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Bilderreiches Lehrbuch nicht nur für Wald- und Naturfreunde

Meister, Georg; Offenberger, Monika (2004):

Die Zeit des Waldes

Bilderreise durch Geschichte und Zukunft unserer Wälder

Zweitausendeins (Frankfurt); 307 S.; 44,90 Euro


Nutzen / Lesbarkeit: 10 / 10

Rezensent: Winfried Berner, 07.01.2007

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Wer im deutschen Wald eine friedliche Idylle sehen will, möge besser die Finger von diesem Buch lassen. Wer nicht nur die Ökologie des Waldes, sondern auch die Interessenpolitik rund um ihn besser verstehen möchte, kann kaum eine bessere Wahl treffen

Uns Deutschen wird ein besonderes – und das heißt wohl: ein besonders emotionales – Verhältnis zum Wald nachgesagt. Und da ist wohl auch etwas dran. Es ist einfach schön, durch den Wald zu streifen, wenn im späten Frühjahr das frische Grün in der Sonne leuchtet, wenn im Hochsommer ein dichter dunkelgrüner Schirm Schatten spendet, wenn sich im Herbst die Blätter bunt färben oder wenn im Winter das wenige Licht durch die kahlen Äste dringt und sich eindrucksvolle Silhouetten gegen den Himmel abzeichnen. Und es freut uns besonders, wenn wir auf unseren Streifzügen einmal ein paar Hasen, Rehe oder einen Fuchs zu Gesicht bekommen.

Trotzdem wissen die meisten Waldliebhaber erstaunlich wenig über ihrem Wald. Wir inhalieren mit der Waldluft seine Ausstrahlung von Ruhe und Natürlichkeit, haben aber im Grunde keine Erklärung dafür, weshalb manche Wälder auf uns faszinierend und lebendig wirken und andere steril und langweilig. Vielleicht erkennen wir in dem einen Fall noch Fichtenmonokulturen und "Streichholzplantagen" und in dem anderen einen irgendwie – irgendwie?! – naturnahen, lebendigen Wald, aber damit haben wir unser Wissen über diesen Lebensraum schon ziemlich ausgeschöpft. Mit diesem Nichtwissen kann man auf zweierlei Arten umgehen: Man kann es sorgfältig vor Fakten schützen, in der dunklen Vorahnung, dass zusätzliche Informationen auch zusätzliche Irritationen bedeuten könnten, und darauf bestehen, den Wald "über die Intuition" zu erfahren (womit die Intuition wieder einmal als wohlfeile Ausrede für Denkverweigerung herhalten muss). Man kann sich aber auch entscheiden, sich ein Stück Sachkunde anzueignen.

Wer für den zweiten Weg ansprechbar ist, der kann kaum einen besseren Lehrmeister finden als "Die Zeit des Waldes". Es dürfte schwierig werden, so viel Kompetenz und Erfahrung ein zweites Mal in so leicht verständlicher und anschaulicher Form aufbereitet zu finden wie in diesem reich bebilderten Band. Seine Autoren verbinden in außergewöhnlicher Weise theoretische und praktische Fachkompetenz: Monika Offenberger ist Biologin und Wissenschaftsautorin; der mittlerweile 77-jährige Dr. Georg Meister einer der profiliertesten deutschen Forstleute, der, selbst aus einer Försterfamilie stammend, lange Jahre Leiter des Forstamts Bad Reichenhall war und sich zugleich einen ausgezeichneten Ruf als weitsichtiger, aber auch streitbarer Forstwissenschaftler erworben hat.

Meister hat eine fotografische Technik entwickelt, die uns Waldlaien Einsichten ermöglicht, die wir uns auch durch noch so sorgfältige Beobachtung kaum selbst erschließen können: Er fotografiert bestimmte markante Plätze im Wald im Abstand von mehreren Jahren oder Jahrzehnten immer wieder und hilft uns durch die Gegenüberstellung dieser Bilder, die Entwicklung des Waldes im Zeitraffer zu erleben. Schon beim ersten Durchsehen der zahlreichen Fotos und beim oberflächlichen Anlesen der Begleittexte kann man kaum verhindern, dass das eigene Wissen über den Wald und seine Ökologie explosionsartig zunimmt. Erst recht, wenn man sich die Zeit nimmt, die gut geschriebenen Texte und die bildlichen und grafischen Illustrationen genauer zu studieren.

Meister und Offenberger beginnen ihr Buch mit einem Blick auf "Natürliche Wälder", das heißt auf Wälder, die keinen allzu starken menschlichen Eingriffen ausgesetzt sind, und sie erklären dort anhand vieler Fotos, wie die Selbstregulation des Ökosystems Wald funktioniert. Dann erläutern sie die "Wälder der Vergangenheit", die unterschiedlichsten menschlichen Eingriffen – von Waldweide über fürstliche Jagdlustbarkeiten und deren Finanzierung aus dem Holzverkauf bis zur Salzgewinnung – ausgesetzt waren, und die "Wälder der Gegenwart", unterteilt in die Epoche vom 18. Jahrhundert bis 1945 und der Zeit vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis heute. "Welche Wälder wollen wir künftigen Generationen übergeben?", fragen sie schließlich und zeigen uns zum Schluss neun Beispiele für "Vorbildliche Wälder".

