Der renommierte St. Gallener Professor und Berater packt hier ein Thema an, das gemeinhin Psychologen und Management-Trainer als ihre Zuständigkeit betrachten. Und er macht das auch noch so gut, klar und durchdacht, dass es Referenzstatus verdient.
Fredmund Maliks Buch ist in vier große Teile gegliedert: "Professionalität" (42 S.), "Die Grundsätze wirksamen Führens" (103 S.), "Aufgaben wirksamer Führung" (104 S.) und "Werkzeuge wirksamer Führung" (107 S.). Im Zentrum des ersten Teils steht seine Forderung, die unfruchtbare Suche nach dem Übermenschen "ideale Führungskraft" aufzugeben und das Augenmerk stattdessen auf "wirksame Führung" zu richten, und damit auf die Frage, wie man ganz normale Menschen zu professionellen Managern ausbilden kann. Unter die Flagge Professionalität stellt er dies, weil Management in seinen Augen ein "Massenberuf ohne Ausbildung" ist; mit seinem Buch will er den Weg von der nutzlosen und entmutigenden Glorifizierung der idealen Führungskraft hin zur Professionalisierung der realen Führungskräfte weisen. Als die vier konstituierenden Merkmale eines Berufs nennt er (1) Aufgaben, (2) Werkzeuge, (3) Grundsätze und (4) Verantwortung. Daraus ergibt sich – im Prinzip – auch die Gliederung seines Buchs.
Im zweiten Teil entwickelt Malik sechs Grundsätze, von denen manche auf den ersten Blick etwas banal klingen, sich aber beim genaueren Hinsehen als erstens brisant entpuppen und zweitens – im wörtlichen Sinne – wegweisend, also Orientierung liefernd. So lautet sein erster Grundsatz "Resultatorientierung" – und kaum jemand würde dem widersprechen. Aber vielleicht schon bei der direkt nachgeschobenen Erläuterung zu zögern beginnen: "Es kommt – im Management – nur auf die Resultate an" (S. 73). Erst recht bei seiner klaren Absage an das "Glaubensdogma": "Arbeit soll Freude, soll Spaß machen." (S. 80)
Maliks Gegenposition: "Kein Job kann immer nur Freude machen" (S. 80) und: "Es müssen auch jene Jobs erledigt werden, die niemanden jemals Freude machen können" (S. 81). Mit solchen Aussagen ist Malik mitten in der Auseinandersetzung mit scheinbar humanen, in Wirklichkeit aber verwöhnten Denkweisen nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch im Management – und wagt sogar, in diesem Zusammenhang die Worte "Pflichterfüllung" und "Pflichtbewusstsein" in den Mund zu nehmen. Sein Fazit: "Wo immer die Arbeit Freude machen kann, ist das in Ordnung. Aber noch viel wichtiger ist, dass die Ergebnisse der Arbeit und die Effektivität, mit der sie getan wird, Freude machen und stolz vermitteln. Gewöhnliche Führungskräfte begnügen sich mit dem ersten; gute Führungskräfte schauen auf das Zweite. Sie verhelfen damit ihren Mitarbeitern und sich selbst zu einem sehr viel höheren Maß an Motivation und Erfüllung. Sie tragen dazu bei, den Menschen, für die sie verantwortlich sind, zu helfen, das vielleicht wichtigste im Leben zu finden – nämlich Sinn." (S. 86f.) Geradezu unglaublich, wie nahe der Ökonom Malik damit dem individualpsychologischen Verständnis von Führung ist.
Auch den zweiten Grundsatz kann man aus individualpsychologischer Perspektive nur dick unterstreichen: "Es kommt darauf an, einen Beitrag zum Ganzen zu leisten" (S. 88). Nicht egozentrisches Virtuosentum und isolierte Einzelleistung sind im Management gefragt, sondern das verlässliche Abdecken des eigenen Aufgabengebiets mit dem Blick auf das Ganze. Spannend sein Brückenschlag zum derzeit so beliebten ganzheitlichen Denken: "Der Grundsatz der Beitragsorientierung [ist] der eigentliche Kern des ganzheitlichen Denkens" (S. 93).
Maliks weitere Grundsätze lauten: "Konzentration auf Weniges", "Stärken nutzen", "Vertrauen" und "Positiv denken". Das liest sich vertrauter und weniger irritierend, aber auch hier mutet Maliks stringente und konsequente Argumentation dem Leser einige Herausforderungen zu. Einwände habe ich gegen Maliks Behauptung, dass der Führungsstil nicht wichtig sei, wenn nur eine ausreichende Vertrauensbasis zwischen Chef und Mitarbeitern bestehe. Ich teile seine Höhergewichtung des Vertrauens, sehe aber in der Praxis, dass Mitarbeiter sehr viel engagierter und "motivierter" bei der Umsetzung von Entscheidungen sind, wenn sie an deren Zustandekommen mitgewirkt haben. (Was nicht unbedingt heißt, dass die Entscheidung demokratisch zustande kam, sondern nur, dass sie ihre Gedanken und Argumente im Vorfeld einbringen konnten.)
