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Rezensionen

Wie man seine Angst vor Zurückweisung überwindet

Jiang, Jia (2015):

Rejection Proof

How to Beat Fear and Become Invincible

Random House (London) 2016; 226 Seiten; 8,79 Euro


Nutzen / Lesbarkeit: 9 / 10

Rezensent: Winfried Berner, 12.04.2017

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Wo andere einen Ratgeber verfasst hätten, hat Jia Jiang einen eindruckvollen Erfahrungsbericht über seine selbstverordnete 100-Tage-Konfrontation mit Zurückweisungen aller Art geschrieben. Unterhaltsam und lehrreich zugleich.

Wie Jia Jiang, der als Sechzehnjähriger auf eigene Faust aus China in die USA einwanderte, eingangs berichtet, war sein Lebenstraum immer, Unternehmer zu werden. Stattdessen wurde er nach seinem MBA erst einmal Marketing-Manager. Dabei wurde ihm immer schmerzlicher bewusst, dass er in einem goldenen Käfig festsaß und drauf und dran war, seinen großen Traum davonziehen zu lassen. Das ließ ihn trotz allen äußerlichen Erfolgs immer unzufriedener werden. Dank eines herzhaften ermutigenden Schubses seiner zu diesem Zeitpunkt schwangeren Frau wagte er den Absprung. Sie gab ihm ein Jahr Zeit, entweder als Unternehmer Fuß zu fassen oder sich diesen Traum abzuschminken.

100 Tage – 100 riskierte Zurückweisungen

Im Laufe dieses Jahres wurde ihm bewusst, wie sehr es vor allem seine Angst vor Ablehnung war, die ihn davon abhielt, seinen eigenen Weg zu gehen. Und er begriff, dass er diese Angst überwinden musste, wenn aus seinen Traum Realität werden sollte. Kurz entschlossen verordnete er sich selbst ein 100-Tage-Programm mit einer täglichen Konfrontation mit einer möglichen Zurückweisung – sozusagen eine Do-It-Yourself-Reizüberflutungstherapie.

Über seine zum Teil ausgesprochen kreativen Ideen, sich immer neuen Risiken von Ablehnung und Zurückweisung auszusetzen, berichtet er in diesem Taschenbuch. Eingestreut sind Überlegungen, Theorien, Forschungsbefunde etc., die dabei helfen, seine Ängste und Erfahrungen besser einzuordnen und zu verstehen.

Manche seiner Ideen, eine Zurückweisung zu provozieren, sind so grotesk, dass man als Leser staunend davor steht und sich fragt, welche Reaktionen sie auslösen werden. In einem Hundesalon zu fragen, ob sie einen selbst auch frisieren könnten, oder einen wildfremden Hausbesitzer zu bitten, einen dabei zu filmen, wie man in seinem Garten Fußball spielt, fällt so weit aus dem Rahmen, dass es die Situationen zum Teil ein wenig bizarr macht. Ohne Zweifel gehört aber einiges an Mut und Selbstüberwindung dazu, fremden Menschen mit solchen seltsamen Ansinnen auf den Leib zu rücken.

Aus der Mutprobe wurde ein Lernprozess

Doch Jia Jiang tut mehr als seine Umgebung mit abstrusen Wünschen zu malträtieren. Im Laufe seiner 100 Tage lernt er eine Menge über Ablehnung, über erfolgversprechende und weniger erfolgversprechende Arten, Bitten vorzubringen, und über sich selbst. Und er lässt seine Leser sozusagen live an seiner Lerngeschichte teilhaben. Das macht die Lektüre packender, anschaulicher, aber auch erkenntnisreicher als es jeder klassische Ratgeber sein könnte.

Eine wichtige Erkenntnis war für ihn beispielsweise, Ablehnung nicht immer gleich persönlich zu nehmen. Wenn Menschen eine Bitte oder ein Angebot ausschlagen, hat das oft weniger mit der eigenen Person oder dem Inhalt der Frage zu tun als damit, dass es für die angesprochene Person einfach aus irgendwelchen Gründen nicht passt.

Deshalb ist wichtig, mit Ablehnungen richtig umzugehen: Nicht gleich überstürzt die Flucht zu ergreifen und auch nicht traurig davonzuschleichen, sondern "warum" zu fragen und den Gründen für die Ablehnung nachzugehen. Unter Umständen eröffnet das sogar die Möglichkeit, die Bitte oder das Angebot so zu modifizieren, dass es im zweiten Anlauf vielleicht doch noch erfolgreich ist. Voraussetzung dafür ist, eine kooperative Haltung einzunehmen, statt um seinen "Sieg" zu kämpfen. Und statt lange um die Bekehrung einer Person zu ringen, ist es oft klüger, die nächste(n) zu fragen.

Erfolgreicher bitten – erfolgreicher ablehnen

Überhaupt kann der Bittende einiges tun, um seine Erfolgschancen zu verbesserrn – beginnend damit, dass er sein Anliegen begründet. Hilfreich ist auch, über Skepsis und Vorbehalte nicht hinwegzugehen, sondern sie anzusprechen und auf sie einzugehen. Und natürlich hilft es auch, so banal das klingen mag, die richtige Person bzw. Zielgruppe anzusprechen.