Es kommt wie es kommen musste: Unser Bild vom Wald ist danach nicht mehr dasselbe wie vorher. Widerwillig müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass der schöne deutsche Wald ein Politikum ist, dem Gezerre unterschiedlicher Interessengruppen ausgesetzt, welche die von Fachkenntnis ungetrübte "Intuition" des Publikums schamlos dazu nutzen, es nach Strich und Faden zu verschaukeln. Holzwirtschaft, Jagdlobby und öffentliche Interessen stehen ebenso wenig im trauten Einklang wie Flora und Fauna des Waldes. Die Holzwirtschaft hat ein Interesse an größtmöglichen Erlöse, und die kommen nicht aus einem artenreichen Wald, sondern dann, wenn der Wald – oder sagen wir besser: die Holzplantage – auf maximalen Ertrag und kostengünstige maschinelle Bearbeitung optimiert ist. Doch nicht nur die Erholungsfunktion des Waldes leidet, wenn der Waldboden von Harvestern zerwühlt ist, sondern zum Beispiel auch seine Fähigkeit, Wasser zu speichern und damit Hochwässer zu entschärfen. Doch was erzählt man der erschrockenen Öffentlichkeit? "Ja, es schaut im Augenblick ein bisserl wüst aus, aber wir räumen das auf, und spätestens in einem halben Jahr sieht man nichts mehr davon!"

Noch schlimmer treibt es die Jagdlobby. Um ein ausreichendes Reservoir für ihre Trophäenjagd zu haben, die seit feudalistischen Zeiten zu den Privilegien der gehobenen Stände zählt, ist sie an möglichst hohen Wildbeständen interessiert. Vor allem beim Rotwild werden daher mit Winterfütterung, systematischem Verfehlen der Abschussziele und der anmaßenden Ideologie der "züchterischen Auslese" viel zu hohe Bestände gehalten, die aus blanker Not alles kahlfressen, was einigermaßen genießbar ist – und auf diese Weise zur existenziellen Bedrohung für die natürliche Verjüngung des Waldes werden. Junge Eichen, Tannen, Ahorne und Buchen werden in diesen überfüllten Wäldern so radikal verbissen, dass sie kaum noch hochkommen; was sich durchsetzen kann, sind Pflanzen, die dem Rotwild nicht schmecken, wie die Fichte und manche Gräser, sowie solche, die sich mit Gift gegen den Verbiss schützen. Es ist schon schmerzlich zu erkennen, dass zum Beispiel der Fingerhut, den man in den letzten Jahren immer häufiger antrifft, seine neue Hochblüte nicht etwa einer Verbesserung der Lebensbedingungen des Waldes verdankt, sondern seinem Gift.

Doch was erzählt man der naiven Öffentlichkeit? Man nutzt die Tatsache, dass gerade die Rehe "Meister im Verstecken" sind, eiskalt dazu aus, uns naiven Waldliebhabern weiszumachen, dass das Rotwild von der Ausrottung bedroht sei. Jagd müsse deshalb in erster Linie Hege bedeuten. Daher müssten die Jäger das Wild füttern, und wir Waldbesucher sollten unbedingt auf den Wegen – oder noch besser ganz zuhause – bleiben, um das bedrohte Wild nicht zu stören. Und wir Naivlinge, die wir es schon immer unfair fanden, dass bewaffnete Männer auf wehrlose Tiere schießen, sind erbaut über so viel "jagdlich praktizierten Naturschutz" und freuen uns wie Kinder, wenn wir mal das Glück haben, ein Rudel Rehe oder gar Hirsche zu sehen. Was uns natürlich nicht auffällt, sind die unzähligen verkrüppelten oder abgestorbenen Bäumchen, noch weniger die zahllosen ratzekahl weggefressenen Waldpflanzen, die sich im Verdauungstrakt der süßen Rehlein befinden. Da die Jagdlobby aber fest in Behörden, Parlamenten und Chefredaktionen verankert ist, gibt es außer ein paar "unbelehrbaren" Naturschützern niemanden, der sich dieser spätfeudalistischen Ausbeutung des Waldes durch mächtige Minderheiten in den Weg stellt.

Es mag ein Schock für unsere romantischen Vorstellungen von der Waldidylle sein, dass die Tiere und Pflanzen des Waldes keineswegs in friedlicher Eintracht miteinander leben, sondern in erbarmungsloser Konkurrenz stehen. Der eigentliche Schock aber ist es zu erkennen, dass in unseren Wäldern alles herrscht, nur kein ökologisches Gleichgewicht: Die Waagschalen, die sich unter ungestörten Bedingungen durchaus zwischen Wald und Wild einpendeln würden, können sich nicht frei bewegen, weil wir zum einen die natürlichen Feinde des Rotwilds weitgehend ausgerottet haben und weil zum anderen die Jagdlobby mit ihrem schweren Stiefel die eine Waagschale nach unten drückt. Und ein noch größerer Schock wäre es wohl, wenn uns der Preis dieser einseitigen "Wald-Wirtschaft" bewusst würde: Dass wir das Hobby einiger Privilegierter mit Milliardensummen an Steuergeldern subventionieren – zum Beispiel durch Lawinenverbauungen in den Alpen und durch aufwändigen "technischen Hochwasserschutz" an unseren Flüssen. So betrachtet, ist es vielleicht doch ein Fehler, sich beim Anblick des Waldes allein auf seine Intuition zu verlassen ...

Schlagworte:
Wald, Ökologie, Naturschutz

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