Die Umsetzungsberatung

Rezensionen

… doch keine ganz so kurzen Beine

Ekman, Paul (1985):

Telling Lies

Clues to Deceit in the Marketplace, Politics, and Marriage

Norton (New York, London); 402 Seiten; 15,50 Euro


Nutzen / Lesbarkeit: 9 / 9

Rezensent: Winfried Berner, 20.01.2019

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Wer sich für Lügen und ihre Erkennung interessiert, wird kaum eine bessere Quelle finden als dieses nicht mehr ganz neue Buch. Denn der Autor ist ein, wenn nicht der international führende Experte. Er zeigt auch die Grenzen der Lügenerkennung auf.

Der mittlerweile 84-jährige Paul Ekman ist mir ein alter Bekannter, auch wenn ich zugeben muss, dass die Bekanntschaft etwas einseitig ist. Vor vielen Jahren ist er mir im Psychologiestudium begegnet, als ich ein Referat über Emotionen zu halten hatte. Bei der Vorbereitung stieß ich auf sein Buch "The Face of Man – Expressions of Universal Emotions In A New Guinea Village" (1980), in dem er die Universalität bestimmter Emotionen über alle Gesellschaften und Kulturkreise hinweg nachweist und dokumentiert.

Eine Koryphäe für den Gesichtsausdruck von Emotionen

Das Buch berichtete über eine Studie, in der Ekman Völkern, die bislang keinen Kontakt mit der westlichen Zivilisation gehabt hatten, Fotografien zeigte, die Gesichter mit verschiedenen Emotionen darstellten, und sie um deren Deutung bat. Das Ergebnis war eindeutig: Trotz anderer Hautfarbe, Kleidung und Erscheinung hatten diese Naturvölker keinerlei Probleme, die Gesichtsausdrücke von Angehörigen einer ihnen unbekannten Zivilisation zu verstehen und ihre Emotionen zu erkennen.

Das war damals nicht nur eine wissenschaftliche Sensation, sondern auch eine kulturelle. Denn zu jener Zeit war in den Sozialwissenschaften der sogenannte kulturelle Relativismus in Mode, also die Überzeugung, dass praktisch alle menschlichen Ausdrucksformen und Handlungsweisen kulturell vermittelt und damit erlernt wären, es also keine angeborenen Wahrnehmungs- und Verhaltensmuster gäbe.

Ekmans Studie widerlegte diese Theorie: Dann hätten die untersuchten Völker unsere westlichen Emotionen bzw. deren Gesichtsausdruck nicht erkennen dürfen. Seine Schlussfolgerung war, dass zumindest der Ausdruck und die Erkennung einiger basaler Emotionen "Hardware-verdrahtet", also angeboren ist. Das war einerseits völlig gegen den Zeitgeist, hatte aber andererseits etwas ungeheuer Völkerverbindendes – was ebenfalls gut in den damaligen Zeitgeist passte (und dem heutigen wohl gut täte).

Für mein Referat verwendete ich die Originalfotos aus Ekmans Buch, darunter auch Aufnahmen, in denen Ekman den Spieß herumgedreht und seine Versuchspersonen aus Neuguinea gebeten hatte, sich bestimmte emotionale Situationen lebhaft vorzustellen und den entsprechenden Gesichtsausdruck zu machen. Wenig überraschend hatten meine Kommilitoninnen und Kommilitonen keine Mühe, die allermeisten dieser Emotionen ziemlich treffsicher zu erkennen. Die improvisierte Replikation von Ekmans Studie war somit gelungen, und damit auch der "Beweis" der Universalität von Emotionen.

Wie dies ahnen lässt, ist der emeritierte Psychologieprofessor Paul Ekman, von dem es übrigens auch etliche ausgezeichnete Videos auf YouTube gibt, eine absolute Koryphäe der Emotionsforschung und insbesondere ihres mimischen Ausdrucks. Er hat zum Beispiel ein Kodierungssystem für Gesichtsausdrücke entwickelt, das wesentlich fundiertere Forschungen ermöglicht als davor, und den Stand der Erkenntnisse auf diesem Gebiet auch sonst erheblich vorangebracht.

Wertende Wortwahl

Wie er berichtet, wurde er immer wieder von der Polizei und der Justiz nach Methoden angefragt, die Glaubwürdigkeit der Aussagen von Zeugen und Beschuldigten besser beurteilen zu können. Wer absichtlich falsche Angaben macht, steht ja vor der Herausforderung, sich nicht durch Mimik und den Ausdruck "unpassender" (aber möglicherweise authentischer) Emotionen zu verraten. Wer sollte die Glaubwürdigkeit von Aussagen da besser beurteilen als ein Forscher, der wie kein anderer mit dem mimischen Ausdruck von Emotionen vertraut ist?

Der kriminalistische Hintergrund wird auch in der Begrifflichkeit deutlich. Auch wenn Ekman betont, dass er den Begriff "Lie" ohne moralische Wertung versteht, ist "Lüge" natürlich kein wertfreier Begriff und lässt sich auch durch Erklärungen nicht dazu machen. Der neutralere Begriff wäre der, den er im Untertitel verwendet: "deceit"; Täuschung. Noch deutlicher wird die mitschwingende Wertung, wenn er von "Lie Catching", "Lie Checking" oder auch von "Lies in Public Life" spricht.

