Ausgehend von Peak Oil und einigen anderen kritischen Engpässen erklärt Hartmann, was uns in diese heikle Lage gebracht hat und wie wir uns retten könnten. Viel Stoff zum Nachdenken, mögliche Denkansätze, aber natürlich keine fertigen Lösungen.
Der Titel verströmt eine melancholische Abschiedsstimmung – doch von wem oder was nimmt er eigentlich Abschied? Wie (fast) alle anderen Lebewesen auch leben wir Menschen von der Energie, die die Sonne uns spendet. Als "ancient sunlight" bezeichnet Thom Hartmann die Sonnenenergie, die in Form von Öl, Gas und Kohle in der Erde gespeichert ist. Nüchtern betrachtet, geht es also um fossile Brennstoffe – eine recht unromantische Sache eigentlich, aber gerade deshalb sagt der Titel viel über dieses Buch: Hartmann zielt darauf – und schafft es –, einen Sachverhalt emotional aufzuladen, den andere Autoren wie der Peak-Oil-Guru Richard Heinberg, das Post Carbon Institute und andere recht nüchtern, wenn auch nicht weniger dramatisch beschrieben haben.
Diese emotionale Aufladung hat Vor- und Nachteile. Da es hier immerhin um einen Wendepunkt der Menschheitsgeschichte geht, ist es nicht unangebracht, diese Tatsache so aufzubereiten, dass sie unter die Haut geht. Das "schwere" Thema wird so leichter lesbar und eindringlich; der Nachteil ist indes, dass das Problem so noch beängstigender wird, was zum Verdrängen verleiten kann, aber auch, dass bei der Suche nach Lösungen die wissenschaftliche Nüchternheit fehlt und auch Denkansätze und Hoffnungen ins Spiel kommen, über deren Tragfähigkeit man streiten kann.
Das Buch gliedert sich in drei Hauptteile: Der erste "We're Running Out of Ancient Sunlight" beschreibt – oder schildert – mit einiger Dramatik die faktische Seite. Inhaltlich ist das nahe bei dem, was man auch bei Heinberg oder bei Chris Martenson (siehe Rezension) nachlesen kann, nur dass Hartmann weniger Zahlen, Daten und Fakten und dafür mehr "Geschichten" erzählt. Der zweite Teil "Younger and Older Cultures: How Did We Get There?" lokalisiert die tieferen Ursachen für die eingetretene Entwicklung darin, dass mit den frühen Stadtstaaten eine neue Kultur entstanden sie, die – im Gegensatz zu den egalitären und genügsamen "alten Kulturen" – von Macht, sozialer Ungleichheit und Expansionswillen geprägt gewesen seien. Das hat Ähnlichkeiten mit dem, was Daniel Quinn in seinen "Ishmael"-Romanen beschreibt (siehe Rezensionen), wobei ich Quinn hier als gedanklich klarer und tiefer empfinde. Im dritten Teil "What Can We Do About It?" geht es naheliegenderweise um die Frage, wie wir aus dem Schlamassel, das wir uns da eingebrockt haben, wieder herauskommen: Angesichts der Dimension des Problems eine ebenso wichtige wie schwierige Frage.
Denn in den letzten 200 Jahren hat die Menschheit einen unvorstellbaren Raubbau begangen: Innerhalb dieser erdgeschichtlich lächerlich kurzen Zeit haben wir die fossilen Energiereserven, die in 70 Millionen Jahren entstanden sind, weitgehend aufgebraucht. Mit immer noch steigender Tendenz: Allein in den letzten 40 Jahren haben wir mehr "antikes Sonnenlicht" verheizt als in der gesamten Menschheitsgeschichte davor. Und das ist noch nicht alles: Die Vernichtung der Regenwälder, die Klimaveränderungen, das Aufbrauchen fossiler Wasserreserven und die Ausbreitung der Wüsten rücken es durchaus in den Bereich des Möglichen, dass unsere Zivilisation ähnlich endet wie etliche andere Hochkulturen vor uns: Die Sumerer, die griechischen Stadtstaaten, das römische Reich, die Majas, die Azteken und andere. Sie alle haben sich, wohl ohne völlig zu verstehen, was sie tun, buchstäblich selbst das Wasser abgegraben und damit ihre Lebensgrundlage, die sie für allzu selbstverständlich nahmen, zerstört.
