Die Umsetzungsberatung

Rezensionen

Wie man erfolgreich und zielgerichtet provoziert

Höfner, Eleonore; Schachtner, Hans-Ulrich (1995):

Das wäre doch gelacht!

Humor und Provokation in der Therapie

Rowohlt (Reinbek) 8. Aufl. 2013; 272 Seiten; 9,99 Euro


Nutzen / Lesbarkeit: 7 / 7

Rezensent: Winfried Berner, 28.12.2015

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Trotz seiner teilweise etwas angestrengter Witzigkeit kann dieses Buch dabei helfen, tiefer in die Provokative Therapie bzw. einen provokativen Gesprächsstil einzusteigen und sich mit ihrer Logik und Methodik vertraut zu machen.

Seit ich vor Jahren ein Seminar-Video gesehen habe, in dem Altmeister Frank Farrelly seine Methodik praktisch demonstriert, bin ich ein Fan der Provokativen Therapie. Nein, genau gesagt, hat mich der Begriff schon davor fasziniert: Welch ein erfrischender Kontrast gegenüber dem oft betulichen, supersoften, alles verstehenden und alles verzeihenden Duktus vieler "humanistischer" Therapeuten. Doch im Gegensatz zu manchen anderen Konzepten, bei denen nur der Titel faszinierend wirkt, hält Farrellys Ansatz den hochgesteckten Erwartungen stand.

Ihn live oder auch nur auf Video zu erleben, ist unterhaltsamer und zugleich lehrreicher als jedes Kabarett. Seine gnadenlosen und zugleich ungeheuer präzisen Zuspitzungen erinnern mich an Werner Schneyder in Bestform, nur dass Farrelly nicht ein akribisch ausgetüfteltes Programm reproduziert, sondern ad hoc auf eine(n) real vor ihm sitzende(n) Klienten/in eingeht und ebenso schonungslos wie einfühlsam deren bzw. dessen Lebensäußerungen karikiert.

Provokation oder Klamauk?

Leider hält Farrellys einziges Buch "Provokative Therapie" (siehe Besprechung) nicht mit seinem unmittelbaren Agieren Schritt: Es ist zwar nicht schlecht, aber auch nicht sonderlich gut geeignet, um zu erlernen, was Farrelly da eigentlich tut, wie er es genau tut und nach welcher inneren Logik er dabei agiert. Wie provokatives (Be)Handeln "geht", kann man daraus nur eingeschränkt lernen. Es liegt daher nahe, dass, wer von diesem Ansatz "angefixt" ist, sich auf die Suche nach weiteren Quellen macht. Allzu wählerisch darf er dabei nicht sein, denn das Angebot ist im Loriot'schen Sinne recht übersichtlich. Und das Taschenbuch "Das wäre doch gelacht!" ist eines der besten verfügbaren Angebote.

Diese Feststellung möge nicht als Ausdruck von Begeisterung missverstanden werden. Mir sind viele Scherze der Münchener Provokativen Therapeuten zu plump und zu angestrengt-witzig. Wenn sie etwa den von ihnen propagierten "Provokativen Stil" durchgängig als "ProSt" abkürzen, dann kann ich durchaus nachvollziehen, dass man das in (ange)heiter(t)er Runde unglaublich komisch finden kann, aber spätestens bei der dritten Wiederholung muss ich mich mit der Mistgabel kratzen, um noch grinsen zu können, und ab der fünften nützt auch das nicht mehr. Fehlte eigentlich nur noch, dass sie ihre Provokative Therapie-Seminare als ProTheSe vermarkten.