Zweifel an der Aktualität

Das Original von "Telling Lies" ist bereits 1985 erschienen. Der ursprüngliche Text blieb auch in den späteren Ausgaben unverändert erhalten; die einzige Änderung, die ich feststellen konnte, ist, dass die Zeichnungen unterschiedlicher Emotionen im Gesichtsausdruck in späteren Auflagen durch Fotografien ersetzt wurden. Im Text ist aber weiterhin von "drawings" die Rede, was etwas irritierend ist. (Das Schriftbild ist bei der Hardcover-Ausgabe von 1985 sauberer als bei der Taschenbuchausgabe.)

Allerdings wurde das Buch 2001 und noch einmal 2009 um neue Kapitel ergänzt, nämlich "Lie Catching in the 1990s", "Lies in Public Life", "New Findings and Ideas About Lying and Lie Catching" sowie "Micro, Subtle, and Dangerous Facial Expressions". Da diese Ergänzungen nicht unwesentlich sind, kommt man um die Neuauflage nicht herum, wenn man auf dem neuesten Stand sein will, obwohl die alte Hardcover-Ausgabe für Bücherliebhaber mehr hermacht.

Dass der Hauptteil des Buches gegenüber der erste Ausgabe von 1985 nicht aktualisiert wurde, tritt in peinlicher Weise zutage, wenn etwa im Kapitel "The Polygraph as Lie Catcher" Experimente zu Fragen angekündigt werden, die sich damals nicht beantworten ließen: "In the next year we fill find out which it is. We will train a group of people …" (S. 236) 30 Jahre später sollten die Ergebnisse dieser Experimente eigentlich vorliegen, und als Leser hätte man schon gerne erfahren, was herausgekommen ist.

Der Lapsus macht ein tieferliegendes Problem sichtbar, nämlich das der Aktualität des Buchs: Sollten tatsächlich zu dem gesamten Hauptteil in den letzten 30 Jahren keine neuen Erkenntnisse hinzugekommen sein? Gut, es gibt die angehängten neuen Kapitel – trotzdem ist es unwahrscheinlich, dass nach so langer Zeit keine einzige Aussage im "Altbestand" des Textes korrektur- oder ergänzungsbedürftig ist? Auch wenn ich mir kaum vorstellen kann, dass ein Präzisionsfanatiker wie Ekman veraltete Aussagen stehen lässt, weckt das doch die Sorge, dass das Buch nicht mehr auf dem neuesten Stand ist.

Ein klassisches Entscheidungsdilemma

Das Erkennen von Lügen bzw. Täuschungen wirft das gleiche Problem auf wie viele andere diagnostische Entscheidungen auch, nämlich das der Trennschärfe. Da wir weit davon entfernt sind, perfekt zwischen Wahrheit und Täuschung unterscheiden zu können, hat man nur die Wahl, entweder sehr strenge Maßstäbe anzulegen und damit viele "false Positives" in Kauf zu nehmen, also etliche Menschen zu Unrecht der Lüge zu verdächtigen, oder nicht so streng zu sein und damit in Kauf zu nehmen, manchen Täuschungen zum Opfer zu fallen.

Wer unter keinen Umständen einer Lüge auf den Leim gehen will, kann das ganz einfach erreichen: Er darf niemanden glauben. Und wer auf keinen Fall jemanden zu Unrecht verdächtigen will, muss alles glauben. Da aber weder das eine noch das andere Extrem alltagstauglich ist, müssen wir uns für einen der vielen möglichen Mittelwege entscheiden – und für diese Wahl spielt eine maßgebliche Rolle, welcher Fehler uns im Zweifel lieber ist: Nehmen wir lieber in Kauf, getäuscht zu werden, um möglichst selten jemanden zu Unrecht zu verdächtigen, oder riskieren wir lieber, den einen oder anderen vor den Kopf zu stoßen, um möglichst selten einer Täuschung zum Opfer zu fallen?

Diese Wahl dürfte auch davon abhängen, wie hoch im Falle einer Täuschung das Risiko ist und was der maximale Schaden wäre: Wenn uns jemand nachts durch ein unwegsames Moor zu führen verspricht, sollten wir misstrauischer sein, als wenn uns jemand eine unglaubliche Geschichte aus seinem letzten Urlaub erzählt, bei der für uns nichts davon abhängt, ob wir sie glauben oder nicht.

Was Ekman bei seinen Überlegungen allerdings außer Acht lässt, ist der Baseline-Effekt, auf den Daniel Kahneman und Amos Tversky aufmerksam gemacht haben: Für die Treffsicherheit unseres Urteils spielt auch eine Rolle, wie Wahrheit und Täuschung in der Grundgesamtheit verteilt sind, sprich, wie hoch der Prozentsatz der Lügen an der Gesamtheit aller Aussagen ist.