Ob die "alten Kulturen", über die Hartmann im zweiten Teil sehr liebevoll und geradezu andächtig schreibt, tatsächlich so viel verantwortungsbewusster waren als die "jüngeren" oder ob ihnen nur die Mittel und Möglichkeiten – und vielleicht auch die Phantasie oder die Motivation – fehlten, auf so zerstörerische Weise mit ihren Lebensgrundlagen umzugehen, da bin ich mir nicht so sicher. Immerhin scheint es auch prähistorische Belege für Raubbau und exzessive Jagd zu geben, auch wenn ich (und vielleicht auch niemand sonst) nicht weiß, wie repräsentativ und typisch diese Fälle sind. Trotzdem bleibt fraglich, ob diese "alten Kulturen" tatsächlich einen so schonenden Umgang mit der Biosphäre pflegten oder ob das nur eine "nostalgische Vision" des Autors ist: Ein in die Vergangenheit projiziertes Wunschbild von einer heilen Welt. Immerhin muss man diesen "alten Kulturen" aber zubilligen, dass sie – aus welchen Gründen auch immer – über zehntausende von Jahren bestanden haben, ohne den Fortbestand des Ökosystems und der Menschheit zu gefährden.
Aber wie es auch immer: Modelle für die Zukunft lassen sich daraus ohnehin kaum ableiten, denn diese Erde ist schlicht zu klein, um 8, 9 oder 10 Milliarden Menschen ein Leben als Jäger und Sammler in überschaubaren Stammesgesellschaften zu ermöglichen – von gewissen Akzeptanzproblemen in der breiten Öffentlichkeit ganz abgesehen. Ein "Weiter so" wird es indes auch nicht geben, nachdem das "Ancient Sunlight" aufgebraucht ist, denn unser gesamter heutiger Lebensstandard ist Ausfluss der billigen und im – scheinbaren – Überfluss vorhandenen Energie: Wenn das Öl ausgeht, geht uns im gleichen Moment auch der Kunstdünger und der nutzbare Ackerboden aus, und kurz davor oder danach auch das Wasser, von vielen Rohstoffen ganz zu schweigen, deren Abbau und Recycling nur unter hohem Energieeinsatz möglich ist.
Mit anderen Worten, wir können weder vorwärts noch zurück und sind dringend darauf angewiesen, uns wirklich etwas Neues einfallen zu lassen und nicht noch mehr Zeit zu verlieren. Angesichts der brisanten Lage dürfen wir nicht davor zurückschrecken, auch ungewöhnliche Ansätze und Vorschläge zu prüfen – was freilich nicht heißt, dass wir nach Versuch und Irrtum probieren sollten. Leider bleiben Hartmanns Empfehlungen hier vage. Er setzt seine Hoffnungen vor allem auf ein Umdenken bzw. einen Kulturwandel sowie darauf, dass schon eine begrenzte Verbreitung die "kritische Masse" für dessen Durchsetzung herbeiführen kann. Eine "New Science" empfiehlt er uns im ersten Kapitel des dritten Teils seines Buches, die an C. G. Jung mit seinem "kollektiven Unbewussten" (new science?!) und Rupert Sheldrake anknüpft, die Welt durch "practice anonymus acts of mercy" zu verändern empfiehlt. Immer noch unter "New Science" lautet schließlich sein Rat "Reconnect with God … directly". So hatte ich mir eine neue Wissenschaft eigentlich nicht vorgestellt.