Genug gemosert. Das Verdienst dieses Buchs ist, dass es den provokativen Stil analytisch aufdröselt und ihn zergliedert in Elemente und Bausteine, die man verstehen und sich aneignen kann. Das mag erst einmal furchtbar klingen, aber es hilft. Denn Farrelly in Aktion ist zwar umwerfend, aber auch so vielschichtig, dass man über den beinharten, zum Teil ziemlich derben Sprüchen allzu leicht wesentliche Elemente seines Handelns übersieht. Ein Imitationslernen ist daher nur eingeschränkt möglich. Daher glaube ich den Autoren beinahe aufs Wort, wenn sie berichten, sie hätten in ihren Anfangszeiten mit dem provokativen Stil in drei Wochen mehr Klienten verprellt als in drei Monaten nachwuchsen.

Ihr Buch ist in drei Teile gegliedert. Nach einer zielgruppenerweiternden Einleitung "Ein Buch – Nicht nur für Psychotherapeuten" folgt Teil I "Die Kennzeichen des ProSt". In diesen 32 Seiten habe ich mir, was ungewöhnlich ist, gar nichts angestrichen: Offenbar enthielt er nichts, was mir beim Lesen erinnernswert erschien, und auch nichts, was mir unhaltbar schien. Ergiebiger ist der umfangreiche Teil II "Das Vorgehen im ProSt", der mit 135 Seiten den Großteil des Buches einnimmt. Teil III schließlich ist der Anhang, der drei ausführliche Transkripte von Behandlungen umfasst – eine von Frank Farrelly, eine von Eleonore Höfner (mit einem Redeanteil der Therapeutin von geschätzten 85 Prozent) und eine von Hans-Ulrich Schachtner.

Das Fundament des provokativen Vorgehens

Ein zentrales Element der provokativen Methodik ist das, was die Autoren den "Guten Draht" nennen: Eine – für den Klienten! – so deutlich spürbare Wertschätzung, dass der die Zuspitzungen und Übertreibungen des Therapeuten nicht als Angriff oder Verhöhnung empfindet, sondern als Ausdruck eines ungewöhnlich tiefen Verständnisses. Das wiederum setzt nicht allein voraus, dass der Therapeut innerlich auf Seiten des Klienten steht; es erfordert vielmehr einen hohen Grad an Einfühlung und intuitivem Verstehen des Denksystems des Klienten. Denn die Provokationen wären unwirksam, wenn sie an der Sichtweise des Klienten vorbeigingen; sie wirken nur, weil sie sie präzise treffen – und zugleich schamlos übertreiben. Wenn Farrellys Klienten immer wieder hervorhoben, sie hätten sich noch nie so gut verstanden gefühlt, dann wohl nur deshalb, weil er sich mit hoher intuitiver Treffsicherheit in ihr System "eingeklinkt" hat.

Allerdings bleiben mir Höfner und Schachtner zu sehr an der Oberfläche, wenn sie betonen: "Das Wie ist wichtiger als das Was" (S. 70) und zur Erklärung, weshalb das provokative Vorgehen so gut funktioniert, mit dem alten Hut herumwedeln, wonach die nonverbale Kommunikation ungleich wichtiger sei als die verbale. Die Frechheiten, Übertreibungen und Provokationen der Therapeuten spielten sich ja "nur" auf der verbalen Ebene ab, während sie dem Klienten auf der nonverbalen vermittelten, "dass wir ihn für wertvoll und gleichwertig halten. Wir machen ihm deutlich, dass er als Mensch in Ordnung ist, aber dass er – wie viele andere auch – in einem selbstgebrauten, zähflüssigen Blödsinn feststeckt." (S. 71)

Wenn das die Erklärung wäre, dann sollte eigentlich ziemlich egal sein, was sich in einer Therapie auf der "Tonspur" abspielt, weil es so oder so von der dominierenden Macht der nonverbalen Kommunikation in die Bedeutungslosigkeit gedrängt würde. Das Erklärungsmodell von dem absoluten Vorrang der nonverbalen Kommunikation mag stimmen oder auch nicht; ich bezweifle dennoch, dass eine hoch dosierte nonverbale Wertschätzung etwas hilft, wenn der Klient sich in den – angeblich so nebensächlichen – Worten des Therapeuten nicht wiederfindet und den Eindruck gewinnt, dass der nur krasse Sprüche ablässt, seine innersten Gefühle und Gedanken aber kaum zu verstehen scheint. Vielmehr vermute ich, dass die Wirksamkeit sich genau daraus erklärt und vor allem davon abhängig ist, dass sich der Klient gerade in den provokativen Zuspitzungen außergewöhnlich gut verstanden fühlt.

