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Der Kampf gegen das Kurzfrist-Denken – mit wesentlicher Lücke

Davis, Ian (2005):

How To Escape The Short-Term Trap

Markets May Expect Solid Performance Over the Short Term, But They Also Value Sustained Performance Over the Long Term. How Can Companies Manage Both Time Frames?

McKinsey Quarterly, Web Exclusive, April 2005


Nutzen / Lesbarkeit: 7 / 9

Rezensent: Winfried Berner, 13.05.2005

So recht der weltweite McKinsey-Chef vom Prinzip her hat, so wenig stellt er sich den Gründen, weshalb es für die Vorstände börsennotierter Unternehmen oft ratsam ist, die kurzfristige Ertragsoptimierung vor den langfristigen Erfolg zu stellen.

Die Behauptung, dass die Finanzmärkte sich auf Quartalsergebnisse fokussierten und der langfristigen Wertschöpfung wenig Bedeutung beimäßen, "must be challenged", stellt Ian Davis gleich einleitend kategorisch fest. Und befindet: "Whatever the cause of the misconception, management teams should take the lead in correcting it. They need to make clear to their boards and to the capital markets the importance to long-term creation of both the short-term performance of a business and its underlying health–-that is, its ability to sustain and improve performance year after year after year. They also may need to manage their companies differently."

Davis scheint die immer weiter um sich greifende Tendenz, sich auf Quartalsergebnisse zu fokussieren, geradezu für ein Missverständnis zu halten: "There is undoubtedly a noisy segment of analysts and traderes fixated on next quarter's earnings. (...) But many management teams, apparently believing that all market participants behave that way, don't attend to the longer-term health of their companies." Mit großem Nachdruck betont er, "that expecations of future performance are the main driver of shareholder returns. In almost all industry sectors and almost all stock exchanges, up to 80 percent of a share's market value can be explained only by cash flow expectations beyond the next three years." Und er nennt eindrucksvolle Beispiele, wie der Kapitalmarkt Unternehmen bestrafte, die kurzfristige Erfolge zu Lasten ihrer wirtschaftlichen Gesundheit realisierten.

Andererseits zitiert er eine aktuelle Studie, wonach "a majority of managers said that they would forgo an investment that offered a decent return on capital if it meant missing quarterly earning expectations. In another, more that 80 percent of the executives responding said that they would cut expenditure on R&D and marketing to ensure that they hit quarterly earning targets–-even if they believed that the cuts were destroying value over the long run."

Erstaunlich lückenhaft erscheint mir jedoch die Erklärung, die der McKinsey-Chef für dieses Verhalten gibt: "Beyond the misperception of what financial markets want, a number of factors contribute to the management's short-term focus. Recent economic conditions have concentrated the collective mind on pure survival." Auch "regulatory and legal reforms" würden den "Short-termism" begünstigen, wie auch die grundsätzliche Schwierigkeit, eine kurz- wie eine langfristige Orientierung parallel zu verfolgen. Das ist vermutlich alles richtig – aber befremdlicherweise Davis stellt nicht die Frage, weshalb es für Vorstände möglicherweise vernünftig sein könnte, ihre Entscheidungen selbst dann an kurzfristigen Resultaten auszurichten, wenn es dies zu Lasten der langfristigen Leistungsfähigkeit ihres Unternehmens geht.

Dabei liegt der Konflikt, in dem Vorstände hier stehen, doch eigentlich auf der Hand: Solange es möglich ist, sowohl kurzfristige Erfolge vorzuweisen als auch etwas für die langfristige Wertentwicklung zu tun, oder wenn ein gewisser kurzfristiger Druck sogar dabei hilft, das langfristige Vorankommen des Unternehmens zu beschleunigen, gibt es kein Problem – so lange ist die Entscheidung einfach. Falls der Vorstand sich aber zwischen kurz- und langfristigem Erfolg entscheiden muss, weil entweder ein Kostensenkungsprogramm langfristige Risiken mit sich bringt oder weil eine Investition in sogenannte "weiche" Themen wie Kulturveränderung die kurzfristigen Ergebnisse belasten würde, dann kann es für ihn im wohlverstandenen eigenen Interesse durchaus klüger sein, die kurzfristige Performance zu optimieren, als dem Kapitalmarkt eine Ergebnisverschlechterung anzukündigen. Denn zu viel innere Unabhängigkeit von den Erwartungen der Shareholder könnte sich durchaus als "career-limiting move" erweisen – auch wenn sie noch so sinnvoll für die langfristige Wertsteigerung ist.

Hinter dem chronischen "Short-termism" steht nur sehr selten eine bewusste Entscheidung gegen die langfristige Gesundheit des Unternehmens. Zwar gibt es auch kalt rechnende Egoisten, denen die langfristigen Folgen für "ihr" Unternehmen gleichgültig sind, solange nur ihr Image und ihre Vergütung stimmen. Der Normalfall scheint mir jedoch eher zu sein, dass Vorstände, die unter Druck stehen, sich mit einem schlechten Gefühl im Bauch für die kurzfristige Optimierung entscheiden – und dabei oftmals sich selbst und anderen einreden, sie würden mehr für die langfristige Wertsteigerung tun, sobald die momentanen Schwierigkeiten überwunden sind. Nach meinem Eindruck entsceiden sich nur sehr wenige Top Manager bewusst gegen eine langfristige Ausrichtung; der sehr viel häufigere Fall ist, dass sie viele kurzfristige Entscheidungen treffen, im aktuellen Quartal die kurzfristige Optimierung vorzuziehen. Und dies Quartal für Quartal. Kurzfristige Interessen schlagen nun einmal langfristige Interessen – das Hemd ist näher als der Rock.

Dass Davis sich diesem Dilemma nicht stellt, macht seine drei Empfehlungen zwar nicht falsch, aber ihre "Brücke zur Realität" hat genau dort eine Lücke, wo der Abgrund am tiefsten und die Strömung am reißendsten ist. Er empfiehlt erstens, "a company's strategy should consist of a portfolio of initiatives that consciously embraces different time horizons". Zweitens brauche ein Unternehmen Prozesse, die die Aufmerksamkeit sowohl auf die (kurzfristige) Leistung als auch auf die (langfristige) Gesundheit lenkten. Drittens, "companies need to change the nature of their dialogue with key stakeholders, particularly the capital markets and employees". Dabei müssten sie sich auf jene Investoren konzentrieren, die ein langfristiges Interesse an der Firma haben: "There is no point, for example, talking about the company's health to court arbitrageurs or hedge fund managers looking for the next bid."

All das kann man nur unterstreichen, wobei die dritte Empehlung vermutlich die wichtigste ist, um Vorstände wenigstens ein Stück weit von ihrem Konflikt zwischen Unternehmensinteressen und legitimen Eigeninteressen zu entlasten. Doch ist es wahrscheinlich unrealistisch, dass einzelne Vorstände und CEO's diese Diskussion gegen die "herrschende Meinung" führen und gewinnen können. Gerade deshalb ist es wichtig, dass ein Schwergewicht wie McKinsey diese Diskussion vorantreibt und ihr weltwelter Chef seine Autorität in die Waagschale wirft. Wobei es nicht nur der Wahrheit und Klarheit dienen, sondern auch die Suche nach realitätstauglichen Lösungen unterstützen würde, dabei das beschriebene Dilemma der Vorstände offen zu thematisieren.

Schlagworte:
Unternehmensführung, Strategie, Wertsteigerung, Shareholder, Kapitalmarkt, Kurzfristigkeit, Langfristiges Denken, Interessenkonflikt

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