Im dritten Teil des Buchs handelt Malik fünf zentrale und universale (das heißt, in jeder Organisation notwendige) "Aufgaben wirksamer Führung" ab. "Es geht hier jedoch nicht darum, Neues zu kreieren", erläutert er: "Im Grunde sind die notwendigen und hinreichenden Aufgaben im Management bekannt." (S. 173) Diese fünf Aufgaben sind: "Für Ziele sorgen", "Organisieren", "Entscheiden", "Kontrollieren" (bravo, dass das in Zeiten der "Vertrauen führt"-Lyrik mal einer auszusprechen wagt!) und "Mitarbeiter entwickeln und fördern". Obwohl das in der Tat nicht sonderlich neu ist, ist doch lohnend zu lesen, welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen Malik aus diesen fünf Aufgaben ableitet.
Lesenswert auch seine "Zusammenfassung: Und all die anderen Aufgaben...?" Er empfiehlt, diese zentralen Aufgaben weit zu fassen, weil sie dann viele andere denkbare Aufgaben einschlössen (wie zum Beispiel "Planen" in "Für Ziele sorgen"). Prinzipiell finde ich das überzeugend; Zweifel habe ich aber, ob sich die Aufgabe "Für Orientierung sorgen" auch auf diese Weise entsorgen lässt. Malik schlägt vor, "Informieren und Kommunizieren (...) nicht als Aufgaben [anzusehen], sondern als Medium, vermittels dessen diese Aufgaben erfüllt werden." (S. 270) Aber das löst das Problem nicht, dass Mitarbeiter nicht nur ihre Ziele verstehen müssen, sondern auch deren Einbettung in den Gesamtzusammenhang, damit sie in dezentralen Strukturen eigenverantwortlich im Sinne des Ganzen sinnvoll handeln können. Es geht auch an der Notwendigkeit vorbei, gerade in Zeiten starker Veränderungen für Orientierung zu sorgen, damit Produktivität und Klima nicht durch Tausend Gerüchte, Spekulationen und aufgeregte Diskussionen beeinträchtigt werden. Interessant aber, dass sich alle anderen Führungsaspekte im Change Management erstaunlich gut in Maliks fünf Aufgaben abbilden lassen.
Der vierte Abschnitt behandelt sieben "Werkzeuge wirksamer Führung", und zwar (1) Sitzung, (2) Bericht, (3) Job Design und Assignment Control", (4) Persönliche Arbeitsmethoden, (5) Budget und Budgetierung, (6) Leistungsbeurteilung und (7) Systematische Müllabfuhr. Unter "Werkzeuge" versteht Malik wirklich Werkzeuge: die Entsprechung(en) zum Meißel des Steinmetz'. Und er zielt, wie auch zuvor bei den Aufgaben, nicht auf Werkzeuge für Spezialisten, sondern auf den Standard-Werkzeugsatz, den jeder Manager ständig braucht. Auch hier ist bemerkenswert, wie sorgfältig Malik über all diese "operativen" Themen nachgedacht hat, und auch hier wartet er mit – zum Teil heftigen – Denkanstößen auf.
Auch in diesem Teil kann man in manchen Aspekten anderer Meinung sein. Dennoch ist wohltuend, wie ordnend und systematisch Malik an diese scheinbar abgedroschenen und totgerittenen Themen herangeht und welche neuen Aspekte er ihnen dadurch abgewinnt. Und es ist herzerfrischend, mit welcher Lust am (wohlbegründeten) Widerspruch er sich Management-Moden aller Art entgegenwirft, statt nur grammatikalische Variationen über bekannte Denk- und Plappergewohnheiten abzuliefern.
Trotzdem ist ein schwer wiegender Kritikpunkt anzubringen, nämlich dass Malik von den vier von ihm benannten Merkmalen eines Berufs (s.o.) nur drei ausarbeitet; das vierte – die Verantwortung – taucht zwar einige Male im Text auf, wird aber nicht vertieft, geschweige denn in einem eigenen Abschnitt abgehandelt. Es scheint, als ob Malik vor diesem Begriff zurückschreckte; hier unterlässt er leider seine respektlos bohrenden Fragen: Was bedeutet das überhaupt? Und was bedeutet es konkret?
Ein Angebot hätte Rupert Lays Satz sein können: "Führung ist die verantwortete Abwägung zwischen Individualinteressen und Systeminteressen." Wobei Lay unter "verantwortet" die Fähigkeit versteht, Antwort geben zu können auf die Frage nach den ethischen Gründen des eigenen Handelns und der Abwägung zwischen konkurrierenden Werten. Ein Angebot hätte auch der individualpsychologische Gedanke des "Gemeinschaftsgefühls" sein können (auch wenn dieses Wort bei Malik wohl sämtliche Abwehrreflexe aktivieren würde). Ohne diese verantwortete Abwägung von Werten geraten Manager in die Gefahr, zu dem zu werden, was Rupert Lay uncharmant einen "Systemagenten" nennt: einen Menschen, der ethische, soziale und ökologische Werte ausblendet und sich voll dem "lustvollen Vollzug der Systeminteressen" widmet. Dann wären wir in der Tat bei jenen Sekundärtugenden, mit denen man auch ein KZ – hocheffizient – betreiben kann.
Fazit: Trotz dieses Einwands ein äußerst empfehlenswertes Buch. Zwar eher keines, das man frisch beförderten Meistern oder Gruppenleitern in die Hand drücken sollte, die sich auf ihr erstes Mitarbeitergespräch vorbereiten. Aber eines, das nach einigen – oder vielen – Führungsjahren die Chance bietet, neu über den eigenen Beruf und dessen "Essentials" nachzudenken. Wegen der großen gedanklichen Klarheit und Konsequenz ist es für mich die Referenz zum Thema Führung.
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