Das Fehlerrisiko ist hoch, wenn man sich mit seinem Urteil bei begrenzter Trennschärfe gegen die statistische Wahrscheinlichkeit stellt: Wenn Lügen relativ selten sind (sagen wir, nur 10 % aller Aussagen), die Trennschärfe meines Urteils aber kaum besser als der Zufall ist (sagen wir, 60 %), ist meine Annahme, dass eine konkrete Aussage gelogen ist, mit hoher Wahrscheinlichkeit falsch. Wenn Lügen dagegen sehr verbreitet wären, wäre die Annahme, dass eine Aussage gelogen ist, selbst bei geringer Trennschärfe vermutlich richtig. Nun ist der Anteil von Lügen vermutlich nur schwer zu bestimmen – das ändert aber nichts daran, dass er die Trefferquote eines "Lie Catchers" massiv beeinflusst.

Hinweise erkennen – so sie denn gibt

Technisch erfordert das Erkennen von Täuschungen, Hinweise darauf ("clues to deceit") im Verhalten zu erkennen. Das setzt voraus, dass drei Bedingungen erfüllt sind: Erstens, dass es solche Hinweise überhaupt gibt, zweitens, dass sie ohne technische Hilfsmittel erkennbar sind, und drittens, dass sie auch erkannt werden.

Schon an der ersten Bedingung kann es scheitern: Offenbar gibt es talentierte (und/oder routinierte) Lügner, die selbstsicher die Unwahrheit sagen und sich durch keinerlei Anzeichen verraten, sodass auch ein perfekter "Lie Catcher" an ihnen scheitern muss. Nicht die einzige, aber eine sehr erfolgversprechende Strategie zum perfekten Lügen ist die Selbsttäuschung, wie sie der Verhaltensökologe Robert Trivers in seinem Buch "The Folly of Fools" (2011) präzise beschrieben hat.

Denn wer sich selbst etwas vormacht, muss ich weder mit der kognitiven Komplexität einer "alternativen Wahrheit" herumschlagen noch Angst davor haben, sich mit Emotionen zu verraten, die mit Täuschungsversuchen einhergehen (können) – von Schuldgefühlen bis zu der Angst ertappt zu werden. Doch im Gegensatz zu Trivers, der darüber ein ganzes Buch veröffentlicht hat, erwähnt Ekman das Phänomen der Selbsttäuschung nur beiläufig.

Eigenwillige Definition von Lügen

Allerdings würde die Selbsttäuschung gar nicht unter Ekmans Definition von Lüge (bzw. Täuschung) fallen, wonach "one person intends to mislead another, doing so deliberately, without prior notification of this purpose […]" (S. 28). Doch scheint mir Ekman hier zu sehr auf einem besonderen Typ der Täuschung abzuheben, nämlich der bewussten, absichtlichen, ja beinahe planmäßigen. Dabei unterschätzt er wohl die Finalität der Selbsttäuschung, also deren (bewusst oder vorbewusste) Zielgerichtetheit.

Dagegen weitet er deren Definition erheblich aus, indem er zwei Arten zu Lügen unterscheidet, nämlich einerseits das Verschleiern ("conceiling"), andererseits bewusst falsche Angaben ("falsifying"). Dabei ist es durchaus plausibel, wenn er feststellt: "Liars usually prefer conceiling to falsifying." (S. 29) Trotzdem geht mir seine Definition zu weit, denn sie impliziert eine Pflicht, andere über ihre Irrtümer aufzuklären. Das wiederum scheint mir nur im Falle einer besonderen Vertrauensbeziehung gerechtfertigt.

Ansonsten sind das in meinen Augen zwei Paar Stiefel: Sollte ich jemanden die Wahrheit sagen, wenn er mich mit berechtigtem Interesse etwas fragt – beispielsweise, ob mir sein Vortrag gefallen hat? Ich denke, ja. Muss ich ihn aktiv darauf aufmerksam machen, dass dies nicht der Fall war, wenn er mich nicht danach fragt? Ich denke, nein – außer vielleicht, wenn ich der Lehrer, Coach oder auch der Vorgesetzte des Adressaten wäre. Doch nach Ekmans Definition wäre dies wohl ein Fall von "conceiling".

Dass das Verschleiern beliebter ist als die aktive Fehlinformation, dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass es mit weitaus weniger Stress verbunden ist: Jemandem nicht zu sagen, wie man seinen Vortrag gefunden hat, löst wesentlich weniger Unbehagen aus, als ihm ein falsches Feedback zu geben.

Aktive Täuschung geht oft mit Emotionen einher, und je stärker diese Emotionen sind, desto wahrscheinlicher ist, dass sie sich trotz allen Bemühens, sie sich nicht anmerken zu lassen, irgendwie Ausdruck verschaffen. Starke Emotionen und ihren mimischen Ausdruck kann man nicht völlig unterdrücken, man kann sie aber zu verbergen suchen: "The best way to conceil strong emotions is with a mask. Covering the face or part of it with one's hand or turning away from the person (…) usually can't be done without giving the lie away. The best mask is a false emotion. It not only misleads, but it is the best camouflage." (S. 33) Die beliebteste Form der emotionalen Camouflage ist das Lächeln.

