Die Umsetzungsberatung

Rezensionen

Harte Kontrastierung von Managern im Gegensatz zu Führern

Zaleznik, Abraham (1977):

Managers and Leaders – Are They Different?



Harvard Business Review; Repr. 2004; 8 S. (74 – 81)


Nutzen / Lesbarkeit: 7 / 8

Rezensent: Winfried Berner, 27.01.2005

Man muss nicht alles unterschreiben, was Zaleznik über den grundlegenden Unterschied zwischen Managern und Führern sagt – aber es lohnt sich, diese Gedanken zu kennen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen, zumal dieses Thema ein "Dauerbrenner" ist.

Auf völlig unschuldige Weise konfrontiert dieser vor beinahe 30 Jahren erstmals erschienene Artikel uns Deutsche mit unserer Vergangenheit bzw. mit einer Facette von deren (Nicht-)Bewältigung. Denn wenn "Manager" und "Leader" tatsächlich unterschiedliche Arten von Menschen sein sollten, wie übersetzen wir dann "Leader"? Mit "Führungskraft" sicher nicht, denn dieses Bürokratenwort ("Schreibkraft") liegt von seinem Assoziationsfeld irgendwo zwischen Dienststellenleiter und Manager. Sollen wir es also wagen, das seit 1945 tabuisierte Wort "Führer" wieder in den Mund zu nehmen, oder verstecken wir uns weiter heldenhaft hinter der scheinbar unbelasteten Leihgabe "Leader"? ("Wir brauchen einfach mehr Leadership!")

Bei dieser deutschen Frage kann uns Abraham Zaleznik (zu dem das Harvard Business Review keine weiteren Angaben macht) nicht weiterhelfen, doch ansonsten scheut er nicht vor klaren Stellungnahmen zurück. Im Gegenteil: Er kontrastiert sehr scharf zwischen Managern und Führern und vermittelt so das Bild, dass es sich dabei um zwei völlig unterschiedliche Spezies' handele. Daran mag man durchaus zweifeln und wie Fredmund Malik dagegensetzen, dass es sich dabei um die zwei Seiten derselben Medaille handele. Doch Zalezniks gedanklicher (nicht experimentell untermauerter) Extremgruppenvergleich hat bei aller Vergröberung den Vorteil, dass er die zentralen Unterschiede sehr klar herausarbeitet – klarer möglicherweise als sie in der Realität existieren.

Wenn man Zaleznik glaubt, sind "managen" und "führen" nicht unterschiedliche Aspekte derselben Rolle, sondern unterschiedliche Selbstverständnisse, hinter denen letztlich fundamental unterschiedliche Persönlichkeitsstrukturen stehen. Um dies zu untermauern, greift er sogar auf ein uraltes religionspsychologisches (bzw. leicht esoterisches) Persönlichkeitsmodell von William James (1842 – 1910) zurück, von dem mich erstaunt, dass es Einzug in das seriöse Harvard Business Review gefunden hat. Es unterscheidet zwei "basic personality types: 'once-born' and 'twice-born'. [...] According to James, these personalities have equally different worldviews. For a once-born personality, the sense of self as a guide to conduct and attitude derives from a feeling of being at home and in harmony with one's environment. For a twice-born, the sense of self derives from a feeling of profound separateness." (S. 79)

Ein Gefühl von Geborgenheit und Harmonie mit der Umwelt – man beachte, dass Zaleznik damit nicht, wie manche Publikation der achtziger Jahre ("Der Papalagi") den "edlen Wilden" charakterisieren will, sondern ganz normale Manager. Ich gestehe, dass ich da etwas Mühe habe, ihm zu folgen. Die "Führer" sind das Kontrastprogramm: "Leaders tend to be twice-born personalities, people who feel separate from their environment. They may work in organizations, but they never belong to them." (S. 79) Auch wenn diese Gegenüberstellung krass ist, hat Zaleznik damit eine wichtige Fährte gelegt, über die Persönlichkeit von Top Managern nachzudenken, was dann zum Beispiel Michael Maccoby ("Narcissistic Leaders"; 2000) und Manfred Kets de Vries ("Putting Leaders on the Couch"; 2004) aufgegriffen haben. (Beide Artikel sind in derselben Ausgabe des HBR enthalten.)

