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Stabilisierung des Vertriebs als Basis für eine erfolgreiche Integration

Bekier, Matthias M.; Shelton, Michael J. (2002):

Keeping Your Sales Force After the Merger

Merging Companies Should Look to Their Revenues, Not Just Their Costs

McKinsey Quarterly 2002 Number 4; 10 S. (106 – 115) (Online verfügbar unter www.mckinseyquarterly.com)


Nutzen / Lesbarkeit: 10 / 9

Rezensent: Winfried Berner, 04.03.2005

Das Fusionschaos multipliziert und kompliziert sich, wenn mitten in der laufenden Integration die Umsätze wegbrechen und wichtige Kunden verloren gehen. Der Artikel liefert wertvolle Hinweise und Empfehlungen, wie sich das verhindern lässt.

Selten habe ich in den letzten Jahren in einem Artikel so viel angestrichen wie in diesem. Er deckt sich in seinen zentralen Gedanken mit dem, was ich in dem Artikel "Verwundbarkeit" geschrieben habe, und ergänzt und präzisiert dies speziell für das Management des Vertriebs. Ausgangspunkt der Überlegungen ist, dass die meisten Geschäfte einen hohen Fixkostenanteil haben und deshalb ausgesprochen empfindlich auf rückläufige Umsätze reagieren: "In one merger, we found that offsetting a mere 1 percent decrease in revenue growth would require cost targets to be exceeded by 25 percent to justify the acquisition premium." (S. 107)

Mit anderen Worten, auch und gerade bei Fusionen und Übernahmen ist wichtig, sich klar zu machen, dass es unmöglich ist, sich reich und erfolgreich zu sparen. Wenn ein Merger tatsächlich, wie so oft volltönend verkündet, zu neuem Wachstum und Marktanteilsgewinnen führen soll, dann ist es absolut unverzichtbar, erst einmal das vorhandene Geschäft zu halten – was wiederum voraussetzt, trotz der Fusionswirren keine Kunden an Wettbewerber zu verlieren. Das ist schon deshalb alles andere als ein Selbstgänger, weil sich in der heißen Phase der Integration (die mindestens ein halbes, meistens ein ganzes Jahr währt) die Aufmerksamkeit der Mitarbeiter und Führungskräfte natürlicherweise nach innen richtet. Wer seinen Durchmarsch zur Marktdominanz also nicht mit Marktanteilsverlusten beginnen will, tut gut daran, hier entschlossen und mit großem Nachdruck gegenzusteuern.

Der Schlüssel dazu ist – nicht wirklich überraschend, aber dennoch immer wieder übersehen – die eigene Vertriebsmannschaft: "As the strongest link to customers, the sales force serves as the key messenger for communicating the merger's benefits: win over the sales force, and the company is on its way to maintain its customer base. But if you send salespeople a contradictory or unclear message about the positive side of the merger, or if they are distracted by internal considerations, customers are sure to defect. Successful acquirers thus court salespeople lavishly, offer them significant financial rewards, and set up 'war rooms' to help them win the battle for the customers." (S. 108)

Eindringlich mahnen die beiden McKinsey-Berater, die Verunsicherung im Gefolge einer Fusion nicht auf die leichte Schulter zu nehmen: "Make no mistake–-the uncertainty generated by a merger creates the perfect environment for competitors to launch an attack. Your best people will get calls for job interviews within days, and your customers will be actively courted." (S. 108) Man kann diesen Punkt wahrlich nicht genug betonen. Zu oft habe ich erlebt, dass, noch bevor die Integration und die damit verbundenen Personalabbaumaßnahmen halbwegs überwunden waren, die nächste Kostensenkungs- und Umstrukturierungswelle folgte, weil der Umsatz eingebrochen waren und wichtige Kunden verloren wurden. Im schlimmsten Fall kann ein Unternehmen auf diese Weise in eine "Todesspirale" geraten, an deren Ende es froh sein kann, wenn 1 plus 1 wenigstens noch gleich 1 ist.