Lügen ist schwierig – aber trotzdem nicht leicht zu entdecken

Wie der Volksmund weiß, ist Lügen anstrengend, denn man muss sich seine Geschichten merken und unerwartete Fragen gut (und konsistent) parieren. Wenn man nicht höllisch aufpasst, kann man sich leicht verraten oder in Widersprüche verwickeln.

Doch Lügen ist nicht nur kognitiv anstrengend, sondern auch emotional. Es ist nicht nur schwierig, über Gefühle zu lügen – es ist auch schwierig, sich die Gefühle nicht anmerken zu lassen, die beim Lügen entstehen: die Angst, ertappt zu werden, Schuldgefühle und Scham, aber auch das diebische Vergnügen, wenn es einem gelingt, andere hinters Licht zu führen – wofür Ekman den hübschen Begriff "duping delight" verwendet, was man ins Deutsche mit Verarschungsvergnügen übersetzen könnte.

Trotzdem heißt das noch lange nicht, dass Lügen anhand der durch sie hervorgerufenen Gefühle leicht zu enttarnen wären. Denn auch "Unschuldige" können Emotionen entwickeln, wenn Sie zum Beispiel Angst haben, dass ihnen nicht geglaubt wird oder dass sie möglicherweise zu Unrecht bestraft würden.

Wie Ekman kategorisch feststellt, "it is next to impossible to distinguish the innocent [person's] fear of being disbelieved from the guilty [person's] detection apprehension. The signs of fear would be the same." (S. 51) Das gilt übrigens auch für den berühmten Polygraphen, den vermeintlichen Lügendetektor, der in Wirklichkeit nur emotionale Erregung aufzeichnet, ihne Rücksicht darauf, woher sie rührt.

Keine eindeutigen Erkennungsmerkmale

Wie Ekman im vierten Kapitel feststellt, gibt es keine objektiven, eindeutigen Erkennungsmerkmale von Lügen: "There is no sign of deceit itself – no gesture, facial expression, or muscle twitch that in and of itself means that a person is lying. There are only clues that the person is poorly prepared and clues of emotions that don't fit the person's line." (S. 80)

Immerhin gibt es Hinweise. Da Lügner oft Angst haben, sich zu verraten, wählen sie ihre Worte besonders vorsichtig. Das gleiche gilt allerdings auch für Menschen, die den Eindruck haben, dass die Umgebung ihnen nicht glaubt und nur auf ein "falsches Wort" lauert.

Ergiebiger als Worte ist die Mimik: "There are more clues to deceit in the face than in words. The face is directly connected to those areas in the brain involved in emotion, and words are not. When emotion is aroused, muscles on the face begin to fire involuntarily." (S. 84)

Zwar können wir lernen oder im konkreten Fall versuchen, unsere Mimik zu beherrschen, aber die erste mimische Reaktion unterliegt nicht der Kontrolle des Willens, sodass sie die wahren Gefühle verraten kann. Gerade das Zusammentreffen und die Vermischung von unbewussten und bewussten Impulsen macht den Gesichtsausdruck so komplex und zum Teil verwirrend, aber auch so faszinierend.

Auch der Körper ist eine gute Quelle für verräterische Signale und Hinweise auf Täuschungsversuche – auch weil er von den Akteuren üblicherweise nicht so sorgfältig beobachtet und kontrolliert wird wie die Wortwahl und die Mimik. Aufschlussreich ist vor allem "the discrepancy between the verbal line and what is revealed by the voice, body, and face." (S. 85)

Nicht bloß Lügen entdecken – die Trennschärfe verbessern!

Bis zu einem gewissen Grad kann man lernen, diese Signale richtig zu interpretieren, zumindest wenn der Verdächtigte weder ein Psychopath ist noch ein sehr geübter oder "geborener" Lügner. Das Ziel darf dabei nicht einseitig auf die Enttarnung von Lügnern ausgerichtet sein: "There are three goals: to spot a liar more often; to misjudge the truthful less often; and, most importantly, to realize when it may not be possible to do either." (S. 87)

Die meisten Beobachter richten ihre Aufmerksamkeit auf die Worte, obwohl man aus ihnen am wenigsten erkennen kann, sofern der Verdächtigte sich nicht selbst verrät. Deutlichere Hinweise liefert die Stimme, insbesondere die Stimmspannung ("pitch") und die Häufigkeit von Pausen. Aber auch hier das gleiche Problem: "Raised pitch is not a sign of deceit. It is a sign of fear or anger, perhaps also of excitement." (S. 94) Umgekehrt ist die Abwesenheit stimmlicher Anspannung kein Beweis für Ehrlichkeit: "The absence of any vocal sign of emotion does not necessarily prove truthfulness." (S. 95)

Ein aussagekräftiger, aber nicht sehr häufiger Hinweisgeber im Bereich der Körpersprache sind die "gestural slips", also die "Freud'schen Gesten", bei denen jemand eine Geste macht, die seine wahre Meinung, die er doch zu verbergen versucht, zum Ausdruck bringt. Besonders aussagekräftig sind hier nicht die normalen, sprachbegleitenden Gesten, sondern etwas, das Ekman "Emblems" nennt. Gemeint sind damit standardisierte Ausdrucksgesten, die in einem Kulturkreis eine feststehende und allgemeinverständliche Bedeutung haben, wie etwa, sich an die Stirn zu tippen oder den "Stinkefinger" zu zeigen.

