Wer tiefer in das Thema Konfliktmanagement einsteigen will, kommt an Glasls Klassiker kaum vorbei: von enzyklopädischem Umfang, großer Sorgfalt und gedanklicher Klarheit, allerdings nicht leicht zu lesen und für Einsteiger eine Überforderung.
Auch wenn "der Glasl" nun in der 8. aktualisierten und ergänzten Auflage vorliegt, hat sich an der Grundstruktur des Buches seit der 4. Auflage von 1994 kaum etwas verändert. Der einzige kleine Unterschied im Inhaltsverzeichnis, der mir – neben einer zuweilen größeren Gliederungstiefe – aufgefallen ist, ist, dass im Unterkapitel 1.3 "Typologie von Konflikten" ein kurzer Abschnitt "Zum Begriff des Mobbings" hinzugekommen ist. Außerdem wurde aus dem "Handbuch für Führungskräfte und Berater" (Untertitel) ein "Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und Berater". Das würde den Kauf der Neuauflage kaum rechtfertigen, wenn man eine ältere schon sein eigen nennt. Doch das Buch lebt im Stillen und hat sich von Auflage zu Auflage weiterentwickelt, was man rein äußerlich an der mittlerweile auf 523 (von 464 anno 1994) angestiegenen Seitenzahl erkennt, aber noch mehr daran, dass das Literaturverzeichnis von damals schon imposanten 23 Seiten auf mittlerweile 30 angewachsen ist – ein deutliches Indiz dafür, dass Fritz Glasl "sein" Thema nach Erscheinen seines Monumentalwerks nicht abgehakt hat, sondern es forschend und publizierend weiterverfolgt. Das bestätigt sich denn auch beim Lesen: Auch wenn Glasl – erfreulicherweise – keine Hemmungen hat, uralte Referenzen (wie "Goffman 1955") stehen zu lassen, arbeitet er fortwährend auch neuere und neueste Quellen ein. Was mich persönlich besonders freut, ist, dass er dabei in den letzten Jahren erstmals auch individualpsychologische Gedanken aufgenommen und integriert hat.
Das Buch gliedert sich in große drei Teile: "Konfliktdiagnose" (166 Seiten), "Die Dynamik der Eskalation" (114 Seiten) und "Strategien der Konfliktbehandlung" (167 Seiten). So viel Zeit und Raum in die Analyse zu investieren und erst ganz am Schluss zu Lösungsansätzen zu kommen, mag man – auch wenn Glasl Österreicher ist – für "sehr deutsch" halten. Und in der Tat entspricht Glasls Herangehen, auch seine umfassende Sondierung und Bewertung der einschlägigen "Geistesgeschichte" eher der Gelehrten-Tradition des alten Europa. Doch sein überaus sorgfältiges – und auch für den Leser zuweilen erschöpfendes – Herangehen lässt sich nicht nur mit Tradition und persönlichem Stil rechtfertigen, sondern auch aus der Komplexität des Gegenstands. Denn beim Lösen komplexer Probleme ist, wie die einschlägige Forschung hinreichend belegt hat, nassforscher Pragmatismus eher geeignet, sich noch tiefer ins Schlamassel hineinzureiten, als sich daraus zu befreien. Am Ende hilft es beim Lösen komplexer Probleme halt doch, wenn man deren Beschaffenheit und Logik gedanklich durchdrungen hat. Dennoch darf dies auch als Warnhinweis gelesen werden: Wer voller Ungeduld nach knackigen "Ten Golden Rules to Conflict Resolution" sucht, möge besser die Finger von diesem Buch lassen, denn gründlicher könnte man die Intentionen und den Ansatz von Glasl kaum missverstehen.
