gesagt, um die Straffung langatmiger Texte. In die gleiche Kerbe schlägt das 21. Kapitel "Wie wird man überflüssiges Fett los?" Das ist in der Tat eine Frage, mit der sich jeder Autor befassen sollte, der darauf angewiesen ist, freiwillig gelesen zu werden. Durch beherzte Kürzungen gewinnt ein Text überproportional mehr an Tempo als man gestrichen hat. (Wobei Steins Botschaft ist: Es geht nicht darum, alles Fett abzusaugen, sondern nur das überflüssige.) Die Übungen, die er dazu vorschlägt – wie etwa, radikal alle Adjektive zu entfernen, die nicht zwingend zur Erhaltung des Sinnes erforderlich sind – sind hilfreich, auch für geübte Autoren.

Im vierten Teil geht es endlich ausschließlich um "nichtfiktionale" Literatur – aber leider nur auf 32 Seiten. "Erzähltechniken können bereichern", verspricht das 24. Kapitel – sofern der Stoff sich dafür eignet: Das betrifft wohl eher Reporter und Historiker. Um "Konflikt, Spannungsbogen und Höhepunkte" dreht sich das 25. Kapitel, und das ist nun wirklich ein Aspekt, den jeder Fachautor nutzen kann. Schließlich steht jedes ernstzunehmende Fachthema im Widerstreit unterschiedlicher Ansichten, Theorien und Weltbilder. Warum also nicht, statt die eine und einzige Wahrheit darzulegen, einen Konflikt unterschiedlicher Welt- und Menschenbilder inszenieren?!

Der fünfte Teil handelt von "Literarische(n) Werte(n)" – und das klingt so, als ob man als Autor von Fachtexten schon wieder nicht mehr gemeint wäre. Doch überraschenderweise geben diese vier Kapitel einiges her – beginnend mit der Abgrenzung von anspruchsvollen Texten gegenüber Trivialliteratur, die Sol Stein vor allem an der sprachlichen Genauigkeit festmacht. Klischees, schräge Bilder und abgedroschene Floskeln gibt es ja auch in der Fachliteratur zuhauf. Und auch hier konterkarieren sie den Sinn und Zweck des Textes, bis hin zu dem Punkt, dass man bei manchen Texten gar nicht mehr den Eindruck einer direkten Realitätsbeobachtung und -beschreibung hat, sondern das Gefühl hat, dass nur noch sprachliche Kulissen hin und her geschoben werden.

"Der Blick fürs Detail", wie Kapitel 29 überschrieben ist, kommt ohne Zweifel auch Sachtexten zugute; desgleichen lohnt sich Sorgfalt bei "Vergleiche(n) und Metaphern" (Kapitel 30). Die Fähigkeit und Anstrengung (!), etwas, was schon tausend mal gesagt worden ist ("Wir gehen offen und vertrauensvoll miteinander um"), auf eine Weise zu formulieren, die noch eine Chance hat, den Phrasenfilter zu durchdringen, ist ja für Fachautoren nicht weniger wichtig als für Geschichtenerzähler.

Im sechsten und letzten Teil schließlich geht es um "Die Redaktion", und jeweils ein Kapitel widmet sich der Überarbeitung von belletristischen und von Sachtexten. Aber deren Umfänge spiegeln das Buch: Das Belletristik-Kapitel hat 22 Seiten, das über Sachtexte immerhin sechs. Nützlich aber, dass Stein hier Kriterien für die Überarbeitung anbietet, wie zum Beispiel, ob ausreichend visuelle Elemente und unmittelbare Szenen vorkommen, ob der Text durch Anklänge an kollektive Erinnerungen Resonanzen auslöst, ob Adjektive und Adverbien, wo immer möglich, gestrichen wurden, ob Klischees und Abschweifungen eliminiert wurden, sodass der Text "unverschnörkelt und ohne Floskeln" daherkommt.

Doch insgesamt ist die Ausbeute, die man als Fachautor aus den 420 Seiten ziehen kann, eher mager. Jedenfalls was handfeste Erkenntnisse und konkrete Schlussfolgerungen betrifft – vielleicht ist ja mehr in mein stilistisches Unterbewusstsein eingesickert als ich wahrgenommen habe. Dementsprechend fällt das Resümee zurückhaltend aus – wobei sich das ausdrücklich auf den Nutzen für Fachautoren bezieht. Was das Buch angehenden Romanciers bringt, kann ich nicht sagen; das ist nicht meine Baustelle. Insgesamt bleibt es trotzdem hinter den Erwartungen zurück, welche die Werbetexter des 2001-Verlags bei mir geweckt haben.

 

Schlagworte:
Schreiben, Texten, Stilistik

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