Denn diese Symbolgesten – in den USA gibt es laut Ekman etwa 60 davon – haben den großen Vorteil der Eindeutigkeit: Wenn sich jemand an die Stirn tippt, ist die Botschaft klarer als wenn er an seinen Haaren zupft. Das heißt, wenn jemand unbeabsichtigt eine Ausdrucksgeste zeigt oder andeutet, die überhaupt nicht zu dem passt, was er sagt, ist das ein klarer Hinweis auf seine wahre Überzeugung. Pech nur, dass diese "Freud'schen Gesten" eher rar sind.

Auch normale Gesten, die Ekman im Gegensatz zu den "Emblems" "Illustrators" nennt, können Hinweise auf Täuschungsversuche enthalten, aber sie sind mangels Eindeutigkeit schwerer zu interpretieren. Hier kommt es besonders darauf an, weniger auf ihre objektive Häufigkeit und Ausprägung zu achten, die je nach Persönlichkeit und Subkultur sehr unterschiedlich sein kann, als auf Veränderungen gegenüber dem vorausgehenden Verhalten. So werden Gesten weniger, wenn jemand Schwierigkeiten hat zu entscheiden, was er sagen soll – was keine Lüge beweist, aber zumindest darauf hindeutet, dass er seine Worte sehr sorgsam und möglicherweise "taktisch" wählt.

Mikro-Mimik, abgewürgte Emotionen und andere verräterische Signale

Weil sich im Gesichtsausdruck unwillkürliche Widerspiegelungen von Gefühlen mit beabsichtigten Signalen vermischen und weil es zudem eine große Vielfalt von Gesichtsausdrücken gibt, spielt die Mimik auch für die soziale Wahrnehmung und speziell für das Erkennen von Täuschungen eine besondere Rolle. Zu dieser Vielfalt trägt bei, dass jede Emotion nicht nur einen einzigen Gesichtsausdruck hat, sondern eine ganze "Familie" von unterschiedlichen Ausdrucksformen.

Ein besonders spannendes Thema ist die Mikro-Mimik: "These expressions provide a full picture of the concealed emotion, but so quickly that it is usually missed. A micro expression flashes on and off the face in less than one-quarter of a second." (S. 129) Besser erkennbar sind unterdrückte Gesichtsausdrücke, die zustande kommen, wenn die betreffende Person bemerkt, dass sie dabei ist, eine Emotion auszudrücken, dies aber nicht will und ihren Ausdruck daher "abwürgt". Auch das geht meistens ziemlich schnell und ist nicht einfach zu erkennen, aber es dauert länger als eine Mikro-Mimik, und zusätzlich ist oft das Abwürgen selbst erkennbar.

Denn für das Unterdrücken eines Gesichtsausdrucks müssen die antagonistischen Muskeln eingesetzt werden. Deshalb kann schon der Einsatz von Antagonisten ein Hinweis auf einen Täuschungsversuch sein. Ebenso deutet eine Asymmetrie des Gesichtsausdrucks darauf, dass das ausgedrückte Gefühl nicht wirklich empfunden, sondern nur vorgetäuscht wird. Ähnliches gilt auch für das Timing: Lange anhaltende Gesichtsausdrücke – länger als 5-10 Sekunden – sind wahrscheinlich aufgesetzt; die meisten wirklich empfundenen Emotionen bleiben nicht länger als ein paar Sekunden im Gesicht erkennbar. (Ausnahmen sind zum Beispiel Wutausbrüche und tiefe Depressionen.)

Auch die zeitliche Relation des Gesichtsausdrucks zu den Worten liefert Hinweise: Wenn der Gefühlsausdruck den Worten folgt, ist er mit höherer Wahrscheinlichkeit vorgetäuscht, als wenn er zeitgleich mit ihnen erscheint oder ihnen sogar vorausgeht. Weiter können die Blickrichtung, ein Blinzeln, eine Pupillenerweiterung, Erröten, Erbleichen und Schwitzen Hinweise geben. Das Problem ist nur, dass keines dieser Signale ein eindeutiger Beleg ist, weil die Gründe, weshalb jemand seine wahren Gefühle unterdrückt, sehr unterschiedlich sein können – nicht nur die Verschleierung von Täuschungsabsichten, sondern zum Beispiel auch soziale Erwünschtheit oder Stolz.

Echtes und falsches Lächeln

Ein besonderes Kapitel ist das Lächeln, von dem Ekman gleich 18 verschiedene Typen unterscheidet, von dem echten, empfundenen Lächeln über den Ausdruck von Angst, Verachtung, Leiden und vielem anderen. Die meisten Menschen haben Schwierigkeiten, diese unterschiedlichen Arten des Lächelns unterscheiden, weil sie vor allem auf die Mundpartie achten, während viele wichtige Unterschiede in der Augenregion zum Ausdruck kommen.

