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Etwas vergangenheitslastiges Bild von Deutschland und Frankreich

Hall, Edward T.; Reed Hall, Mildred (1990):

Understanding Cultural Differences

Germans, French and Americans

Intercultural Press (Yarmouth, ME); 196 S.; 22,50 Euro


Nutzen / Lesbarkeit: 7 / 9

Rezensent: Winfried Berner, 25.06.2005

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Lesenswerter Vergleich der Geschäftskulturen in Deutschland, Frankreich und den USA aus der Feder zweier welt- und kulturerfahrener Amerikaner, der nur leider die Weiterentwicklung der Kulturen in den letzten beiden Jahrzehnten nicht widerspiegelt.

Der hochbetagte Edward T. Hall, Jahrgang 1914, ist in den USA vor allem durch die beiden Körpersprache-Bestseller "The Silent Language" (1959) und "The Hidden Dimension" (1966) bekannt. Der Bezug dieses Themas zum Interkulturellen Management ist enger als man auf den ersten Blick vermuten könnte, denn bei der Erforschung der nonverbalen Kommunikation spielen kulturvergleichende Studien eine zentrale Rolle. Gemeinsam mit Mildred Reed Hall, über die das Buch keinerlei Angaben macht, hat Edward Hall mehr als ein Vierteljahrhundert lang Trainings im Bereich der interkulturellen Zusammenarbeit gehalten. Ihr Buch basiert auf diesen Erfahrungen sowie auf einem Projekt für den "Stern", für das sie Interviews mit 180 Geschäftsleuten durchgeführt haben.

Zielgruppe und Ansatz ihres Werks beschreibt das Autorenpaar so: "This book is designed to help American businesspeople understand German and French psychology and behavior and to show how Americans perceive the Germans and the French. However, to understand others, we must also understand ourselves; thus, the last section on the United States presents a brief analysis of the psychology and behavior of Americans. It it our hope that this section will in addition prove helpful to German and French readers who are just as baffled by American behavior as Americans are by theirs. Our main emphasis is not on economics, politics, or history, but on the subtle yet powerful impact of culturally conditioned behavior on the conduct of international business." (S. XIII)

Das Buch besteht aus vier großen Abschnitten: Bevor "The Germans", "The French" und "The Americans" in jeweils einem umfangreichen Kapitel charakterisiert werden, ziehen die Halls einen knapp 30-seitigen theoretischen Teil "Key Concepts: Understanding Structures of Culture" vor die Klammer. Dabei gehen sie von einer simplen, aber durchaus praxistauglichen Definition von Kultur aus: Sie verstehen sie schlicht als "a program for behavior." (S. XIV) Weniger glücklich finde ich, dass sie Kultur auf Informationsaustausch reduzieren wollen: "Members of a common culture not share information, they share methods of coding, storing and retrieving that information. These methods vary from culture to culture. Knowing what kind of information people from other cultures require is one key to effective international communication." (a.a.O.)

Zum Glück nehmen sie diese selbstgewählte Einengung nicht allzu wörtlich. Schon wenige Seiten später formulieren sie den beherzigenswerten Leitsatz: "The essence of effective cross-cultural communication has more to do with releasing the right responses than with sending the 'right' messages." (S. 4) Das ist zwar ein bisschen paradox, denn wie anders als mit den richtigen Messages sollte man die richtigen Reaktionen auslösen? Doch für die Praxis ist es durchaus nützlich, nicht egozentrisch auf das eigene Verhalten zu schauen ("Wie benehme ich mich richtig?"), sondern als auf Strategien der sozialen Beeinflussung, die ja das Herz aller Kommunikation sind.

In ihrer Einführung unterscheiden Edward und Mildred Hall mehrere wesentliche Dimensionen von Kultur:

1. "High and Low Context: How Much Information Is Enough?" (S. 6) Dahinter verbirgt sich die Frage, wie viel Zusatz- und Hintergrundinformationen in einer Kultur mitgeteilt werden müssen, damit der Adressat eine Botschaft richtig einordnen kann. Je besser die informellen Informationsnetze sind, desto weniger "Kontext" muss mitgeliefert werden; je isolierter die Individuen und die betrieblichen Funktionen, desto mehr Hintergrund-Information ist erforderlich.

