Die Umsetzungsberatung

Rezensionen

Hauptsächlich eine Wieder-Eingewöhnung in das Fragenstellen

Birkenbihl, Vera (1988):

Fragetechnik ... schnell trainiert

Das Trainingsprogramm für Ihre erfolgreiche Gesprächsführung

mvg (Landsberg) 11. Aufl. 1998; 212 S.; 7,90 Euro


Nutzen / Lesbarkeit: 5 / 8

Rezensent: Winfried Berner, 02.05.2004

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Das Büchlein enthält viele Übungen, großteils Ratespiele, aber es fehlt an Systematisierung. Es eignet sich eher, Menschen wieder ans Fragen zu gewöhnen, als dazu, sie für eine "erfolgreiche Gesprächsführung" auf der Basis von Fragen zu trainieren.

"Wer fragt, führt" – dieser alte und etwas abgedroschene Verkäufer-Merksatz wird natürlich (?) auch in diesem schmalen Buch repetiert. Völlig unhinterfragt bleibt dabei, ob die Gefragten erstens überhaupt und zweitens auf diese Weise geführt werden wollen. Doch die Bereitschaft, sich durch Fragen führen zu lassen, besteht in der Regel nur dann, wenn der Kontext zum Fragen legitimiert – anderenfalls schütteln die meisten Menschen solche angemaßten Führer rasch ab, wie jene ungebeten Anrufer, die sie am Telefon fragen: "Herr Berner, ist es Ihnen wichtig, Steuern zu sparen?" Unlegitimiertes Fragen kann sogar deutlichen Unwillen auslösen. Wer daran Zweifel hat, dem empfehle ich, seinem Chef, Kollegen oder Ehepartner hintereinander zehn Fragen zu stellen (falls Sie so weit kommen). Nur notorische "Welterklärer" antworten begeistert (und ausführlich!) auf fast jede beliebige Frage.

Der zweite Haken an jener alten Verkäuferregel ist, dass Führen nicht nur Techniken voraussetzt, sondern auch und vor allem eine klare Orientierung. Um mit Fragen zu führen, sind also nicht nur Fragetechniken erforderlich, sondern auch Frageziele und eine Fragestrategie. Eine Dramaturgie des Fragens aber behandelt dieses Trainingsbuch nicht – es beschränkt sich weitgehend darauf, das Fragen einzuüben. Auf strategische Aspekte – das heißt auf die Frage: "Wie baut man zielorientiert eine Sequenz von Fragen auf, um eine bestimmte Einsicht oder Entscheidung herbeizuführen?" – geht die renommierte Trainerin Vera Birkenbihl kaum ein; dies wird allenfalls bei der Auswertung transkribierter Übungen angesprochen, aber nicht systematisiert. Mit Systematik hat sie auch bei den Fragetechniken nicht: Auch hier bleibt weitgehend ungeklärt, was für Arten von Fragen es gibt und für welche Zwecke sie sich eignen.

Doch auch Techniken können ja nützlich sein, wenn man sie denn beherrscht. Und ein Trainingsbuch bietet Birkenbihl wirklich: Den Großteil ihres Buchs – 124 von 212 Seiten – macht eine gestufte Abfolge von Übungen (und Übungstranskripten) aus. Auch der nachfolgende "Theorieteil" (46 S.) enthält zahlreiche Beispiele zur Veranschaulichung. Wobei "Theorie" ein großes Wort für die dort gebotenen Inhalte ist: Bei genauerer Betrachtung handelt es sich nicht um einen Einblick in den Stand der Forschung, sondern um einige plakative (und durchaus einleuchtende) Erklärungsmodelle aus der Werkstatt von Birkenbihl.

So unterscheidet sie beim Verkaufen drei Arten von Situationen: "Plus", "Minus" und "Fragezeichen". Plus-Situationen sind Fälle, wo das eigene Angebot exakt zu den Bedürfnissen des Kunden passt, mit der Folge, dass ein erfolgreicher Abschluss hier kaum zu verhindern ist (und deshalb auch nicht dem eigenen Verhandlungsgeschick zugeschrieben werden sollte). Minus-Situationen sind das genaue Gegenteil: Angebot und Nachfrage liegen so weit auseinander, dass kein Verhandlungsgeschick der Welt die Brücke schlagen kann – und die infolgedessen auch nicht als Misserfolg gewertet werden sollten. Wirklich spannend sind nur die "Fragezeichen-Situationen", denn nur sie sind gestaltbar, und in ihnen zählt (unter anderem) die geschickte Fragetechnik. Das ist ohne Zweifel ein nützliches Modell nicht nur für den Verkauf, sondern auch für andere Formen von Überzeugungsarbeit. Nur das Wort "Theorie" scheint mir etwas hoch gegriffen.

Bei den Übungen, die Vera Birkenbihl in diesem Buch anbietet, handelt es sich ganz überwiegend um Ratespiele von unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad. Wer die Übungen also tatsächlich durchführen will, braucht einen Partner – oder noch besser mehrere, weil es dann mehr Spaß macht. Allerdings stellt sich die Frage, ob Ratespiele tatsächlich die einzige und beste Methode sind, Fragetechniken zu vermitteln und deren sinnvolle Umsetzung in der Praxis einzuüben. Sie eignen sich ohne Zweifel dafür, Menschen, die gewohnheitsmäßig zum Abgeben von Erklärungen neigen, überhaupt erst einmal an das Fragen heranzuführen. Doch die souveräne Verwendung von Fragen als Instrument der Überzeugungsarbeit ist durch Ratespiele alleine kaum zu vermitteln – da wäre der Schritt zu alltagsnäheren Aufgaben notwendig.

Insgesamt wirkt das Büchlein, als sei es mit allen Mitteln auf Buchformat gestreckt worden: Die meisten Seiten sind nur etwa zur Hälfte mit Text bedruckt; die jeweils äußere Spalte enthält bloß Zeilenlinien "für Notizen". Da Schmierpapier im Handel preisgünstig zu bekommen ist, finde ich diese zwangsweise Mitlieferung über den Buchhandel etwas ärgerlich. Auch manche Übungstranskripte und Beispiele wirken, als bestünde ihre Funktion eher darin, den Platz zu füllen, als zusätzliche Lerninhalte zu vermitteln. Dabei hätte es durchaus noch eine Menge zu sagen gegeben: So vermisst man, wie oben erwähnt, eine Systematisierung der Fragetechniken ebenso wie den Schritt von den Techniken zur Fragestrategie.

Und so hinterlässt das Büchlein insgesamt ein zwiespältiges Bild: Ich kann mir gut vorstellen, dass es in Verbindung mit Vera Birkenbihls energischer, mitreißender Persönlichkeit das Material für ein ebenso spannendes wie abwechslungsreiches Tagesseminar liefert. Aber es ist zu bezweifeln, dass Leser und Nutzer des Buches, selbst wenn sie einen Großteil der Übungen absolvieren, tatsächlich den Schritt zu der im Untertitel versprochenen "erfolgreichen Gesprächsführung" schaffen. Sowohl in ihren Büchern als auch in ihren Seminaren beweist Birkenbihl, dass sie sehr viel mehr zu bieten hat. Aber vielleicht hätte der Titel nicht "... schnell trainiert" lauten sollen, sondern "... schnell geschrieben"?

Schlagworte:
Kommunikation, Fragetechniken, Fragen

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