Insbesondere das "falsche" Lächeln, das die Umgebung von freundlichen Gefühlen überzeugen soll, die in Wirklichkeit nicht vorhanden sind, äußert sich vor allem darin, dass die Augenbrauen und die Stirn weitgehend unbewegt sind; noch dazu ist es oft asymmetrischer als ein empfundenes Lächeln. Doch auch hier gibt es keinen eindeutigen Bezug zu Lügen, sodass es verständlich ist, wenn Ekman ein ganzes Kapitel "Dangers and Precautions" widmet.

Denn so deutlich die Signale sein mögen, dass jemand seine wahren Gefühle zu verbergen sucht, so unklar bleibt in aller Regel, was die Motive dafür sind. Wenn jemand auf die Frage: "Hat es Ihnen geschmeckt?" unehrlicherweise mit Ja antwortet, wäre das nach Ekmans Definition zwar eine Lüge, aber vermutlich würde dahinter niemand eine verwerfliche Täuschungsabsicht vermuten.

Echte und falsche Verdächtigungen

Auch wenn Ekman das nicht so explizit sagt, ist das eigentliche Problem in aller Regel nicht die Beobachtung, sondern die Interpretation. Längst nicht hinter jeder Unstimmigkeit, Verschleierung oder höflichen Zustimmung steht eine Täuschungsabsicht; vielmehr besagt das "Ja, ausgezeichnet" lediglich die Absicht, dem anderen nicht zu nahe zu treten oder eine unnütze Diskussion zu vermeiden.

Deshalb muss man sich auch hüten, in die Falle einer selbsterfüllenden Prophezeiung zu gehen: "Once deception has been raised as a serious possibility, this hypothesis is almost immune to disconfirmation." (S 173) Deshalb empfiehlt Ekman allen, die Lügen aufspüren wollen, sich ihrer eigenen Urteile und Vorurteile über den Verdächtigten bewusst zu werden: "The lie catcher must make an effort to consider the possibility that a sign of an emotion is not a clue to deceit but a clue to how a truthful person feels about being suspected of lying." (S. 174, Hervorhebung im Original)

Im letzten Kapitel des ursprünglichen Buchs zieht Ekman ein ernüchterndes Fazit: "Lie checking provides only an informed guess." (S. 240) Vor allem gegen talentierte und geübte Lügner hat man schlechte Karten – und noch schlechtere hat man im Falle einer erfolgreichen Selbsttäuschung, weil jemand, der sich selbst von seiner Geschichte überzeugt hat, in dem subjektiven Gefühl, die Wahrheit zu sagen, die Unwahrheit sagt.

Am ehesten haben wir noch eine Chance, wenn aktuell starke Emotionen im Spiel sind: "The hardest lies are those about emotions felt at the time of the lie; the stronger the emotions and the greater the number of different emotions that have to be concealed, the harder the lie will be." (S. 243)

Doch es liegt nicht allein an der hohen Täuschungskunst, wenn wir Lügengeschichten auf den Leim gehen. Wie Ekman feststellt, lassen sich manche Opfer nur allzu bereitwillig täuschen, weil sie lieber die Lügen glauben wollen, als sich einer unangenehmen Wahrheit zu stellen: "Some victims unwittingly cooperate in being misled. Critical judgement is suspended, contradictory information ignored, because knowing the truth is more painful, at least in the short run, than believing the lies." (S. 279)

Gewachsene Optimismus

Trotzdem zeigt sich Ekman in dem neueren Kapitel "Lie Catching in the 1990s" optimistischer, was die prinzipielle Möglichkeit der Entdeckung von Lügen betrifft – jedenfalls wenn man auf die richtigen Anzeichen achtet. Zwei hebt er besonders hervor, nämlich zum einen ein "maskierendes Lächeln", zum anderen stimmliche Signale: "By using both sources of information, the best results were obtained – a 'hit' rate of 86 percent." (S. 290)

Das maskierende Lächeln unterscheidet sich vom echten dadurch, dass die Augenregion daran nicht beteiligt ist. Das echte Lächeln erkennt man weniger an den Augenwinkeln, die auch bei einem starken künstlichen Lächeln mitbewegt werden und daher Lachfalten zeigen, als an einer Absenkung der Augenbrauen. Die Muskeln, die die Augen umgeben, sind kaum bewusst steuerbar, deshalb ist dieses Signal ziemlich "fälschungssicher".

Das korrespondierende stimmliche Signal ist ein Ansteigen der Stimmspannung, verbunden mit einem Suchen nach Worten sowie Füllwörtern und/oder Stammeln an Stellen, an denen der Proband, wenn er die Wahrheit sagen würde, eigentlich keinen Grund zur Unsicherheit hätte. Allerdings sollten hier wohl die gleichen Kautelen gelten, wie sie Ekman in früheren Kapiteln genannt hat: Wir erkennen zwar, dass jemand unsicher ist, aber wir kennen nicht den Grund dafür.

