Der Titel lässt auf eine spannende kulturvergleichende Studie hoffen, welche kulturbedingt unterschiedliche Spielregeln und Erfolgsfaktoren in unterschiedlichen Ländern herausarbeitet. Stattdessen ist ein Fehlschlag auf der ganzen Linie zu vermelden.
Der Artikel ist eine einzige Enttäuschung. Das beginnt damit, dass die breit angelegte kulturvergleichende Untersuchung, die der Titel suggeriert, sich als eine Befragung von insgesamt 346 Teilnehmern entpuppt, von denen 141 aus Deutschland stammen: "Aus Großbritannien kamen 27, aus Griechenland 18, aus Korea 29, aus den Niederlanden 41, aus Spanien 12 und den USA 36 Befragte." (S. 23) Einer Angabe über das Verhältnis von Fragebogen und persönlichen Interviews und deren Verteilung auf die beteiligten Länder enthalten sich die Autoren; auch über Rücklaufquoten und andere wichtige Kennzahlen erfahren wir nichts. Wer weiß, mit welcher Antwortqualität Fragen üblicherweise zurückkommen, noch dazu bei einer internationalen Befragung, muss sich fragen, wie auf der Basis von 27 bzw. 29 Antworten beispielsweise ein Vergleich von Großbritannien und den USA möglich sein soll, geschweige den aus den 18 Antworten aus Griechenland oder den 12 aus Spanien. Dennoch werten die Autoren im weiteren Verlauf getrennt nach Ländern aus und interpretieren die Unterschiede.
Doch auch der methodische Ansatz insgesamt stimmt skeptisch, und Greif, Runde und Seeberg liefern Zweiflern die besten Argumente. Gleich eingangs stellen sie fest, dass nach einer eigenen Studie "zwischen 40 und 60 Prozent der organisationalen (sic) Veränderungen unter einem Zielerreichungsgrad von 60 Prozent" bleiben (S. 22). Weiter zitieren sie eine Studie von Dietrich Dörner, wonach "viele Menschen zu problematischen Vereinfachungsstrategien neigen und dadurch nicht dazu in der Lage sind, komplexe Probleme oder Systeme erfolgreich zu managen" (S. 23). Und genau diese Leute befragen Greif & Co. nun nach den Erfolgsfaktoren beim Change Management und leiten daraus Schlussfolgerungen für das Management von Veränderungsprozessen ab! Mit keinem Wort thematisieren sie, dass sie auf diese Weise lediglich die Glaubenssätze von Menschen bilanzieren, die komplexe Veränderungen überwiegend nicht gebacken kriegen.
Dieser Ansatz wäre spannend, wenn sie den herrschenden Glaubenssätzen und Alltagsmythen zum Thema Change empirisch erprobte Erkenntnisse gegenüberstellen würden, was die tatsächlichen Erfolgsfaktoren beim Change Management sind. Doch aus einer Befragung von "normal-ungeschickten Veränderungslaien" gültige Einsichten ableiten zu wollen, ist einfach hanebüchen. Das ist, als würde man durchschnittlich-erfolglose Geldanleger beifragen, worauf es bei der Kapitalanlage ankommt, und daraus Anlageempfehlungen ableiten.
Die dritte Enttäuschung sind die Ergebnisse. Denn von den versprochenen Erfolgsfaktoren ist keine Spur zu entdecken. Greif, Runde und Seefeld arbeiten im Wesentlichen mit einem Extremgruppenvergleich, bei dem sie die "erfolgreichen Veränderungen (so genannte 'A-Projekte')" den "weniger erfolgreichen Veränderungen ('Z-Projekte')" gegenüberstellen. Auch hier vermeiden die Autoren sorgfältig jede Angabe darüber, wie sie diese Unterteilung vorgenommen haben: Ob sie ihre Stichprobe einfach halbiert haben, ob sie kriteriumsorientiert (und wenn ja, an welchem Kriterium) vorgegangen sind oder ob sie, wie das "A" und das "Z" suggerieren, nur die besten und die schlechtesten verglichen haben (was die nationalen Teilstichproben natürlich bis zur Unsichtbarkeit weiter reduziert hätte).
Auf diesem Weg kommen sie zu so eindrucksvollen Aussagen wie: "Die Mittelwerte der Skalen Führung und Einbeziehung erreichen bei den A-Projekten durchweg hohe Werte" (S. 24). Damit deuten sie implizit eine Kausalität an, doch wird nicht einmal erwähnt, geschweige denn geprüft, ob eine Kausalität überhaupt besteht bzw. ob sie nicht möglicherweise sogar in die Gegenrichtung verläuft. Dafür ließen sich immerhin einige Argumente vorbringen. So wird zum Beispiel die (Führungs)Leistung von Fußballtrainern deutlich positiver beurteilt, wenn ihr Club erfolgreich ist, und das, obwohl hier sowohl eine hohe Zufallskomponente als auch etliche Artefakte (wie z.B. ein "Trainerwechseleffekt") im Spiel sind. Deshalb muss man nicht überrascht sein, dass ähnliche Unterschiede auch für die meisten anderen erhobenen Variablen gefunden werden; fragen muss man sich nur, ob daraus ein Rückschluss auf "Erfolgsfaktoren" (und damit natürlich auf Kausalitäten) zulässig ist. (Ob irgendeiner der aufaddierten Unterschiede signifikant ist, erfährt der Leser ebenfalls nicht.)
Vollends rätselhaft bleibt, was die Autoren mit mancherlei willkürlichen Quervergleichen sagen wollen, wie etwa der Feststellung, dass sich bei der Frage nach dem Vorhandensein genügender Ressourcen "die besten Werte bei den A-Projekten in den USA (3,9) und bei den Z-Projekten die schwächsten in GB (2,82)" fanden (S. 25). Das mag ja so sein, aber was soll man aus einer so verqueren Gegenüberstellung lernen?!
Das Resümee dieser Arbeit hätte auch ihre Einleitung sein können: Um die "Kernprobleme des Change Management (...) nachhaltig zu lösen, ist es erforderlich, Theorie, Praxiserfahrung und Methode miteinander [??] zu integrieren" (S. 26). Das ist so banal, dass kein Widerspruch möglich ist – nur schade, dass der Artikel in keiner Hinsicht einen Beitrag dazu leistet. Stattdessen wirft er die peinliche Frage auf, wie gut das Qualitätssicherungssystem der Zeitschrift "Wirtschaftspsychologie aktuell" funktioniert.
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