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Juristisches Grundwissen zu Sanierung und Insolvenzabwehr

Grüber, Bernd (2001):

Schnellkurs Krisenmanagement

Kaufmännisches Grundwissen für Neu- und Quereinsteiger

Lexika (Würzburg); 140 S.; 15,00 Euro


Nutzen / Lesbarkeit: 7 / 8

Rezensent: Winfried Berner, 28.02.2006

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Ein Sanierungsratgeber, der die juristischen Aspekte eines Turnaround sehr kompetent abdeckt, aber bei den betriebswirtschaftlichen und vor allem den strategischen Aspekten einer Sanierung wenig Rat und Hilfe bietet.

Wenn ein schmales Bändchen mit "Schnellkurs Krisenmanagement" heißt und noch dazu in einer Reihe "Kaufmännisches Grundwissen für Neu- und Quereinsteiger" erschienen ist, könnte das die Befürchtung wecken, dass hier das schwierige und verantwortungsvolle Geschäft einer Sanierung als Spielwiese für angehende Zauberlehrlinge erschlossen werden soll. Doch glücklicherweise hält das Büchlein nicht, was der Titel verspricht: Wer die 140 Seiten durchgearbeitet hat, dürfte sich als Neu- oder Quereinsteiger kaum noch zu einem Menschenversuch mit potenziell tödlichem Ausgang ermutigt fühlen, sondern ein gehöriges Maß an Respekt vor dieser Aufgabe entwickelt haben – und zugleich ein Grundverständnis, worum es dabei geht und worauf es dabei ankommt.

Der Wirtschaftsanwalt und Notar Dr. Bernd Grüber hat offenkundig einige Erfahrung mit Sanierungen und insbesondere deren juristischer Seite, und die gibt er klar strukturiert und in verständlicher Sprache an seine Leser weiter. Wohlmeinend hat er seinem Buch ein erstes Kapitel "Die Unternehmenskrise" vorangestellt, das sich nach einer kurzen Einführung hauptsächlich mit Krisenprävention befasst. Die ersten Seiten dieses Kapitels sind sehr lesenswert, weil sie zeigen, dass Krisen nicht wie ein Blitz aus heiterem Himmel kommen, sondern sich etappenweise aufbauen: von der Strategiekrise über eine Ergebniskrise bis hin zu einer Liquiditätskrise – und wie sie dabei zugleich überproportional schwieriger lösbar werden.

Den ausführlichen Abschnitt "Frühwarnsysteme für Unternehmenskrisen" kann man hingegen getrost überspringen – nicht nur, weil es dafür in einer akuten Krise zu spät ist, sondern auch und vor allem, weil hier die betriebswirtschaftlichen und strategischen Grenzen des Autors offensichtlich werden. So referiert er ausführlich diverse bilanzanalytische Ansätze und stellt einige zum Teil ziemlich skurrile Berechnungsverfahren vor, nur um dann (zutreffend) festzustellen, dass Bilanzdaten die Situation des Unternehmens ohnehin nur aus dem Rückspiegel beschreiben und daher als Frühwarnsystem ungeeignet sind. Dann beschreibt er verschiedene Controlling-Ansätze, weiter mit ungebrochener Freude an imposanten Begriffen und pseudo-präzisen Formeln. So weist seine Formel zur "Multiplen Diskriminanzanalyse" (S. 27) Gewichtungsfaktoren mit sechs Nachkommastellen (!) auf – was nur leider um etliche Zehnerpotenzen präziser ist als die Genauigkeit der Zahlen, die solchen Berechnungen üblicherweise zugrunde liegen. Nach seiner Formel würde etwa die Gewichtung des Verhältnisses von Fremdkapital zu Cashflow II mit dem Faktor 0,000098 in die Berechnung der Multiplen Diskriminanz (was immer das auch sein mag) eingehen, also, grob gesprochen, mit knapp einem Zehntausendstel.