Die härteste Geduldsprobe fordert Glasl dem Leser im ersten Teil "Konfliktdiagnose" ab, wo er Konflikte in insgesamt fünf Kapiteln akribisch von allen Seiten betrachtet, sie dreht und wendet, sie horizontal und vertikal, längs und querwärts untergliedert, um ihnen nur jede mögliche Differenzierung zu entlocken. Da geht es um "Menschenbild und soziale Konflikte" (Kapitel 2), um eine "Typologie von Konflikten" (Kap. 3) und um "Modelle der Konfliktdiagnose" (Kap. 4), weiter um "Inhaltliche Dimensionen der Konfliktdiagnose" (Kap. 5) und schließlich um "Konfliktkonstellationen im meso-sozialen Rahmen" (Kap. 6), also um Konflikte zwischen Gruppierungen. Das ist zum Teil anstrengend zu lesen, und ich war oft in der Gefahr, in den langen und detailreichen Darlegungen den roten Faden zu verlieren. Dennoch lohnt es sich, sich durch Glasls detaillierte Analysen zu kämpfen, denn diese Differenzierung wird nie zum Selbstzweck, sondern liefert eine nützliche und nutzbare Basis für den dritten Teil, die Strategien der Konfliktbehandlung – und wird dort auch tatsächlich wieder aufgegriffen und verwendet.
Der zweite Hauptteil über die "Dynamik der Eskalation" beginnt mit einem kurzen Kapitel "Einführung in die Eskalationsproblematik". Darin zerlegt Glasl einige ältere Phasen- und Stufenmodelle der Konfliktentwicklung und arbeitet in deren Kritik heraus, welchen Anforderungen ein Eskalationsmodell genügend muss. Zu Herman Kahns 44-stufigen Modell der militärischen Eskalation stellt er lakonisch fest, "dass es keine 'Meta-Beschreibung' des Eskalationsprozesses gibt, sondern eigentlich das fatale Denken der Konfliktpartei selbst zum Ausdruck bringt. (...) Bei alledem bleiben jedoch Überlegungen, wie diese Intentionen durch die Art der Maßnahmen auf die Gegenseite wirken könnten, dahingestellt. Das Paradoxe der Eskalation ist aber gerade die Wirkung auf die Gegenpartei, welche die meisten Intentionen des Gegners anders perzipiert als sie beabsichtigt sind. (...) H. Kahn beschreibt darum in seinem Modell nur die Illusionen der Akteure und nicht die wirksamen Mechanismen und Faktoren." (S. 203)
Im 8. Kapitel arbeitet Glasl dann fünf "Basismechanismen der Eskalationsdynamik" heraus, die auf sehr eindrucksvolle Weise zeigen, wie sich die Wahrnehmung und Befindlichkeit der Parteien im Konfliktverlauf verändert. Sie neigen zunehmend dazu, "die andere Seite als Ursache aller Probleme anzusehen; sie projizieren alles Negative auf die Gegenpartei. Andererseits frustrieren sich die Konfliktparteien mit unbeherrschten Aktionen selbst." (S. 207) So weiten sie die Menge der Streitfragen bewusst aus, indem sie mehr und mehr Themen in den Konflikt hineinziehen, während sie die Situation zugleich immer weiter simplifizieren. Weiter kommen sie zu immer einseitigeren Interpretationen von Ursache und Wirkung, und sie erweitern den sozialen Rahmen fortwährend, während sie den Konflikt zugleich immer mehr personifizieren. Und schließlich beschleunigen sie die Zuspitzung durch "pessimistische Antizipation" (S. 224), also durch immer negativere Erwartungen, wie die andere Seite sich verhalten wird.
Bevor Glasl im umfangreichen 10. Kapitel sein bekanntes "Phasenmodell der Eskalation" vorstellt, behandelt er in einem nur 4 ½ Seiten umfassenden, aber sehr wichtigen Kapitel die "Wendepunkte in der Eskalation". Von definierten Phasen oder Stufen zu sprechen, macht ja überhaupt nur dann Sinn, wenn solche Stufen auch außerhalb der Köpfe studierter Konfliktmanager existieren, und das wiederum setzt zweierlei voraus: Erstens, dass es überhaupt solche Stufen gibt und nicht einen graduellen Anstieg der Feindseligkeit, und zweitens, dass diese Stufen eine überindividuelle Gültigkeit haben. Weder das eine noch das andere ist aber eine Selbstverständlichkeit, denn woher sollten Konfliktparteien quer über die Welt wissen, in welchen Stufen sie zu eskalieren haben, und weshalb sollten sie sich daran halten? Es ist ein höchst spannender Punkt, dass (und weshalb) es tatsächlich so etwas wie eine "Erwartungskoordination" zwischen den Konfliktparteien und "stillschweigende Focus-Punkte" gibt. Glasls Beweisführung bleibt hier lückenhafter als bei den meisten anderen Aussagen seiner Monographie: Er zieht die Analogie der Verschiebung militärischer Frontlinien im Gelände heran, die sich offenbar immer an intuitiven Plausibilitäten orientiert, und er bringt einige Beispiele für Stufenüberschreitungen in sozialen Konflikten. Das leuchtet alles ein und macht unser "intuitives Wissen um solche Schwellen" (S. 231) glaubhaft, aber es ist streng genommen kein Beweis, und es lässt auch offen, was eigentlich die zugrunde liegende "Mechanik des Seelenwagens" (Dörner) ist.