Doch auch aus noch einem anderen Grund habe ich etwas Bauchschmerzen mit diesen 86 Prozent: Dieser exakte Wert lässt sich ja nur bestimmen, wenn man genau weiß, wer gelogen und wer die Wahrheit gesagt hat – und das geht nur in einem experimentellen Design. Beim Verhören von Verdächtigten weiß man ja ebenso wenig, wer die Wahrheit sagt, wie wenn man mit verheirateten Männern und Frauen über das Thema Fremdgehen redet. Ob Erkenntnisse aus Experimenten aber zumindest näherungsweise eine ähnliche Trefferquote im wirklichen Leben widerspiegeln, lässt sich kaum verifizieren.

Lügen in der Öffentlichkeit

Im wahrsten Sinne des Wortes ein Kapitel für sich sind "Lies in Public Life", denen Ekman in der Neuauflage ein eigenes Kapitel widmet. Denn hier verschieben sich die Maßstäbe – und werden noch widersprüchlicher als sonst. Einerseits können Lügen gegenüber der Öffentlichkeit oder gegenüber dem Parlament dazu führen, dass die überführten (oder geständigen) Lügner zurücktreten müssen. Andererseits sind Lügen ein Teil des Spiels: Keiner würde etwa nach einem Gespräch von Merkel und Seehofer erwarten, dass sie anschließend gegenüber der Presse die Wahrheit darüber sagen, was sie von dem jeweils anderen halten.

Und allen ist klar, dass bewusste Täuschungen Teil des Spiels sind. Wenn etwa Jean-Claude Juncker vor ein paar Jahren sagte: "When things get serious, you have to lie", dann ist das kein Blick in den Abgrund, sondern eher eine entwaffnende – Ehrlichkeit. Auch Ekman stellt fest: "Lying by a national leader to gain an advantage over an enemy is not in and of itself wrong." (S. 305)

Doch diese Einschränkung auf eine Irreführung des "Feindes" ist zu eng. Es gibt politische Maßnahmen, deren Wirksamkeit davon abhängt, dass sie überraschend kommen. Wenn Notenbanken etwa ihre Währung abwerten wollen, dann müssen Sie diese Absicht noch am Tag davor mit größter Entschiedenheit dementieren, wenn sie eine massenhafte Kapitalflucht und einen Bank-Run verhindern wollen.

Unversehens ist Ekman hier allerdings auf ein Gebiet geraten, das er eigentlich meiden wollte, nämlich die ethisch-moralische Bewertung von Lügen bzw. Täuschungen. Es mag aber sein, dass das Bewusstsein, dass bestimmte Lügen ethisch-moralisch gerechtfertigt oder sogar um der guten Sache willen notwendig sind, Schuldgefühle beseitigt und so beim glaubwürdigen Lügen hilft.

Neue Erkenntnisse

Im nachgetragenen Kapitel "New Findings and Ideas About Lying and Lie Catching" bringt Ekman zunächst einige begriffliche Abgrenzungen von Lügen zu Geheimnissen, gebrochenen Versprechen, vergessenen Aussagen etc. Die hätten, mit Verlaub, eigentlich an den Anfang des Buchs gehört. Dann listet er neun verschiedene Motive zu lügen auf:

  • "To avoid being punished.
  • To obtain a reward not otherwise readily available.
  • To protect another person from being punished.
  • To protect oneself from the threat of physical harm.
  • To win the admiration of others.
  • To get out of an awkward social situation.
  • To avoid embarrassment.
  • To maintain privacy.
  • To exercise power over others." (S. 329f.)

Solche Aufzählungen verleiten natürlich dazu, nach Beispielen zu suchen, die nicht abgedeckt sind. Spontan fällt mir dazu das obige Beispiel das Notenbankchefs ein, der seine Pläne entschieden dementiert, weil der Überraschungseffekt für ihren Erfolg unabdingbar ist. Mit ein bisschen Gewalt könnte man dies dem letzten Punkt zuordnen, also der Machtausübung über andere – aber das passt nicht wirklich, weil es hier nicht primär darum geht, andere zu beherrschen, sondern darum, ein anders nicht erreichbares währungspolitisches Ziel zu erreichen.

Am spannendsten bei den neuen Erkenntnissen finde ich es, dass zwar die meisten Menschen als "Lügendetektoren" nicht besser als der Zufall sind, dass aber einzelne Personen gibt, die eine deutlich höhere Trefferquote aufweisen. Diese Personen gehören überwiegend vier Gruppen an: der Polizei, den Geheimdiensten, klinischen Psychologen und – öffentlich Bediensteten, die zuvor freiwillig an einem eintägigen Workshop mit Ekman teilgenommen hatten.

Was sie verband, war ihre Fähigkeit, Mikro-Mimik zu erkennen. Ein kleiner Prozentsatz von ihnen erreichte sogar eine Trefferquote von 80 % oder besser, und zwar in unterschiedlichen Szenarien, sodass es unwahrscheinlich ist, dass das Ergebnis auf Zufallseffekte oder Mogelei zurückgeht.

Erkennen der Mimik ist der Schlüssel

Ein letztes nachgetragenenes Kapitel wurde offenbar erst bei der Neuauflage von 2009 angefügt, nämlich "Micro, Subtle, and Dangerous Facial Expressions". Es beginnt mit der beruhigenden Feststellung: "Nothing we found contradicted the earlier chapters of this book." (S. 347)

Die wichtigste Neuigkeit ist wohl, dass es in neuen Untersuchungen gelungen ist, die Trefferquote weiter zu erhöhen, zumindest unter kontrollierten Bedingungen: "A very high level of accuracy – around 90 percent – was achieved in identifying who had lied, but only when multiple behavioral measures were considered. No one source – neither face, body, voice, speech, nor skin temperature – when considered alone yielded such high results."