2. "Space" (Raum / Revier). Während zum Beispiel Süd- und Osteuropäer recht unbekümmert mit persönlichen Territorien umgehen, legen gerade wir Deutschen großen Wert auf eine (uns) angemessene Distanz und weiträumig gesteckte "Reviergrenzen" (zum Beispiel geschlossene Bürotüren).

3. Mono- bzw. polychrone Zeitvorstellungen. Die deutschen Redensarten "Alles zu seiner Zeit" oder "Immer der Reihe nach" sind deutliche Hinweise auf einen linearen Zeitbegriff, den wir mit Nordeuropäern und (weißen) Amerikanern teilen. In den meisten südlichen und östlichen Ländern ist das Einhalten von Zeitplänen und Terminen längst kein so hoher Wert; sie legen mehr Wert auf Flexibilität und persönliche Kontakte.

Einige weitere Aspekte, die die Autoren aufführen, dürften hoch mit den genannten Dimensionen korrelieren, wie zum Beispiel Schnelligkeit und Art des Informationsflusses. So sagen sie selbst: "In high-context cultures, interpersonal contacts take precedence over everything else; whereever people are spatially involved with each other, information flows freely. In business, executives do not seal themselves off behind secretaries and closed doors; in fact in Japan senior executives may even share offices so that each person knows as much about the entire base of operations as possible, and in France an executive will have ties to a centrally located bureau chief to keep a finger on the pulse of information flow. In these cultures most people are already highly contexted and therefore don't need to be briefed in much detail for each transaction ..." (S. 23)

Dagegen fehlen in ihrer Kulturanalyse einige Dimensionen, die schon in der älteren Fachliteratur genannt sind, wie zum Beispiel die "Power Distance", die Hofstede schon in den sechziger und siebziger Jahren als wichtigen Faktor ausgemacht hat und die beschreibt, ob eine Kultur eher hierarchisch (Frankreich, Spanien) oder egalitär (Skandinavien) strukturiert ist. Hier rächt sich, dass die Halls sich bei ihren Recherchen offenbar etwas zu wenig mit dem Stand der Forschung auseinandergesetzt haben. In ihrem Literaturverzeichnis sind zwar fünf Titel über "Culture and Society" ausgewiesen, doch vier davon weisen Edward T. Hall als Autor aus, als ob er der einzig maßgebliche Forscher über interkulturelles Management wäre. Überhaupt fällt beim Literaturverzeichnis seine Ungleichgewichtigkeit auf. Neben den genannten fünf allgemeinen Titeln weist es 13 Publikationen über Deutschland und die Deutschen aus, 14 über Frankreich und die Franzosen (davon immerhin eine auf Französisch), aber 46 über die USA und die (Nord-)Amerikaner. Als Recherchebasis zweier Amerikaner, die ihren Landsleuten primär die Geschäftskulturen von Deutschland und Frankreich nahebringen wollen, finde ich das doch etwas asymmetrisch.

