Entgegen dem Titel befasst sich dieses Buch überwiegend mit dem Thema Kurzarbeit, während Massenentlassungen und Sozialplan allzu kurz abgehandelt werden. Es wirkt fachlich sehr kompetent, aber an der Lösung praktischer Probleme kaum interessiert.
Was zuweilen bedrückend, ja beängstigend an juristischen Fachbüchern ist, die angeblich für die Praxis geschrieben sind, ist ihre Enge. So auch hier: Der pensionierte Vorsitzende Richter am Bundesarbeitsgericht Günter Schaub und der Arbeitsrechts-Fachanwalt Friedrich Schindele interessieren sich offenbar nicht im geringsten für die betrieblichen Problemlagen, zu deren Bewältigung schließlich auf die Rechtskonstruktionen Kurzarbeit, Massenentlassung und Sozialplan zurückgegriffen werden kann oder muss. Sie holen ihre Leser nicht dort ab, wo sie stehen, nämlich vor einem Auslastungs-, Kosten- und Beschäftigungsproblem; sie stellen nicht die Verbindung zwischen betrieblichem Problem und juristischen Lösungsansätzen her; sie beraten nicht, sondern sie "verwalten Recht". Das allerdings tun sie, soweit ich das als Laie beurteilen kann, auf äußerst sorgfältige und kompetente Weise.
Zielgruppe sind laut Cover "Rechtsanwälte, Betriebsräte, Personalabteilungen, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände". Ihnen versprechen die Autoren "eine gut verständliche, systematische Darstellung der Problemschwerpunkte Kurzarbeit, Massenentlassung und Sozialplan unter Berücksichtigung aktueller gesetzlicher und richterrechtlicher Entwicklungen." Aber haben nicht diese Zielgruppen genau das Problem, wie sie – vor dem Hintergrund ihrer jeweiligen Interessenlage – bestmöglich mit einer konkreten Beschäftigungskrise umgehen sollen? Man kann nicht sagen, dass dieses Buch für solche Fragen keinen Nutzen bietet – aber es verlagert den Aufwand, die allgemeinen juristischen Abhandlungen auf die konkrete Anwendungssituation zu übertragen, voll auf den Leser. Was wohl die meisten Betriebsräte, aber auch viele Personalabteilungen schlicht überfordern dürfte. Gut verständlich ist der Text in der Tat, was die Satzstrukturen betrifft – sehr viel weniger jedoch, was die praktische Anwendung betrifft. Insofern ist die Werbeformulierung "systematische Darstellung" eher als Warnhinweis zu verstehen: Er steht für "rechtssystematische Darstellung".
Innerhalb der Rechtssystematik erweist sich das Buch in befremdlicher Weise verliebt in das Thema Kurzarbeit. Sowohl die im Titel hervorgehobene Massenentlassung nach §§ 17 ff. Kündigungsschutzgesetz als auch die Betriebsänderung gemäß §§ 111 ff. Betriebsverfassungsgesetz tauchen in der strengen, aber nicht unbedingt einleuchtenden Struktur des Buchs als Unterkapitel von "Teil I: Kurz¬arbeit im Arbeitsrecht" auf. Der ebenfalls im Titel annoncierte Sozialplan ist ein ausführlicher Abschnitt (32 Seiten) innerhalb des Kapitels über die Betriebsänderung; ebenso wie der zugehörige Interessenausgleich (6 Seiten). Doch danach kehren die Autoren gleich wieder zu ihrer großen Liebe zurück: Teil II widmet sich auf beachtlichen 68 Seiten dem Kurzarbeitergeld (mit immerhin einem 12-seitigen Abschnitt über "Transferleistungen"), Teil III erläutert die "Steuerliche Behandlung von Kurzarbeitergeld und Abfindung", und selbst der Anhang ist "Mustervereinbarungen zur Kurzarbeit" gewidmet.
Obwohl diese Gewichtung der Themen in krassem Gegensatz dazu steht, wo in der Praxis die brennendsten Probleme und die schwierigsten Konfliktfelder liegen, wäre gegen diese Schwerpunktsetzung nichts einzuwenden, wenn der Titel des Buches "Kurzarbeit" lauten würde. Wer aber – sei es als Unternehmer, als Personaler oder als Betriebsrat – einen Personalabbau bewältigen muss und dafür eine verlässliche arbeitsrechtliche Grundlage zu Massenentlassungen und Sozialplan sucht, wird sich vom renommierten Beck-Verlag und seinen Autoren trotz deren unzweifelhafter Kompetenz verschaukelt fühlen: Keines der beiden Themen werden in dem Umfang behandelt, den der Titel suggeriert. Trotzdem wird man bis auf weiteres wohl nicht umhin kommen, im Ernstfall auf dieses Buch zurückzugreifen – einfach weil es nach meiner Kenntnis derzeit leider keines gibt, dass gezielt die Rechtslage rund um Personalabbaumaßnahmen ausleuchtet.
|