Die Umsetzungsberatung

Rezensionen

Unterhaltsame philosophische Abendlektüre

Klein, Daniel (2015):

Immer wenn ich den Sinn des Lebens gefunden habe, ist er schon wieder woanders

Philosophie für den Alltag

Piper (München); 222 Seiten; 10 Euro


Nutzen / Lesbarkeit: 9 / 9

Rezensent: Winfried Berner, 13.11.2018

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Eine Sammlung kurzweiliger philosophischer Miniaturen, die dank der entwaffnenden Ehrlichkeit und der abgeklärten Selbstironie des Autors zum Nachdenken und "Meditieren" über die eigenen Lebensprioritäten einladen.

Wenn ich gewusst hätte, dass der Autor ein amerikanischer Philosoph ist, hätte ich mir das Buch wohl im Original besorgt. In deutlicher Abweichung zur deutschen Übesetzung lautet der Originaltitel: "Every Time I Find the Meaning of Life, They Change It – Wisdom of the Great Philosophers on How to Live". Der deutsche Titel ist zwar lustig, aber ohne wirkliche Bedeutung, auch wenn er eine Übersetzung des obigen Zitats des Theologen Reinhold Niebuhr zu sein beansprucht.

Der englische dagegen wirft die Frage auf, wer mit "They" gemeint ist: die großen Philosophen? Können die den Sinn des Lebens ändern? Oder sind irgendwelche geheimnisvollen Mächte gemeint? Trotz dieser Irritation muss ich dem Übersetzer Ralf Pannowitsch dankbar zugestehen, dass er bei mir das Bedürfnis nach dem Originaltext nur selten aufkommen ließ.

Insgesamt ist das ein sehr schönes, befriedigendes Buch: Auf gut 200 Seiten bietet Klein 39 philosophische Miniaturen im Umfang von 3 bis 8 Seiten an, in denen er sich prägnant, mit großer Offenheit und Witz mit den verschiedensten philosophischen Fragen auseinandersetzt.

Warum ausgerechnet 39, und warum ausgerechnet diese Fragen? Das hat einen Schuss sehr authentischer Willkürlichkeit: Als junger Philosophiestudent legte Klein ein Notizbuch an, indem er Zitate von Philosophen von Aristoteles über Nietzsche bis zu Bertrand Russell sammelte, die ihm damals etwas sagten – und nun, mit über Achtzig, kommt er auf sein altes Notizbuch zurück und kommentiert diese Zitate aus dem Abstand eines langen Lebens, aber zugleich mit großer Empathie für den jungen Mann, der er damals war, und mit sympathischer Distanz zu seinen eigenen damaligen und heutigen Gewissheiten.

Konsequenterweise hat dieses Buch nicht einmal ein Inhaltsverzeichnis – es wäre auch schwer gewesen, eines zu erstellen, angesichts der Länge und Themenvielfalt der Zitate. Aber man vermisst es nicht wirklich, zumal Klein im Anhang die Quellen auflistet, die er nach bald 60 Jahren noch rekonstruieren konnte.

Die einzelnen Kapitelchen kann man gut für sich lesen, da sie in sich abgeschlossen sind und nicht aufeinander aufbauen. Man kann sie ohne weiteres auch durcheinander lesen – aber dafür braucht man gar nicht im Buch hin und her springen, sondern kann auch in der Reihenfolge der Kapitel bleiben, denn "durcheinander" sind sie auch so schon. Trotzdem ist die Reihenfolge, in der sie abgedruckt sind, irgendwie schlüssig. Vielleicht liegt das daran, dass ihre Abfolge der Chronologie folgt, in der der damals junge Daniel Klein die Zitate gesammelt und aufgeschrieben hat.

Diese Reflexionen sind abgeklärt, menschenfreundlich, sehr persönlich und überraschend gedankenvoll. Gerade weil Klein sich den Sentenzen sehr authentisch nähert und immer wieder seine eigene Lebenserfahrung ins Spiel bringt, sind sie nicht nur – im besten Sinne – unterhaltsam und abwechslungsreich, sondern regen zum Nachdenken und auch zum "Meditieren" an.

Es hätte wenig Sinn, die philosophischen Sentenzen, die Klein zitiert und reflektiert, hier im einzelnen aufzuzählen und zu kommentieren. Stattdessen gebe ich nur einige Zitate wieder, die mich besonders angesprochen haben:

  • "Verdirb dir nicht die Freude an dem, was du hast, indem du dir wünscht, was du nicht hast; denke daran, dass das, was du heute hast, einst zu den Dingen gehörte, von denen du nur träumtest." (Epikur)
  • "Es gibt nur ein wirklich ernstes philosophisches Problem: den Selbstmord. Sich entscheiden, ob das Leben es wert ist, gelebt zu werden oder nicht, heißt auf die Grundfrage der Philosophie antworten. Alles andere – ob die Welt drei Dimensionen oder der Geist neun oder zwölf Kategorien hat – kommt später." (Albert Camus)
  • "Mein erster Akt des freien Willens soll sein, an den freien Willen zu glauben." (William James)
  • "Das Gute an alten Freunden ist unter anderem, dass man sich mit ihnen auch mal dumm benehmen darf." (Ralph Waldo Emerson)
  • "Ich denke nicht, dass es Sinn ergibt, wenn Sie den Zustand der Welt beklagen, solange Sie keinen Weg gefunden zu haben glauben, sie besser zu machen. Machen Sie sich sonst gar nicht erst die Mühe zu schreiben; suchen Sie sich eine tropische Insel und legen Sie sich in die Sonne." (Peter Singer)
  • "Du bist aus Stoff gemacht, der so alt ist wie der Planet und ein Drittel so alt wie das Universum, aber nun haben sich dieser Atome zum ersten Mal so zusammengefunden, dass sie denken, sie sind du." (Frank Close)
  • "Falls Sie glauben, dass es an einem vergangenen oder zukünftigen Ereignisse etwas ändern könnte, wenn Sie sich nur ausreichend lange schlecht fühlen oder Sorgen machen, dann leben Sie auf einem anderen Planeten mit einer fremdartigen Realitätsbeschaffenheit." (William James)

Ob diesen Sentenzen auch Sie ansprechen, müssen sie selbst beantworten. Doch ich bin mir sicher: Leicht verdauliche Anregungen zum Nachdenken werden Sie hier reichlich finden.

Bei einem solchen Buch hätte es wenig Sinn, einzelne Gedanken hervorzuheben oder gar eine Zusammenfassung zu versuchen: Es ist ein Schmökerbuch, dass man am besten in kleinen Portionen zu sich nimmt und sich dabei erlaubt, abzuschweifen und seinen eigenen Gedanken nachzuhängen.

Am Ende werden Sie wahrscheinlich genauso wenig wie ich dazu in der Lage sein anzugeben, was konkret Sie aus dem Buch gelernt haben – außer, Klein hat sie mit einem seiner Gedanken "voll erwischt". Aber Sie werden vermutlich mit mir übereinstimmen, dass sich die Lektüre trotzdem (trotzdem?) gelohnt hat, weil uns der ehrliche und selbstironische Stil des Autors zum Nachdenken gebracht hat. Und das ist doch schon fast das Beste, was man über ein philosophisches Buch sagen kann.

Schlagworte:
Sinn des Lebens, Lebensphilosophie, Lebensklugheit

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