Auf Seite 35 geht es dann richtig los mit dem Kapitel 2 "Rechtlicher Rahmen der Unternehmenskrise und der Sanierung" – nur noch 99 Seiten bis zum erfolgreichen Turnaround bzw. bis zum "Scheitern der Sanierung" (S. 135)! Es beginnt gleich mit einem kleinen Schock, nämlich die Unterüberschrift "Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens" (S. 35). Daran schließen sich, kaum entspannender, auf Seite 36 "Die Insolvenzgründe" an. Doch in diesem Abschnitt wird nicht nur beschrieben, nach welchen Regeln und in welchen Schritten die "Überschuldungsprüfung" durchzuführen ist; es geht auch um Maßnahmen, mit denen eine (bereits festgestellte) Überschuldung in letzter Minute korrigiert werden kann: durch Forderungsverzicht wichtiger Gläubiger, durch Vergleich, durch Rangrücktritt gegen "Besserungsschein" (das heißt, gegen die verbindliche Zusicherung, die Schuld im Falle einer Besserung der wirtschaftlichen Lage vollständig zu begleichen), durch "Umschuldung mit Eigenkapital-Ersatz", durch die Umwandlung von Verbindlichkeiten in Eigenkapital (sogenannte debt-equity swaps) sowie – etwas (zu) trickreich – durch die Umwandlung der Rechtsform.

Ähnlich sorgfältig und klar handelt Grüber die beiden anderen Insolvenzgründe Zahlungsunfähigkeit und drohende Zahlungsunfähigkeit ab. Weiter geht es mit der "Insolvenzantragspflicht" und einer Aufarbeitung der juristischen Vorschriften, die im Zusammenhang mit Unternehmenskrisen von Bedeutung sind, einschließlich der "Insolvenzstraftaten". Es wäre eine krasse Fehleinschätzung, diese Informationen als unnötigen juristischen Ballast anzusehen: Genau solche Dinge entscheiden im Ernstfall darüber, ob noch genügend Wasser unter dem Kiel bleibt, um die Wende zu schaffen, oder ob mit jedem weiteren Rettungsversuch der Straftatbestand der Insolvenzverschleppung erfüllt wird, weil die Überschuldung bzw. Zahlungsunfähigkeit bereits eingetreten war, sodass unverzüglich ein Insolvenzantrag hätte gestellt werden müssen. Wer, gleich ob als Manager oder als Berater, eine verantwortliche Rolle bei einem Turnaround oder einer Sanierung übernimmt, muss über diese juristischen Fragen zumindest so weit Bescheid wissen, dass er den geltenden rechtlichen Rahmen, die zwingenden gesetzlichen Vorgaben und die wichtigsten Gestaltungsmöglichkeiten kennt.

Doch so wichtig diese juristischen Fragen sind, immer noch wissen wir nichts darüber, wie wir die Krise bewältigen sollen. Auch noch so fundierte Rechtskenntnisse schaffen ja keine neue Liquidität, und sie taugen auch nur begrenzt dazu, die Banken und die Gläubiger zu beruhigen. Erst recht verhelfen sie einem schlingernden Unternehmen nicht zu einer neuen, erfolgversprechenden Geschäftsstrategie, geschweige denn zu mehr Umsatz und höherer Profitabilität. Mittlerweile sind wir auf Seite 76 angekommen: Nur noch 57 Seiten bis zum erfolgreichen Turnaround bzw. zum Scheitern der Sanierung – nun wird es langsam eng.

Kapitel 3 endlich verspricht "Die Sanierung", und der erste Abschnitt heißt gleich "Krisenmanagement". Doch der ist nur drei Seiten lang, und er enthält neben einigen reichlich abstrakten Aussagen zur "Priorität der zu lösenden Probleme" vor allem einen wichtigen Hinweis zum "Sanierungsentschluss": "Das Erkennen einer Unternehmenskrise führt noch nicht automatisch zur Einleitung der notwendigen Gegenmaßnahmen (...) Inhaber bzw. Manager müssen auch den Handlungswillen zur Krisenbewältigung entwickeln." (S. 79) Er beschreibt, in welchen Phasen sich die Einsicht entwickelt, in einer Krise zu stecken, und resümiert: "Dieses Wissen (...) hilft über Minderwertigkeitsgefühle, Apathie und Selbstmordgedanken hinweg. Dadurch wird zunächst kostbare Zeit gewonnen, da die Handlungsfähigkeit (...) schneller erreicht wird. Vor allem jedoch wird der Gefahr begegnet, auf der dritten Stufe stehen zu bleiben und vor lauter depressiven Versagensgefühlen auf Dauer die Hände apathisch in den Schoß zu legen, anstatt die noch mögliche Sanierung in Angriff zu nehmen." (S. 79) Ja, das ist wirklich wichtig: Wer je erlebt hat, wie ein unglücklicher Unternehmer apathisch und mit Alkoholfahne darüber sinniert, ob er nicht besser gleich den Strick nehmen sollte, der kann nur bedauern, dass dieses Thema nicht gleich zu Anfang, sondern an einer so versteckten Stelle adressiert wird. Aber immerhin, es kommt zur Sprache – auch wenn der abschließende Rat etwas hilflos wirkt: "Lassen Sie sich nicht von den durch den Schock der Unternehmenskrise ausgelösten Versagensgefühlen zur Passivität verleiten! Unterlassen tötet Unternehmen!" (S. 79)