Über Glasls neunstufiges Eskalationsmodell braucht man nicht viele Worte verlieren; schon die Häufigkeit, mit der es – mit oder ohne Quellenangabe – zitiert wird, kann als Qualitätsmerkmal gelten; ebenso die Tatsache, dass es nach meiner Kenntnis ziemlich konkurrenzlos dasteht. Es lohnt sich aber, die ausführliche Darstellung der neun Stufen einmal im Original zu lesen, auch wenn sie beinahe 80 Seiten umfasst und dem Leser zuweilen etwas Anstrengung abfordert. Erst dann wird man gewahr, was in den verkürzten und zum Teil geradezu verstümmelten Paraphrasen kaum zu erkennen ist, nämlich wie bis ins Detail durchdacht dieses Modell ist und wie viel Sorgfalt selbst hinter einzelnen Begriffsverwendungen steht.
Neu hinzugefügt hat Glasl diesem Kapitel einen letzten Absatz, der mich erheblich irritiert hat: "In der Eskalationsdynamik wirken durch einzelne Menschen und durch Gemeinschaften Kräfte in das soziale Geschehen hinein, die auf der Grundlage jüdisch-christlich-esoterischen Wissens verstanden werden können. Menschen provozieren im Konflikt gegenseitig die Schwächen, die zur Trübung des Bewusstseins und der ethischen Haltung beitragen. Dadurch verschliessen sei sich mehr und mehr für die Inspiration durch die 'neun Chöre der Engel', die als Angeloi, Archangeloi und Archai, als Exusiai (Elohim), Dynameis und Kyriotes, und als Throne, Cherubim und Seraphim zwischen Menschen und der dreifältigen Gottheit wirken (...). Indem wir immer mehr aus unserer Schattenpersönlichkeit heraus denken, fühlen, wollen und handeln, erlauben wir den 'Gegenmächten', dass sie die Wirksamkeit der Angeloi (und der anderen geistigen Begleitwesen) stören und in ihr Gegenteil pervertieren (siehe dazu R. Steiner 1906)." (S. 308) Selbstverständlich ist es Glasls gutes Recht, zu glauben und zu schreiben, was immer seiner Überzeugung entspricht. Dennoch hinterlassen diese Sätze bei mir ein Gefühl des Abschieds: Er scheint mir hier die bisherige gemeinsame (oder als gemeinsam angenommene) Basis zu verlassen und einen Weg einzuschlagen, auf dem ich ihm nicht folgen kann und will.
Im dritten Teil "Strategie der Konfliktbehandlung" dann wieder "Glasl at his best": Der präzise Vordenker, der zugleich ein exzellentes Gespür für zwischenmenschliche Dinge hat und dies überdies auch noch sehr präzise zu formulieren vermag. Im 11. Kapitel behandelt er "Interventionstechniken der Konfliktbehandlung" und warnt zunächst vor Universalrezepten: "Gerade weil keine Methode immer und überall undifferenziert anwendbar ist, haben wir im Diagnoseteil versucht, situative Indikatoren für Interventionen anzugeben. Mit ihrer Hilfe können wir einigermassen abschätzen, welche Interventionen welche Wirkung haben könnten. Dies ergibt unser Kontingenzmodell der Konfliktintervention, das wir in den weiteren Kapiteln dieses Buchs vorstellen." (S. 313)
In diesem Kapitel gliedert er die Interventionen entlang der "sechs seelischen Faktoren", was zunächst her – auch von der Begrifflichkeit – ungewohnt klingt, sich aber als sehr fruchtbar erweist. Als Ansatzpunkte für Interventionen ergeben sich damit (1) "Perzeptionen", (2) "Gedanken, Vorstellungen, Erinnerungen, Interpretationen", (3) "Gefühle und Einstellungen", (4) "Willensleben (Triebe, Motive, Intentionen)", (5) "Äußeres Verhalten" und (6) "Die Konfliktfolgen". Darin stellt Glasl zahlreiche Interventionen so detailliert vor, dass man damit wirklich etwas anfangen kann, und er erläutert auch, auf welchen Eskalationsstufen und in welchen Phasen der Konfliktberatung sie sinnvoll eingesetzt werden können. Bei anderen Interventionen verweist er leider nur auf die Fachliteratur, und zwar oft auch auf Titel, die längst nicht mehr greifbar sind, was ich etwas frustrierend finde.