"New Stories Are Necessary to Change the World" ist das folgende Kapitel überschrieben. Das ist die modische Verwechslung von "Geschichten" mit den dahinter stehenden Weltbildern oder, wenn der Begriff denn sein muss, Paradigmen. Aber so plausibel es ist, dass wir ein neues Welt- und Menschenbild brauchen, um aus unserer selbstgebastelten Falle herauszukommen, noch spannender wäre zu erfahren, wie es denn aussehen könnte.
"Touching the Sacred" und "Learn to Create Awareness" geht es weiter. Auch regelmäßige Meditation wird dem Leser ans Herz gelegt, in der durchaus anrührenden Story "Lessons from a Monk". Ich will mich darüber nicht lustig machen, zumal ich von diesen Themen zu wenig verstehe – doch was Hartmann darüber schreibt, überzeugt mich nicht, dass wir auf diese Weise den Kollaps unserer Zivilisation abwenden können.
Das gilt auch für seine Empfehlung "Re-empower Women". Selbst wenn Frauen in vielen "alten Kulturen" eine bestimmende Rolle hatten, ist fraglich, ob sie als Erlöser taugen: Sie sind ebenso Teil unserer Kultur wie die Männer und haben die gleichen Paradigmen verinnerlicht. Andererseits ist es angesichts unserer desperaten Lage einen Versuch wert: Schlechter als die Männer können die Frauen es auch kaum machen: Die Skala ist nach unten ausgeschöpft. Sobald man es jedoch in Erwägung zieht, stellt sich heraus, dass Hartmann die Frage nach dem Wie nicht einmal angerissen hat.
Aufmerksamkeit verdient "The Secret of Enough", das sich mit dem Stellenwert materieller Besitztümer auseinandersetzt. "If you are naked, cold, and hungry, and somehow you get shelter, clothing, and food, you will feel better." (S. 273) Doch aus der Tatsache, dass die Erfüllung materieller Grundbedürfnisse glücklich macht, wenn sie einem gefehlt haben, folgt durchaus nicht, dass immer weitere materielle Besitztümer noch erheblich glücklicher machen. Auf dem heutigen Niveau des – materiellen – Wohlstands stellt sich durchaus die Frage, wie hoch der Grenznutzen weiterer Reichtümer ist. Und diese Frage zu stellen, heißt beinahe schon, sie zu beantworten.
Zumal die individuelle Akkumulation von Vermögen durchaus ihre Kehrseite hat, nämlich eine existenzielle Abhängigkeit von persönlichem "Haben". Wer nicht "hat" oder sein Vermögen, aus welchen Gründen auch immer, verliert, stürzt ins Leere und muss, gerade in Ländern mit hoher sozialer Ungleichheit, froh sein, wenn es fürs nackte Überleben reicht. Entsprechend ungemütlich ist die Vorstellung, dass unser Vermögen, unsere Altersrücklagen und unser Rentenversicherungssystem aufgrund wirtschaftspolitischer Entwicklungen gefährdet sein könnten. Gerade die aktuelle Situation, wo die Wertaufbewahrungsfunktion des Geldes ins Wanken gekommen ist, macht erlebbar, wie arm wir bei all unserem Wohlstand dran sind und wie unsicher unsere Zukunft ist.
Deshalb wäre es wohl in der Tat eine Überlegung wert, weniger den Vermögensaufbau in den Mittelpunkt unseres Lebens zu stellen als den Aufbau funktionierender, resilienter Gemeinschaften, die im Einklang mit den natürlichen Ressourcen leben, Respekt vor anderen Kulturen und auch vor allen anderen Formen des Lebens haben. Die Kapitelüberschrift "Look into the Face of God" ist in diesem Zusammenhang weit weniger mystisch gemeint als sie klingt. Sie will lediglich nahelegen, "Gott" in den Augen aller Lebewesen zu erblicken, die einen ansehen und in deren Augen man schaut. Das Gottesbild dahinter wäre dann wohl: "Gott ist das Leben – das Leben ist Gott".