"The second finding was that the single most important behavioral source, which alone enabled better than 70 percent accuracy, was facial expression." (S. 350) Wie in den früheren Untersuchungen erwies sich dabei insbesondere die Mikro-Mimik ("micro expressions") als ergiebig. Sie kann, wie Ekman inzwischen herausgefunden hat, aus zwei ganz unterschiedlichen Gründen entstehen, nämlich zum einen aus einer bewussten Verschleierungsabsicht, zum anderen daraus, dass ich die betreffende Person ihrer Gefühle selbst gar nicht bewusst ist.

Um diese Erkenntnisse nutzbar zu machen, entwickelte Ekman ein "Micro Expressions Training Tool" (METT), das seine Nutzer zum einen in der Erkennung von Mikro-Mimik schult, zum anderen in der Unterscheidung von Emotionen, die am häufigsten verwechselt werden: Ärger und Abscheu, Angst und Überraschung, Angst und Traurigkeit. Typischerweise erreichen die Absolventen eine Verbesserung um 30 - 40 Prozent in ihrer Genauigkeit, manche sogar 80 Prozent und mehr. Ähnliches gilt für subtile Gesichtsausdrücke, für die er ebenfalls ein Training entwickelt hat.

Sozusagen ein Abfallprodukt aus dieser Forschung ist "Danger Demeanor Detection (D-cube)". In Videoaufzeichnungen des Secret Service analysierte er das Verhalten von Attentätern unmittelbar vor der Tat und konnte Frühwarnsignale ein paar Sekunden vor dem Moment erkennen, wo sie die Waffe zogen. Weiter ließ er Schauspieler Situationen nachstellen, in denen sie vor Wut die Kontrolle verlieren, und hieß sie "einzufrieren", bevor sie zuschlugen. Daraus soll ein Frühwarnsystem für Gewalt entstehen.

Doch Ekman und sein Team machen auch darauf aufmerksam, dass man über der Mikro-Mimik die Makro-Mimik nicht vernachlässigen darf, also die Gesichtsausdrücke, die lange genug gezeigt werden, um sie leicht erkennen zu können. Sie ermöglichen es ebenfalls, Täuschungen zu erkennen, vor allem wenn Widersprüche zwischen Worten und Mimik zutage treten – was aber kaum ein Beobachter bemerkt: "Most people, our research has found, tend to ignore facial expressions that contradict the words spoken." (S. 353) Bevor man also darüber nachdenkt, seine Fähigkeit zum Erkennen von Mikro-Mimik zu trainieren, wäre es sinnvoll, erst einmal bei der Makro-Mimik besser hinzuschauen.

Wichtige Erkenntnisse

Die drei wichtigsten Erkenntnisse, die ich diesem überaus fundierten und gut lesbaren Werk verdanke, sind erstens, dass es nur wenige verlässliche Indikatoren für Lügen gibt, nämlich (a) die berühmten Freud'schen Fehlleistungen in der Sprache, (b) deren Entsprechungen im Ausdruckverhalten, also sozusagen Freud'sche Gesten, weiterhin (c) Wortschwälle und schließlich (d) die "Mikro-Mimik". Zweitens, dass die Abwesenheit solch verdächtiger Signale kein Beweis für die Wahrhaftigkeit einer Aussage ist – und drittens, dass ich persönlich keine großen Ambitionen als "Lie Catcher" habe.

Wirklich faszinierend finde ich aus diesem Kanon nur die Micro-Expressions. Dagegen ist die Detektivarbeit, wer wo die (subjektive) Wahrheit sagt und wer nicht, meine Sache nicht. Das ist natürlich keine Aussage über dieses Buch, sondern eine über meine persönlichen Präferenzen. Es ist das Gefühl: Unter normalen Umständen lohnt es sich vermutlich nicht, viel Zeit in die Fahndung nach Lügen zu stecken.

Letztlich ist die Situation asymmetrisch: Der "Lie Catcher" hat im Normalfall weniger zu gewinnen oder zu verlieren als der Verdächtigte. Ein gewisses Maß an Beschissen-Werden gehört wohl zum Leben dazu – der Preis, es zu verhindern, wäre zu hoch, weil er zwar einige Betrugsversuche abwehren könnte, aber um den Preis (zu) vieler falscher Verdächtigungen, die allzu oft zerstörerisch für zwischenmenschliche Beziehungen sind. Auch wenn Ekman das so explizit nicht sagt, ist es manchmal im Zweifel wohl besser, das Risiko einzugehen, hinters Licht geführt zu werden, als, seine Geschäfts- und Lebenspartner dadurch zu verprellen, dass man ihnen ständig mit offenkundigem Misstrauen begegnet.

Schlagworte:
Lügen, Täuschungen, Täuschungsversuche, Mikro-Mimik, Gesichtsausdruck

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