Und so ist es wohl kein Zufall, dass gerade die Beschreibung der amerikanischen Geschäftskultur für mich als Europäer besonders lehrreich ist. Sie ist bei aller Kritik mit viel Verbundenheit geschrieben; dennoch machen die beiden international erfahrenen Autoren kein Hehl aus ihrem Befremden über die naiv-präpotente Provinzialität vieler, wenn nicht der meisten amerikanischen Manager. Nüchtern weisen sie darauf hin, dass sich fast die ganze Welt über zwei amerikanische Eigenschaften ziemlich einig ist: Zum einen über ihre unglaubliche Freundlichkeit und Zugänglichkeit, zum anderen über die Oberflächlichkeit und Unverbindlichkeit ihrer "Freundschaften". Plausibel ihre Erklärung dafür: Die hohe Priorität der Amerikaner für ihre eigene Person und ihre Karriere sowie die hohe Mobilität, die "the American way of life" seinen freiwillig-unfreiwilligen Opfern aufzwingt, macht es zu einer emotionalen Überlebensstrategie,einerseits schnell Beziehungen aufzubauen, ohne andererseits allzu viel Nähe und Tiefe zuzulassen. Insgesamt hat mir dieses Kapitel geholfen, einige Widersprüchlichkeiten der Amerikaner besser einzuordnen – etwa ihr ausgeprägtes Streben nach Individualität einerseits und ihrer hohen Anpassungswilligkeit andererseits: "There is a strong pressure on Americans to be team players, to go along with the majority. In business, this means not rocking the boat or making waves, and in politics it all too often means supporting a leader at the expense of telling the truth or of doing the right thing." (S. 152)

In den USA sind die Halls auch nahe genug dran, um Entwicklungen darstellen und erläutern zu können. So stellen sie fest, dass amerikanische Unternehmen mit ihren ausländischen Niederlassungen mittlerweile sehr viel kompetenter umgehen als früher: "American overseas business personell today are much better educated and informend than their predecessors of thirty years ago and more competent and adaptable. (...) In the past, there was an unfortunate tendency to transfer problem employees abroad, and even today there are many Americans working overseas who should never have left the United States." (S. 173)

Dieses Aufzeigen von Trends und Entwicklungslinien vermisse ich in den beiden Kapiteln über die Deutschen und die Franzosen. Im Kapitel über Deutschland, das ich natürlich am besten beurteilen kann, hatte ich streckenweise den Eindruck, dass die Halls eine Geschäftskultur aus längst vergangenen Zeiten beschreiben, die ich, obwohl Anfang der 80-er Jahre ins Berufsleben eingetreten, nicht mehr miterlebt habe. Zwar ist es wohl nach wie vor richtig, wenn sie "German Time: Precise Scheduling, Slow Pace" schreiben und bei uns ausgeprägte Ordnungsliebe, Tendenz zu Grundsatzdiskussionen und Förmlichkeit diagnostizieren. Doch ein starkes Machtstreben, das mit strikter Informationskontrolle und der Betonung von Statussymbolen einhergeht, kann ich im internationalen Vergleich ebenso wenig erkennen wie einen knallharten, machtorientierten Verhandlungsstil. Eher fällt mir eine überdurchschnittliche Neigung zur Kritik und zum sofortigen Fokussieren auf Negatives auf, was die notorisch "positiven" Amerikaner durchaus verstören kann. Auch unsere angebliche absolute Ernsthaftigkeit bei vollständiger Abwesenheit von Humor scheint mir eher eine geschichtliche Reminiszenz zu sein als eine Beschreibung der Gegenwart. Doch auch wenn das nicht (mehr) ganz stimmt, so ist es doch nicht schädlich: Die amerikanischen Leser werden sicher erleichtert sein, wenn sie uns Deutschen doch auch mal lachend und locker erleben. Spätestens mit der nächsten Grundsatzdiskussion holen wir sie dann wieder auf den Teppich zurück ...

Spannend und ausgesprochen lehrreich auch das Kapitel über Frankreich – auch wenn ich mich hier natürlich frage, ob es tatsächlich die Gegenwart beschreibt oder ein mehr oder weniger überholtes Frankreich-Bild. Doch ist es eindeutig so, dass ich in den Beschreibungen einige meiner eigenen verstörenden Erfahrungen mit Franzosen wiederfinde und sie aufgrund der Erläuterungen besser verstehen und einordnen kann. Den praktischen Nutzwert des Buches erhöht, dass jedes Kapitel mit einer Zusammenfassung nach dem Muster "Advice to Americans Doing Business in France" schließt. Resümee: Nicht mehr ganz aktuell, dennoch lesenswert.

Schlagworte:
Interkulturelles Management, Deutschland, Frankreich, USA, Deutsche, Franzosen, Amerikaner

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