Danach wird es – endlich! – etwas handfester: "Change the Focus of How We Use Technology". Das Öl und die fossilen Energien werden uns nicht vom einen Tag auf den anderen ausgehen, meint Hartmann, aber ihr Preis wird stark ansteigen. Infolgedessen werden wir gezwungen sein, weniger Öl zu verbrauchen. Vor allem aber wird es darauf ankommen, es so einzusetzen, dass es den Übergang in eine nachhaltige Lebensform ermöglicht, das heißt in eine, die mit den Ressourcen auskommt, die uns auf Dauer zu Verfügung stehen, statt die Lebensgrundlagen der nachfolgenden Generationen zu verprassen.
"Turn off the TV" ist ebenfalls ein guter Tipp, vor allem wenn man ihn, wie im Text vorgeschlagen, als bewusste Abkoppelung von der unausgesetzten Verblödungsmaschinerie empfiehlt, die uns unsere Wahrnehmung der Realität und unser langfristiges Denken durch eine Überflutung mit irrelevanten Details verschüttet. Wobei amüsant ist, dass man diese Empfehlung immer wieder auch aus völlig anderen Ecken zu hören bekommt, etwa von erfolgreichen Investoren und Spekulanten, die ansonsten – mit Ausnahme von Jeremy Grantham – wenig Geistesverwandtschaft mit ökologischen Erneuerern aufweisen. Die Gemeinsamkeit ist, dass beide – und weitere – das Dauergequassel als Ablenkung von den Dingen betrachten, auf die es wirklich ankommt.
Anregungen auf dem Weg zu neuen, nachhaltigeren Lebensformen liefern die Kapitel "The Modern-Day Tribe: Intentional Community", "Reinventing Our Daily Life and Rituals", "Transforming Culture Through Politics" und "Taking Back America". Auch wenn ich das nicht alles unterschreiben oder übernehmen möchte, liefern diese Abschnitte zumindest viel Stoff zum Nachdenken. Vielleicht ist ja ein Leben in überschaubaren Gemeinschaften, die ihre eigenen Regeln und Rituale finden, tatsächlich befriedigender und lebenswerter als das in kompetitiver Vereinzelung – mir persönlich erscheint dieser Gedanke immer plausibler. Eine Abkehr von der trostlosen Vereinzelung konkurrierender "Ich AGs" muss ja nicht gleich in das andere Extrem faschistoider Strukturen gehen, in denen der Einzelne völlig der Gemeinschaft untergeordnet wird.
Vor allem die letzten dieser Kapitel sind überraschend politisch. Sie lassen erahnen, welche Macht die Finanzbranche und die unzähligen zahlungskräftigen Lobbygruppen (nicht nur) in den USA haben. Die zunächst sehr irritierende Überschrift des vorletzten Kapitel "Something Will Save Us" ist als Warnung vor einem gefährlichen Mythos gemeint: vor der Hoffnung, dass uns rechtzeitig, bevor die Lichter ausgehen, neuartige technische Lösungen einfallen, die neue Energiequellen ebenso erschließen wie neue Wasser- und Nahrungsquellen und nebenbei den Klimawandel rückgängig (oder irrelevant) machen. Das wäre kaum realistischer als der Glaube, dass im letzten Moment fliegende Untertassen auf der Erde landen und uns in eine bessere Welt befördern werden.
Nichts wird uns retten, wenn wir nicht selbst Wege finden, uns mühsam und Schritt für Schritt aus dieser selbstgebauten Falle zu befreien. Das Buch von Thom Hartmann ist natürlich nicht der ultimative How-To-Guide dafür, aber zumindest eine wertvolle, wenn auch zuweilen für meinen Geschmack zu esoterische Sammlung von Denkanstößen und Impulsen. Seinem Schlussappell "We Have Much to Learn … and Even More to Remember" möchte ich deshalb gern hinzufügen: Und ein bisschen selber denken wäre vielleicht auch nicht verkehrt.
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