Nebenbei lernte Jiang bei seinen Selbstversuchen auch, dass nicht jede Ablehnung gleich ist: Manche waren leichter zu ertragen als andere. Wie er herausfand, ist es leichter, eine Ablehnung zu verkraften, wenn sie (1) freundlich und respektvoll vorgebracht wird, (2) direkt und ohne langes Herumeiern kommt und wenn sie (3), sozusagen als Krönung, von einem Alternativvorschlag begleitet wird.

Lohnend ist auch, das Positive an Ablehnungen zu entdecken und sie als Ansporn, als "wood in the fire" (S. 153) zu nutzen. Denn es wäre schade, nichts aus dem Feedback zu lernen, das in jeder Zurückweisung steckt: "The biggest lesson of all was how to use rejection as a tool to learn, adapt, and improve. Instead of sulking, just hanging on, or simply giving up after the first fifteen minutes, I treated the experience as a feedback tool, and quickly changed my tactics without abandoning the cause altogether." (S. 157)

Sich der Ablehnung in einer besonders unfreundlichen Umgebung auszusetzen, kann man sogar als Instrument der Persönlichkeitsentwicklung und zum Training der Stressresistenz nutzen. Wie Jiang entdeckte, verschaffte ihm das neu gewachsene Bewusstsein, Ablehnung auszuhalten und mit ihr umgehen zu können, zusätzliche Freiheit: Sowohl die Freiheit, zu fragen, statt sich lieber zurückzuhalten, als auch die, sich selbst zu akzeptieren, ohne ständig auf der Suche nach Zustimmung und Bestätigung zu sein. (Ein ganz ähnlicher Gedanke wie William Urys Commitment gegenüber sich selbst, sich definitiv um die eigenen Bedürfnisse zu kümmern, "no matter what".)

Darüber hinaus, findet Jiang, kann man Ablehnung auch als einen Indikator dafür nutzen, was einem wirklich wichtig ist im Leben: Wirklich wichtig ist einem nach seiner Auffassung, wofür man vielfache massive Ablehnung auszuhalten bereit ist. Hier scheint mir allerdings eine Einschränkung angebracht: Nur wenigen Menschen dürfte ihre "Berufung" oder der Sinn ihres Daseins so klar sein, dass sie davon auch durch ein Trommelfeuer von Entmutigung nicht abzubringen sind.

Anders verkaufen

Gegen Ende seiner 100 Tage macht Jiang noch das spannende Experiment, "the worst salesman" zu sein. Er lässt sich auf einer Messe von einem lustlosen Promotion-Team eine Handvoll Prospekte geben und zieht in fröhlicher Ahnungslosigkeit los, um für das Produkt zu werben. Und macht dabei eine faszinierende Entdeckung: Er findet Interessenten und Käufer! Das bestärkt ihn in seiner Überzeugung "that acceptance and rejection depend primarily on the other person's situation." (S. 203)

In der Tat wirft das ein neues Licht auf Vertrieb und Marketing: "The egoistical notion that sales success is based purely on the strength of the salesperson – instead on the strength of the fit between the customer and what's being offered – now made no sense. In that way, rejection in sales is a good thing because it weeds out people who do not need or want my service." (S. 203)

Trotzdem teile ich nicht die Schlussfolgerung, die Jiang daraus ableitet, nämlich "Detachment from Results" (S. 212) Zwar verkauft es sich natürlich entspannter und vermutlich auch souveräner, wenn einem egal ist, was dabei herauskommt. Aber der eigentliche Grund für seinen Erfolg als "worst salesman" dürfte darin gelegen haben, dass manche Leute Bedarf für die angebotene Lösung hatten. Deshalb war für sie völlig irrelevant, wie souverän, "geschult" oder persönlichkeitsstark der Verkäufer war.

Vermutlich liegt der Schlüssel zum Erfolg allzu oft ganz simpel darin, möglichst viele potenzielle Interessenten auf ein Angebot aufmerksam zu machen: Verkaufen ist mindestens ebenso sehr ein quantitatives Problem wie ein qualitatives.

Aber losgelöst von solchen Einzelfragen: Ein absolut lesenswertes Buch, das eine Fülle von Einsichten, Impulsen und Denkanstößen liefert – und dabei auch noch wirklich leicht und unterhaltsam zu lesen ist. (Das Buch gibt es auch auf Deutsch - allerdings scheint es, als sei der Titel beim Übersetzen noch theatralischer geworden: "Wie ich meine Angst vor Zurückweisung überwand und unbesiegbar wurde: Ein Selbstversuch in 100 Schritten")

Schlagworte:
Kommunikation, Fragen, Bitten, Angst vor Ablehnung, Angst vor Zurückweisung, Ermutigung, Geliebt-Werden-Wollen

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