Die Empfehlungen von Bekier und Shelton beginnen mit "Communicate, Communicate, Communicate" (S. 109). Auch das ist nicht wirklich neu, doch entgegen aller vermeintlichen Selbstverständlichkeit wird gerade der Vertrieb bei Fusionen und Übernahmen oft vernachlässigt. Deshalb ist es keine Übertreibung, wenn die beiden in aller Klarheit sagen: "For frontline employees and managers certain to be getting calls from worried customers–-and solicitous competitors–-the day after the news of a merger breaks, anything less than direct and immediate communication from the CEO is too little and too late." (S. 109) Wenn die Vorstände einige Wochen nach der Ankündigung schließlich auch mal übers Land fahren, haben ihre Vertriebsleute einige wichtige Weichenstellungen in eigener Sache möglicherweise schon getroffen – in der derzeitigen Arbeitsmarktlage vielleicht nicht die Durchschnittsverkäufer, aber möglicherweise gerade die besten.

Weiter ist ein klarer Integrationsplan für den Vertrieb wichtig. Das beginnt damit, den neuen Vertriebschef schnellstmöglich zu benennen. Ebenso schnell sollte die Entscheidung getroffen werden, ob die Vertriebsorganisationen zusammengeführt werden oder getrennt bleiben sollen. Das ist durchaus machbar, wenn man mit dem Denken nicht erst nach der Unterschrift beginnt. Denn, wie die McKinsey-Berater überzeugend zeigen, die wesentlichen Kriterien für diese Entscheidung sind schon im Voraus bekannt. Extrem wichtig auch der Hinweis: "If merging the sales forces appears to be the right strategic move, don't let the appeal of cost cutting make you overlook more valuable new opportunities to generate revenues from cross-selling, expanding product offereings and services, increasing access to the organizations of customers, and the like. Although pruning the statt seems to be easier and surer than working to capture these opportinities, such cuts can seriously damage prospects for growth, since the ability of the company to retain its customers will probably suffer along with the morale of the remaining employees." (S. 111) Solche Worte in einer offiziellen Publikation von McKinsey zu lesen, wird manchen veranlassen, sich erstaunt die Augen reiben. Dennoch kann es keinen Zweifel daran geben, dass die beiden Recht haben!

"Money Matters", ist ein weiterer Abschnitt überschrieben. Darin erläutern Bekier und Shelton, dass finanzielle Anreize das wichtigste Instrument sein können, um die Vertriebsleute im Chaos eines Mergers bei der Stange halten und motivieren zu können. Sie empfehlen dringend, nicht kleinlich zu sein: Finanzielle Bleibe-Boni und Prämien für die Aufrechterhaltung und Steigerung des Umsatzes während der Übergangsperiode sollten zusätzlich zu allen bestehenden Prämiensystemen gezahlt werden, nicht an ihrer Stelle. Sparsamkeit an dieser Stelle könnte das Unternehmen sehr teuer zu stehen kommen: "Interim bonus plans for salespeople can be costly, but they are nonetheless worthwile when compared with the impact of falling sales." (S. 112)

Zum Schluss geben sich die McKinsey-Berater militaristisch: "Create A War Room". Hinter den martialischen Worten steht der durchaus schlüssige Gedanke, dass die Vertriebsleute an der "Front" trotz aller Informationen und Incentives aus eigener Kraft kaum dazu in der Lage sein werden, alle Fragen der Kunden treffend zu beantworten und auf alle Attacken des Wettbewerbs schnell und punktgenau zu reagieren. Deshalb empfehlen sie, hier mit einer "temporary management structure" entgegenzusteuern: "Successful acquirers create a sales war room, or interim leadership group, typically staffed by two to four high-performing senior salespeople from both companies, along with several junior members to do the legwork. (...) The war room receives the authority to cut through red tape and to make on-the-spot decisions, and it has priority access to senior executives." (S. 113) Für die praktische Arbeit dieses "Kriegskabinetts" liefern Bekier und Shelton sogar einige praktische Instrument, allen voran eine Segmentierung der Kunden nach deren Bedeutung und Gefährdungsgrad. Sie hilft, die knappen Ressourcen auf die kritischsten Fälle zu konzentrieren.

Insgesamt ein ausgesprochen wichtiger und wertvoller Artikel zu einem viel zu selten behandelten, aber "kriegsentscheidenden" Aspekt von Fusionen und Übernahmen. Top-Empfehlung!

Schlagworte:
Fusion, Übernahme, Post-Merger-Integration, Vertrieb, Außendienst, Verkaufsorganisation, Vertriebsmanagement

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