Eine andere Perspektive nimmt Kapitel 12 ein: Es stellt "Die fünf Diagnosedimensionen als Ansatzpunkte für Interventionen" vor. Demgemäß ergeben sich "Issue-bezogene Interventionen", "Auf den Konfliktprozess bezogene Interventionen", "Auf die Parteien bezogene Interventionen", "Das Beziehungsfeld zwischen den Parteien als Interventionsfeld" und schließlich "Auf die Grundeinstellungen bezogene Interventionen". Auch hier findet der tapfere Leser eine Fülle von Methoden, Taktiken und Anregungen – so viele, dass ihm zunehmend schwindlig zu werden beginnt und er langsam den Wald vor lauter Bäumen aus den Augen verliert.
Gut also, dass Glasl im 13. Kapitel einige "Allgemeine Prinzipien für Interventionen und Konfliktbehandlung" vorstellt. Im Abschnitt "Polarität und Rhythmus bei der Konfliktbehandlung" führt er zunächst einen Leitgedanken ein: "Eine Interventionsstrategie entsteht aus dem rhythmischen Pendeln zwischen verschiedenen Handlungspolen." (S. 386) Das ist zunächst verblüffend, hat aber viel für sich, denn "Rhythmus ist bei Interventionen in sozialen Organismen immer geboten, damit nicht Einseitigkeit und Erstarrung auftreten." (S. 386) Die Interventionen können auf drei Dimensionen pendeln: zwischen einer speziellen und einer generellen Orientierung, zwischen Konfrontation und Zusammenführen und zwischen Identifizieren und Distanzieren. Konfliktmanagement wird aus dieser Perspektive zur Suche nach der rechten Balance: "Kontraproduktive Wirkungen entstehen, wenn Interventionen in der einen oder anderen Richtung überzogen werden." (S. 390)
Unterschiedliche "Strategiemodelle der Konfliktbehandlung" präsentiert und vergleicht Glasl im 14. Kapitel. Das Spektrum reicht von der Konfliktmoderation und der Prozessbegleitung, die sich beide vor allem für noch nicht allzu hoch (bzw. tief) eskalierte Konflikte eignen, über "Conciliation" und den vieldeutigen Begriff der Mediation bis hin zu Schiedsverfahren und Machteingriffen, welche die letzte(n) Chance(n) für Konflikte darstellen, welche die extremsten Eskalationsstufen erreicht haben. Glasl ordnet diese Strategien nach dem Eskalationsgrad, weil sie in der Tat auf völlig unterschiedliche Konfliktstufen zugeschnitten sind. Im 15. Kapitel stellt er die sieben wichtigsten Strategien dann im Detail vor. Spätestens hier muss wohl dem Letzten deutlich werden, dass einheitliche Rezepturen der Konfliktbehandlung dem Bereich des groben Unfugs zuzuordnen sind. Allerdings bleiben Glasls Darlegungen in diesem Teil etwas abstrakt und abgehoben; ein paar Fallbeispiele hätten den praktischen Nutzen des Buchs hier noch weiter erhöht (allerdings auch seinen Umfang ...).