Wichtig und schlüssig erscheint mir hingegen die Bemerkung: "Wie wir andere wahrnehmen, hängt nicht nur von diesen ab, sondern auch von der Haltung, die wir uns selber gegenüber einnehmen. Sie beeinflusst die Wahrnehmung anderer in entscheidender Weise. Je freier wir unseren eigenen Torheiten gegenüberstehen, um so freier und offener wird unser Umgang mit anderen Menschen sein. Wenn wir in uns den ganz normalen Wahnsinn geortet haben, können wir ihn auch anderen zugestehen." (S. 73) Das trifft in der Tat nicht nur für die Psychotherapie zu, sondern – beispielsweise – auch für den ganz normalen Geschäfts- und Verwaltungsalltag.

Recht zwiespältige Gefühle hinterlassen ihre Ausführungen zum Thema Führung und den "Längere[n] Hebel im ProSt". Zwar ist natürlich richtig, dass (auch) Therapie eine Führungsaufgabe ist und der Therapeut auf die Dauer wenig Nutzen bietet, wenn er sich die Sache aus der Hand nehmen lässt und in die Fallen geht, die erfahrene Klienten ihren Therapeuten stellen ("Werden Sie mich heilen können, Herr Doktor?"). Aber hinter dem Begriff und der großgeschriebenen Länge des "Längeren Hebels" schauen mir doch allzu deutlich die Angst, sich gegenüber trainierten Klienten nicht behaupten zu können, und ein Streben nach Überlegenheit hervor, was die Gefahr birgt, sich in Machtkämpfe mit Klienten zu verstricken.

Trotzdem ist es sicher ein guter Anhaltspunkt, wenn sie schreiben: "Wenn sich der Therapeut mehr anstrengt als der Klient, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Klient ihn am Wickel hat und am Längeren Hebel sitzt." (S. 88) Die Frage ist nur, ob man das um jeden Preis vermeiden muss oder ob es reicht, eine solche Fehlentwicklung zu ignorieren, wenn man sie denn bemerkt – etwa, indem man sie direkt anspricht, oder auch, indem man in klassischer provokativer Manier seine Kreativität in möglichst absurde Lösungsvorschläge investiert. In meinen Augen ist es leichter zu wissen: "Das kann passieren, und wenn es denn passiert, weiß ich, wie ich damit umgehe" als sich unter Stress zu setzen, um in jedem Fall am längeren Hebel zu bleiben, und damit seine Empathie zu beeinträchtigen.

Bausteine der provokativen Methodik

Nach diesen "Grundlagen" stellen Höfner und Schachtner die "Bausteine" der provokativen Methodik vor – und holen damit etwas nach, was der Meister selbst nur sehr bruchstückhaft hinterlassen hat. Ein erstes wichtiges Element ist, was sie "Aktivdiagnose" nennen: Die Anamnese erfolgt nicht, wie üblich, so, dass der Therapeut entweder einen umfangreichen Fragenkatalog abarbeitet oder sich mit engelsgleicher Geduld und laufendem Taxameter die epischen Ausführungen des Klienten anhört. Vielmehr steigt er rasch aktiv ein und bietet dem Klienten seine eigenen spekulativen Einfälle und dramatischen Interpretationen an – was den Klienten dazu zwingt bringt, zügig auf den Punkt zu kommen und die maßlosen Übertreibungen des Therapeuten zu relativieren, statt sein Leiden dramatisch und "therapiewürdig" auszumalen. Was Farrelly brillant so zusammengefasst hat: "In der Psychoanalyse assoziiert der Klient frei, und der Therapeut versucht, Sinn in diese Assoziationen zu bringen. In der Provokativen Therapie assoziiert der Therapeut frei, und der Klient muss dann einen Sinn drin finden." (S. 98)