Nach diesem unerwarteten Einbruch von Emotionalität aber schnell zurück zu Sachfragen: Wir kommen zur "Sanierungsfähigkeitsprüfung". Hier werden erneut die Grenzen des Autors sichtbar: Weshalb Unternehmen eigentlich erfolgreich bzw. nicht erfolgreich sind, scheint dem Rechtsanwalt und Notar Grüber zutiefst fremd geblieben zu sein; zu Unternehmensstrategie und Wettbewerbsdynamik hat er offenbar keinen Zugang. Infolgedessen sucht er dort, wo es eigentlich um eine strategische Neuausrichtung gehen müsste, in typisch juristischer Manier sein Heil in immer weiterer und tieferer Differenzierung. Seine "Analyse der Krisenursachen" zergliedert sich in eine Analyse der Finanzlage, der Ertragslage, der Unternehmensstrategie und der Unternehmensführung, doch die ersten beiden produzieren nur weitere Kennzahlen ohne ein "So What?", und was er zu den letzten beiden sagt, ist ebenso allgemein wie folgenlos und lässt den krisengeplagten Unternehmer bzw. Manager rat-los zurück. Ja, klar, er sollte die Strategie von Grund auf überprüfen – aber wie? Statt einer Antwort spielt Grüber den Ball zurück mit dem Hinweis, dass das doch wohl nicht so schwierig sein kann: "Im Gegensatz zur Krisenfrüherkennung lassen sich in der Unternehmensstrategie begründete Krisenursachen in der Rückschau leichter erkennen, wenn das Stadium einer offenen Krise erst einmal erreicht ist." (S. 83)

Aufschlussreicher werden die Empfehlungen auch nicht, wenn es im Abschnitt "Entwicklung eines Sanierungskonzepts" um die strategische Neuausrichtung geht: "So wie die strategische Gesamtausrichtung in der Vergangenheit das Unternehmen in die Krise geführt hat, so muss eine strategische Neuausrichtung als Grundlage des Sanierungskonzepts die Weichen stellen, um das Unternehmen wieder aus der Krise herauszuführen. Voraussetzung zur Bestimmung einer Erfolg versprechenden Strategie ist zunächst das Wissen um die momentane Situation, die nüchtern, ehrlich und ungeschminkt eingestanden werden muss. Sodann erforderlich ist die aus der Krisenanalyse gewonnene Erkenntnis, warum sich das Unternehmen in der gegenwärtigen Lage befindet. Ausgehend von dieser Erkenntnis der Ursachen lässt sich der Weg zum Ziel finden. Hierfür ist aber wiederum Voraussetzung, dass das Ziel überhaupt hinreichend definiert ist ..." (S. 85) So lässt sich elegant an der Tatsache vorbei fabulieren, dass Grüber hier selber blank ist: Ja, natürlich sollte ein Ziel klar definiert sein, aber es wäre hilfreich, wenn es außerdem noch sinnvoll wäre. Man vergleiche nur, wie substanziert Faulhaber und Landwehr dieses Thema in ihrem Buch "Turnaround-Management in der Praxis" behandeln (siehe Rezension) – aber die wenden dafür auch volle 56 Seiten auf!

