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Unprätentiöser, pragmatischer Projektmanagement-Leitfaden

Schelle, Heinz (2004):

Projekte zum Erfolg führen

Projektmanagement systematisch und kompakt

dtv (München) 1995, 4. Aufl. 2004; 310 S.; 11,00 Euro


Nutzen / Lesbarkeit: 8 / 9

Rezensent: Winfried Berner, 26.03.2005

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Gut lesbare, pragmatische Einführung in das Projektmanagement, die vor allem auf mittlere Projekte zugeschnitten ist, aber die soziale Dimension – Themen wie Kommunikation, Motivation und Führung – unterbelichtet.

Viele Projektmanagement-Lehrbücher gerieren sich, als gäbe es überhaupt nur technische Großprojekte auf der Welt – und als läge die Lösung sämtlicher Menschheitsprobleme darin, Projekte ohne Rücksicht auf ihren Inhalt und ihre Dimension einheitlich nach DIN-genormten Projektmanagement-Regeln abzuwickeln. Versucht man dies, stellt sich nicht selten heraus, dass der Anzug viel zu groß ist für seinen Bewohner und ihn bei seiner Arbeit eher behindert – ganz abgesehen davon, dass ein überdimensionierter Anzug immer auch einen Hauch von Lächerlichkeit hat. Während ich mich bei anderen Projektmanagement-Büchern oft gefragt habe: "Von was für Projekten reden die eigentlich?!", stand ich bei Schelles Werk nie vor dieser Frage. Er bezieht sich erkennbar weder auf die Konstruktion von Raumschiffen noch auf den Bau von Großkraftwerken, sondern auf ganz normale kleine bis mittlere (Software-)Projekte. Wobei "Software" insofern tatsächlich in Klammern stehen darf, als sich der Großteil seiner Empfehlungen und Vorschläge auf andere Arten von Projekten übertragen lässt.

Dennoch spürt man auch bei der Lektüre dieses Buchs zuweilen, wie groß der Unterschied zwischen technischen Projekten und Veränderungsprozessen in sozialen Systemen ist. Unbeabsichtigt deutlich wird dies zum Beispiel bei Schelles Empfehlungen zu Projektplanung und Kostenschätzung: Es entspricht durchaus dem anerkannten Standard, wenn er da empfiehlt, das Gesamtprojekt in Teilaufgaben und Arbeitspakete zu zergliedern, jedes dieser Arbeitspakete möglichst genau zu beschreiben und auf dieser Basis die Kosten zu schätzen. Bei einem Bau-, Logistik- oder IT-Projekt ist das nicht immer einfach, aber prinzipiell möglich – man weiß ja schon am Anfang ziemlich genau, was am Ende herauskommen soll. Was aber, wenn es um eine Weiterentwicklung der Unternehmenskultur geht, wo am Anfang zwar klar ist, in welche grundsätzliche Richtung es gehen soll, aber weder angebbar ist, was die genauen Ziele sind, noch, welche Hindernisse dem im Weg stehen, noch, wie das soziale System auf die Veränderungsimpulse reagieren wird?

Auf diese grundsätzliche Andersartigkeit von Veränderungsvorhaben in sozialen Systemen geht Schelle ebenso wenig ein wie es irgendein anderes mir bekanntes Projektmanagement-Lehrbuch tut. Ansonsten aber deckt sein Werk so ziemlich alles ab, was man wissen muss, wenn man sich nicht zum Projektmanagement-Guru für Großprojekte qualifizieren, sondern "nur" das eine oder andere mittlere Projekt managen will. Dabei zeichnet sich Schelles Buch durch einen wohltuenden Pragmatismus aus – was in einigen Amazon-Leserrezensionen prompt als "Oberflächlichkeit" und "Unwissenschaftlichkeit" abgestraft wurde. Dennoch empfinde ich es als Vorteil, dass der Autor sein Buch nicht, wie viele seiner Mitbewerber, mit einer akribischen Dezimalklassifikation bis auf die vierte, fünfte oder sechste Ebene zer-gliedert hat, sondern sich für eine sehr "flache Struktur" mit 24 Kapiteln entschieden hat, die in sich nur noch durch (nicht nummerierte!) Zwischenüberschriften untergliedert sind. Vermutlich hat er damit seinen Ehrentitel als Ehrenvorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement e.V. aufs Spiel gesetzt, doch als Leser kann man für solch ein unprätentiöses Herangehen nur dankbar sein, erlaubt es diese Struktur doch, gezielt auf einzelne Themen zuzugreifen und sich ein halbwegs geschlossenes Bild zu verschaffen. Der Umfang der einzelnen Kapitel liegt mit 10 – 15 Seiten gerade richtig, um einen wichtigen Teilaspekt – wie "Stakeholder-Management", "Projektplanung" oder "Auswahl von Projektmanagement-Software" – informativ, einigermaßen vollständig, aber nicht allzu "erschöpfend" abzuhandeln.