Doch auch wenn man dieser "Persönlichkeitstheorie" misstraut, ist bedenkenswert, wie Zaleznik Manager einerseits und Führer andererseits charakterisiert: "A manager is a problem solver. The manager asks: 'What problems have to be solved, and what are the best ways to achieve results so that people will continue to contribute to this organization?' [...] It takes neither genius nor heroism to be a manager, but rather persistence, tough-mindedness, hard work, intelligence, analytical ability, and perhaps most important, tolerance and goodwill." (S. 75) Weiter schreibt er Managern eine unpersönliche, wenn nicht passive Haltung gegenüber Zielen zu: "Managerial goals arise out of necessities rather than desires and, therefore, are deeply embedded in their organization's history and culture." (S. 75) Als typisches Beispiel hierfür zitiert er einen früheren GM-CEO, dessen Verständnis von Produktentwicklung voll auf die Erfüllung erkannter Kundenerwartungen zielte, aber keinen Anflug von dem Gedanken erkennen ließ, dass Kundenwünsche auch eine Reaktion auf innovative Angebote der Hersteller sein könnten. Am Gegenbeispiel Polaroid macht er dann deutlich, wie Führer Ziele verstehen: "They are active instead of reactive, shaping ideas instead of responding to them. Leaders adopt a personal and active attitude toward goals. [...] The net result of this influence changes the way people think about what is desirable, possible, and necessary." (S. 76)

Dieses Führer-Bild erinnert stark an das, was Oswald Neuberger einmal als die "Great-Man-Theorie der Führung" bezeichnet hat. Und auch Zaleznik fragt: "Is this leadership mystique merely a holdover from our childhold – from a sense of dependency and a longing for good and heroic parents?" (S. 75) Doch er denkt überhaupt nicht daran, dieses heroische Bild aufzugeben. Im Gegensatz zu Managern, die immer nur versuchten, bei Konflikten "wie Diplomaten oder Mediatoren" irgendwie einen Konsens hinzumoderieren, arbeiten Führer nach seiner Überzeugung genau in die umgekehrte Richtung: "Where managers act to limit choices, leaders develop fresh approaches to long-standing problems and open issues to new options." (S. 77) Und noch mehr Heldentum: "Leaders work from high-risk positions; indeed, they are often temperamentally disposed to seek out risk and danger, especially where the chance of opportunity and rewards appears promising." (S. 77)

Ein weiterer interessanter Gedanke von Zaleznik ist, dass Manager zwar gerne mit Menschen arbeiten und einsame Aktivitäten beinahe zu fürchten scheinen, dass sie in diesen Beziehungen aber ein "low level of emotional involvement" anstreben: "Managers relate to people according to the role they play in a sequence of events or a decision making process, while leaders, who are concerned with ideas, relate in more intuitive and empathetic ways. The distinction is simple between a manager's attention to how things get done and a leader's to what the events and decisions mean to the participants." (S. 78) Das Verhalten von Managern ist daher oft taktisch geprägt; sie versuchen, die Prozesse so zu gestalten, dass dabei allseits akzeptable Kompromisse herauskommen und sie zugleich alles unter Kontrolle behalten. Das ist nach seiner Auffassung der Grund, weshalb Manager von ihren Mitarbeitern oft als undurchschaubar, losgelöst und manipulativ empfunden werden. "In contrast, one often hears leaders referred to with adjectives rich in emotional content. Leaders attract strong feelings of identity and difference or of love and hate. Human relations in leader-dominated structures often appear turbulent, intense, and at times even disorganized. Such an atmosphere intensifies individual motivation and often produces unanticipated outcomes." (S. 79)

Zum Schluss wendet sich Zaleznik der Frage zu, wie sich "Führung" entwickelt. Dabei verwirft er den Gedanken, dass Menschen am besten von ihren Altersgenossen lernen: "Whether gifted individuals find what they need to know depends on the availability of teachers, possibly parental surrogates, whose strengths lie in cultivating talent. [...] Gifted teachers take risks. They bet initially on talent they perceive in younger people. And they risk emotional involvement in working closely with their juniors. The risks do not always pay off, but the willingness to take them appears to be crucial in developing leadership." (S. 79/80) Entsprechend sieht er den Königsweg zur Entwicklung von Führungs- oder besser: Führer-Nachwuchs in der engen Zusammenarbeit mit geeigneten Mentoren auf der Ebene des Top-Managements.

Schlagworte:
Führung, Management, Führer, Leadership

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