Nach einer Dreiviertelseite lässt Grüber das Thema Strategie eilends hinter sich und wendet sich auf gut investierten 19 Seiten den "Finanzwirtschaftliche(n) Sanierungsmaßnahmen" zu, wo er erkennbar mehr zuhause ist. Seine Tipps für den Umgang mit Banken und anderen Gläubigern sind schlüssig und beherzigenswert; desgleichen, was er über "Interne Maßnahmen zur Liquiditätsverbesserung" und über "Kapitalzufuhr durch Gesellschafter und Privatgeldgeber" zu sagen hat. Ebenfalls wissenswert sind seine Hinweise zu "Gesellschaftsstrukturelle(n) Sanierungsmaßnahmen", worunter er verschiedene Arten von Fortführungs- und Auffanggesellschaften versteht. Eher nach "Auswärtsspiel" hören sich hingegen seine Ausführungen zu "Leistungswirtschaftliche(n) und sonstige(n) Sanierungsmaßnahmen" an. Hier adressiert er zwar wichtige Themen wie "Produktpalette, Sortimentstiefe, Produktqualität" und Service sowie "Absatzwege und -mittel" (S. 111), aber seine Erläuterungen haben wieder den von der Strategie bekannten Ton eleganten Ausweichens.

Spannend verspricht dann noch einmal der Abschnitt "Personal- und Organisationsmaßnahmen" zu werden, aber da dämpft Grüber gleich die Erwartungen: "Im Folgenden können die verschiedenen Themen im Personalbereich nur kurz vorgestellt werden, da eine ausführliche Darstellung den Rahmen dieses Buches sprengen würde. Zur Vertiefung der Einzelthemen ist auf die spezielle Literatur zurückzugreifen." (S. 113) Das ist nun wirklich ärgerlich, denn Sanierungen gehen, wie Grüber wenige Zeilen zuvor zu Recht feststellt, "in vielen Fällen (...) zwangsläufig mit Entlassungen einher", sodass man erwarten könnte, dass dieses zentrale Instrument des Krisenmanagements in einem Buch über dieses Thema abgehandelt und nicht ausgeklammert wird. Ein schwaches Bild ist auch der vage Verweis auf "spezielle Literatur": Damit macht es sich der Autor sehr einfach – und dem Leser schwer.

Immerhin investiert er dann doch 14 Seiten, um einen kursorischen Überblick über das Themenfeld zu geben. Verdienstvoll, das er unter der Rubrik "Personalanpassung" nicht nur Entlassungen erwähnt, sondern zum Beispiel auch den Abbau von Überstunden, die Flexibilisierung der Arbeitszeit, Kurzarbeit, die Senkung des Krankenstandes und leistungsbezogene Vergütungen, weiter die Einführung von Gruppenarbeit, Telearbeit, Teilzeit und so weiter. Leider differenziert er dabei zu wenig danach, was diese Maßnahmen an finanzieller Entlastung bringen und wie schnell sie greifen. Dadurch kommt seine Auflistung in die Gefahr, einer in der Krise tödlichen Verzettelung Vorschub zu leisten. Das Gleiche gilt auch für die "Umstrukturierungen im operativen Bereich", wo er die Einführung von Profit Centers sowie "Make-Or-Buy, Outsourcing und Betriebsübergang" ins Blickfeld rückt: Mit Ausnahme des Betriebsübergangs, der nur ein Rechtskonstrukt ist, sicherlich sinnvolle Überlegungen, aber eher keine Instrumente des kurzfristigen Krisenmanagements.

Nach einer kurzen und an dieser Stelle etwas überraschenden Erläuterung zum "Sanierungskredit" sind wir damit bei dem oben schon angesprochenen Schlussabschnitt "Das Scheitern der Sanierung" angekommen. Und ich fürchte, mit dieser Option wird man sich ernstlich befassen müssen, wenn man sich in einer Krise allein an den Rat dieses Büchleins hält. Denn so verlässlich und fundiert es auf juristischem Gebiet ist, so schnöde lässt es seine Leser bei den meisten Fragen im Stich, die mit Unternehmensführung und Strategie zu tun haben. Trotzdem spreche ich alles in allem eine Empfehlung aus: Nicht als Ersatz, sondern als gute Ergänzung zu dem Standardwerk "Turnaround-Management in der Praxis", das gerade die juristischen Aspekte zum Teil weniger detailliert abhandelt.

Schlagworte:
Turnaround, Sanierung, Insolvenzabwehr, Insolvenzrecht

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