Ein weiterer Baustein sind "Überraschende Sichtweisen" (S. 101), die der Therapeut einbringt, absurde Umdeutungen und unerwartete Antworten. Besonders spannend aber ist, wie der Widerstand des Klienten in der Provokativen Therapie in die richtige, also entgegengesetzte Richtung gelenkt wird: nicht gegen die Heilung, wie in der klassischen Psychotherapie, sondern gegen die kruden Empfehlungen und Erklärungen des Therapeuten, der den Wahnsinn auf immer neue Höhen treibt.

Was eigentlich ganz einfach ist – und ein zentrales Element der Provokativen Therapie, das Höfner und Schachner in das treffende Bild fassen: "Den Esel am Schwanz und nicht am Halfter ziehen" (S. 113). Erläuterung für Leser, die nicht mehr so vertraut mit Eseln sind: Eseln gelten gemeinhin als sehr störrische Tiere, die um so sturer auf einem Fleck verharren, je heftiger ihr Besitzer sie nach vorne zieht und schiebt. Wer einen Esel in Bewegung bringen will, sollte ihn daher nicht vorwärts zerren oder schieben, sondern ihn am Schwanz nach rückwärts ziehen.

Ob dieses Rezept bei Eseln funktioniert, weiß ich nicht. Bei Menschen funktioniert es oft erstaunlich gut. Wenn man ein Problem, das sie vorbringen, relativiert und verharmlost, laufen sie erst richtig zur Hochform auf und schildern mit dramatischen Worten, weshalb der gegenwärtige Zustand wirklich absolut unerträglich ist. Nimmt man ihr Problem dagegen überaus ernst, spielt es hoch und dramatisiert es (ohne offene oder versteckte Ironie!), beginnen sie nach einer Weile, es selbst zu relativieren: Ganz so dramatisch wie es uns erscheint, sei das Problem nun doch nicht.

Frank Farrelly hat daraus eine therapeutische Methode gemacht: "Der 'Trick' dabei ist genauso einfach wie wirkungsvoll: Wir schlagen uns auf die Seite des anderen, und zwar mehr, als ihm lieb ist. Alle unsere Aussagen enthalten ein Körnchen Wahrheit, das absurd übersteigert wird." (S. 115) Im Grunde ist das der Kern der Provokativen Therapie: Der Therapeut verbündet sich mit dem Problem, akzeptiert es nicht nur, sondern heroisiert und glorifiziert es, entdeckt immer neue Vorteile und strengt sich aus Leibeskräften an, den Klienten davon zu überzeugen, dass die Störung sein gutes Recht ist und dass die Aufgabe des sekundären Krankheitsgewinns der größte Fehler seines Lebens wäre. Früher oder später hält der Klient dagegen: Die Provokation war erfolgreich, und durch seine Begeisterung für das Problem hat der Therapeut den gesunden Widerstand des Klienten hervorgerufen.

Viele andere Methoden, Taktiken und Spielarten der Provokativen Therapie sind letztlich nur Variationen über eben dieses Grundthema: Der Therapeut verbündet sich mit dem Problem – und "zwingt" den Klienten so dazu, entgegen all seinen bisherigen Gewohnheiten die Seite der "Vernunft" einzunehmen und dem "verrückten" Therapeuten klarzumachen, wie das Leben wirklich funktioniert und wie man sich in einer Gemeinschaft verhalten muss, um nicht ständig anzuecken. Statt also mit Engelszungen einzureden, um ihn zu "bekehren", wird der Therapeut zum Advocatus Diaboli – und bewirkt gerade dadurch die Umkehr.

Schlagworte:
Provokation, Provokative Therapie, Coaching, Change Kommunikation, Humor

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