Um "Phasen der Konfliktbehandlungsstrategien" schließlich geht es im 16. und letzten Kapitel. Ein wenig enttäuschend fand ich, dass Glasl hier nur ein dreiphasiges Modell anbietet, dass mit seiner Einteilung in "Orientierungsphase", "Spezielle Konfliktbehandlungsphase" und "Konsolidierungsphase" an Kurt Lewins abgenudeltes Modell "Unfreezing – Moving – Stabilizing" erinnert, oder auch an den Deutschaufsatz mit "Einleitung – Hauptteil – Schluss". Aber vielleicht ist diese Enttäuschung unangebracht, weil diese Dreigliederung einfach die "natürliche Grundstruktur" aller Interventionen ist, wie ja auch Projekte meist in "Analysephase", "Lösungsfindung" und "Umsetzung" unterteilt werden. Als "Prinzipien für die Gesamtstrategie" nenn Glasl die beschriebene "Pendelbewegung zwischen den polaren Prinzipien", das "Dilemma zwischen Untersuchungen und Eingreifen" sowie zwischen "Kurzfristige(n) und langfristige(n) Maßnahmen", und schließlich das Prinzip der "Konsolidierung durch zyklische Überlappung". Damit ist gemeint, dass spontane Einsichten und gute Vorsätze der Konfliktparteien sich rasch wieder verflüchtigen, wenn sie nicht durch Wiederholungen und Vertiefungen bestätigt und gefestigt werden. Die Beschreibung dieser Phasen auf 21 Seiten empfand ich als sehr wertvoll: Sie vermittelte mir in dem ganzen Buch die klarste Vorstellung, wie Glasls Vorgehen in der Praxis aussieht bzw. wie der zeitliche Ablauf einer Konfliktbehandlung aussehen kann.
In der nur zwei Seiten umfassenden Schlussbemerkung resümiert Glasl, dass Konflikte nicht nur für die Parteien, sondern auch für Konfliktberater eine existenzielle Herausforderung seien: Wir werden durch sie "bis zum Äußersten gefordert, (...) mit all unseren widersprüchlichen Licht- und Schattenseiten konfrontiert" und "in Grenzsituationen" geführt (S. 477). Seinen Ansatz versteht er als "eine praktische Anwendung der Grundhaltung der Gewaltlosigkeit", denn "nur der Ersatz von Gewalthandlungen durch Verfahren, die an Bewusstsein und Ethik appellieren, scheint uns wirklich sinnvoll zu sein, wenn wir aus dem Teufelskreis der Regression und Destruktivität ausbrechen wollen." (S. 478) Das Buch schließt mit einem religiösen Bekenntnis: "So erleiden wir durch intensive Konflikte wahrhaftig einen Sterbe- und Auferstehungsprozess. In ihm können wir erleben, dass Leiden wirklich sinnvoll ist – wenn wir in den dunkelsten Tiefpunkten die Perspektive eines christlichen Menschenverständnisses nicht verlieren." (S. 478) Doch auch wer ihm da nicht folgen will, kann von diesem Werk sehr viel profitieren.
Zum Abschluss eine Art Gebrauchsanweisung für dieses Buch: Wer von "dem Glasl" wirklich profitieren will, muss sich auf ihn einlassen. Glasl ist ein bedächtiger, äußerst sorgfältiger Mensch, der einen scharfen Verstand und einen langen Atem hat und durch die Kombination dieser Fähigkeiten zu ungewöhnlicher Tiefe und Klarheit vordringt. Davon kann man sehr viel profitieren, wenn man sich die Zeit nimmt, ihm auf seinem Weg zu folgen, und sich dafür mit der (dringend) nötigen Ausdauer wappnet. Wer versucht, ihm bzw. seinem Werk im Schnelldurchgang ein Patentrezept zur Konfliktlösung abzutrotzen, möglicherweise mit aktuellem Leidensdruck im Nacken, wird nicht glücklich mit ihm werden, weil sich Glasl solchen Schnellschüssen in jeder Zeile hartnäckig und unerbittlich verweigert. Empfehlenswert ist daher, seinem Gedankenaufbau wirklich zu folgen und zum Beispiel nicht bloß sein Eskalationsmodell herauszupicken, sondern sich durch die Kapitel davor zu ihm hinführen zu lassen. Wenn man so mit diesem Buch umgeht, dann lohnt es sich wegen seiner tiefen Durchdringung der Materie, es mehrfach zu lesen. Mir jedenfalls ging es so, dass ich beim zweiten Durchgang Gedanken entdeckt habe, die mir völlig neu erschienen – und das liegt vermutlich nicht nur daran, dass Glasls Buch "lebt", sondern auch daran, dass der eigene Lernprozess zur Wirkung kommt.
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