Dass sich Schelle mehr für die Projektrealität interessiert als für weltfremde Idealvorstellungen, zeigt sich etwa, wenn es um die Auswahl des Projektleiters geht: "In manchen sehr theoretisch orientierten Büchern wird beim Leser (...) der Eindruck erweckt als bestünde das Problem der Auswahl des Projektleiters nur darin, aus einer sehr großen Zahl von Kandidaten (...) den geeignetsten Bewerber herauszusuchen. Eine solche Annahme trifft freilich nur höchst selten zu." (S. 61) In der Tat hatte ich in meinen bislang gut 20 Jahren mit den unterschiedlichsten Veränderungsvorhaben nur sehr selten das Problem, zwischen mehreren geeigneten Kandidaten wählen zu müssen – oft besteht das Problem eher darin, eine geeignete Person erstens überhaupt zu finden und zweitens "freizukämpfen". Viel wichtiger ist denn auch, beim Nachdenken über mögliche Kandidaten ausreichend zu berücksichtigen, dass Projekte in aller Regel nicht nur eine fachliche Herausforderung sind, sondern vor allem auch eine soziale. Denn, so Schelle: "Der beste Fachmann ist leider nicht immer der, der auch soziale Kompetenz mitbringt." (S. 61)

Sein wohltuender Pragmatismus zeigt sich auch und gerade bei so heiklen Themen wie der Kostenschätzung: "Für die Schätzung des Einsatzmittelbedarfs bzw. der Kosten von Projekten gibt es keine Wundermittel, auch wenn geschäftstüchtige Anbieter von Softwarepaketen dies dem potenziellen Käufer einzureden versuchen. Erfahrungen, die in abgeschlossenen Projekten gemacht wurden, lassen sich bei der Planung neuer Projekte oft nur sehr bedingt nutzen, weil Projekte eben schon definitionsgemäß Erst- und Einmal-Vorhaben sind." (S. 143) Deshalb empfiehlt er bodenständige, aber solide Lösungen wie: "Das Projekt bis auf die Ebene der Arbeitspakete sorgfältig strukturieren und die einzelnen Arbeitspakete so genau wie möglich beschreiben." (S. 147) Und er drückt sich auch nicht vor den ganz normalen Unmöglichkeiten der Projektplanung: "In der Praxis besteht allerdings sehr häufig das Problem, dass eine Kostenschätzung zu einem Zeitpunkt abgegeben werden muss, zu den es noch keinen detaillierten Projektstrukturplan gibt. Die Methode der Schätzklausur, die zwar nicht der Königsweg zu zuverlässigen Kostenschätzungen, wohl aber ein gangbarer Pfad ist, setzt einen solchen Projektstrukturplan voraus." (S. 147)

Im Gegensatz zu manchen anderen Büchern, die vorspiegeln, dass ein grandioser Projekterfolg bei strikter Einhaltung der aufgelisteten goldenen Regeln überhaupt nicht zu verhindern sei, befasst sich Schelle auch mit Widerständen, Konflikten und Krisen. Den ersten beiden widmet er jeweils ein eigenes Kapitel, wobei sich das über Widerstände allerdings seltsamerweise nur auf Widerstände gegen die Einführung von Projektmanagement in einem Unternehmen bezieht. Projektkrisen werden im Kapitel über "Projektberichtswesen und Projektsteuerung" auf einer Seite abgehandelt, was in Relation zu ihrer Bedeutung und Tragweite vielleicht doch etwas knapp ist. Auch das Kapitel über Konflikte lässt erkennen, dass diese Themen für Schelle kein "Heimspiel" sind. Da verharrt er zu sehr in der Analyse und unterscheidet zwar trefflich zwischen Ziel-, Beurteilungs- und Verteilungskonflikten wie auch zwischen unterschiedlichen Arten von Konfliktlösungen – doch so konkret wie an anderer Stelle werden seine Empfehlungen hier nicht. Aber immerhin nimmt er Konflikte als unvermeidlichen Bestandteil von Projekten zur Kenntnis, statt durch ihre Ausblendung zu suggerieren, dass sie bei einem guten Projektmanagement überhaupt nicht auftreten dürften.

Verdienstvoll auch, dass er ein eigenes Kapitel dem Thema "Das Projekt systematisch beenden und Erfahrungen auswerten" widmet. Denn in der Tat werden im wirklichen Leben Projekte nur selten sauber abgeschlossen und beendet; allzu häufig enden sie irgendwo im Nirwana, weil manche Mitstreiter längst auf anderen "Baustellen" tätig sind oder sich angesichts bestehender Schwierigkeiten abgesetzt haben, während einige andere noch mit den verbliebenen Restarbeiten befasst sind oder auch damit, "die Spuren zu verwischen". Der fehlende Abschluss ist nicht nur ein formaler Mangel, sondern er verhindert auch weitestgehend, dass Unternehmen aus Erfahrung lernen – sowohl aus gemachten Fehlern als auch aus dem, was richtig gemacht wurde. Außerdem hinterlässt er einen schalen Nachgeschmack und beeinflusst damit negativ die Bereitschaft, sich auf künftige Projekte einzulassen. Schelle empfiehlt hier sowohl eine Befragung von Kunden und Projektbeteiligten, eventuell nach dem Bewertungsmodell "Project Excellence", als auch eine formale Projektabschlusssitzung, die mit der "Entlastung des Projektteams und des Projektleiters" (S. 256) endet. Ein altmodisch klingender, aber ebenso richtiger wie wichtiger Gedanke!

Schlagworte:
Projektmanagement, Projektplanung

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