Das "kleine Handbuch" stellt nach einer kurzen Einführung 20 didaktische Modelle (oder Formate oder Lehrmethoden) übersichtlich, transparent und kenntnisreich vor. Leider fehlt ein Indikationswegweiser, welche Methoden sich für welche Zwecke eignen.
Wer immer wieder vor der Aufgabe steht, Wissen, Fähigkeiten und Überzeugungen zu vermitteln, steht damit auch immer wieder vor der Frage nach der optimalen Didaktik. Sicher, man hat im Laufe der Jahre ein Stück professionelle Routine entwickelt: Vortrag, Diskussion, Gruppenarbeit, Fallstudien ... – aber zuweilen fragt man sich doch, ob es nicht bessere, wirksamere und effizientere Möglichkeiten gäbe, die jeweiligen kognitiven, affektiven und operativen Lernziele zu erreichen. Da verspricht das "Handbuch didaktischer Modelle" Rat, dem neckisch und diagonal das Wörtchen "Kleines" vorangestellt ist. Immerhin stammt es von einem ausgewiesenen Experten der Disziplin.
Autor Karl-Heinz Flechsig, Jahrgang 1932, war Vorstand des Instituts für Interkulturelle Didaktik der Universität Göttingen, spezialisiert auf allgemeine und interkulturelle Didaktik, Hochschuldidaktik, Weiterbildung und Unterrichtstechnologie – ein erfahrener, in der Wolle gefärbter Didaktiker also. In seiner Einführung plädiert er nachdrücklich für didaktische Vielfalt, und zwar aus vier Gründen: Weil Menschen unterschiedliche Lernstile haben, weil sich Lernmethoden und Lerninteressen unterscheiden, weil es um unterschiedliche Kompetenzen und Wissensgebiete geht, und "wegen der Unterschiedlichkeit der Kontexte, in denen organisiertes Lernen stattfindet." (S. 5)
Den Hauptteil des Buches bildet dann die "Beschreibung der 20 didaktischen Modelle". Sie sind, was ich nicht besonders überzeugend finde, alphabethisch geordnet und umfassen folgende Methoden: - Arbeitsunterricht
- Disputation
- Erkundung
- Fallmethode
- Famulatur
- Fernunterricht
- Frontalunterricht
- Individualisierter Programmierter Unterricht
- Individueller Lernplatz
- Kleingruppen-Lerngespräch
- Lernausstellung
- Lerndialog
- Lernkabinett
- Lernkonferenz
- Lernnetzwerk
- Lernprojekt
- Simulation
- Tutorium
- Vorlesung
- Werkstattseminar
Wer die Auflistung aufmerksam liest, wird sich fragen, ob nicht manche der aufgeführten Modelle Varianten eines gemeinsamen Basisformats sind, ob nicht zum Beispiel die Vorlesung nur eine über den Lernkontext Hochschule abgegrenzte Variante des Frontalunterrichts darstellt. Auch ansonsten finde ich die schlichte Aneinanderreihung der 20 Methoden nicht der Weisheit letzten Schluss, vermittelt sie doch weder Hinweise zu Ähnlichkeiten und Unterschieden noch zu den Indikationsgebieten. Mir kommt das vor, wie wenn man 20 Medikamente in alphabethischer Ordnung auflistete, es aber dem Studium der einzelnen Beipackzettel überließe, herauszufinden, für welche Krankheiten sie eigentlich einsetzbar sind. Ich kann nicht leugnen, dass dies mein Vorurteil bekräftigt, wonach Pädagogen nicht dazu neigen, sich festzulegen – oder allenfalls im negativen Sinne, wie dass sich nichts Allgemeinverbindliches sagen ließe und dass es "selbstverständlich" keine Patentrezepte gebe.
Die einzelnen Methoden (oder didaktischen Modelle) sind dann aber detailliert erläutert, wenn auch weiterhin ohne direkte Aussage zu Indikationen und Kontraindikationen. Flechsig folgt dabei einer einheitlichen Systematik, indem er jeweils folgende Aspekte abhandelt: - Kurzbeschreibung
- Andere Bezeichnungen (auf Deutsch, Englisch, Französisch und Spanisch)
- Varianten
- Didaktische Prinzipien
- Lernumgebungen
- Lernaufgaben
- Kompetenzen
- Gliederung nach Phasen
- Rolle der Lerner
- Rolle der Lernhelfer
- Institutionelle Kontexte
- Wissensbereiche
- Zielgruppen
- Einbettung in Lehrgänge (Programme)
- Varianten
- Literaturhinweise
- Referenzen
Diese einheitliche Aufbereitung mag man ein wenig formalistisch finden; sie hat aber den Vorteil, dass all diese Aspekte tatsächlich bei allen didaktischen Modellen abgedeckt werden, sodass man bei Bedarf Quervergleiche ziehen kann. Und Flechsig entbürokratisiert seine strenge Systematik, indem er dort, wo es zu einem Aspekt nicht viel zu sagen gibt, auch nur drei oder fünf Zeilen dazu schreibt. Seine langjährige Erfahrung, die sich auch in dem "Göttinger Katalog didaktischer Modelle" (1983) niedergeschlagen hat, wird aus den Literaturhinweisen deutlich, die pro Methode zwei bis vier Seiten füllen und damit umfangreicher sind als anderenorts bei ganzen Büchern. Manche der aufgeführten Titel sind zusätzlich mit kurzen Inhaltsangaben erläutert.
Die praktische Brauchbarkeit des "kleinen Handbuchs" ist allerdings dadurch eingeschränkt, dass Flechsig in erster Linie Schule, Hochschule und andere Formen der Erstausbildung im Blick zu haben scheint. Dass auch und gerade die Fort- und Weiterbildung von Erwachsenen große didaktische Herausforderungen aufwirft und dass dies wenigstens zum Teil andere Herausforderungen sind als in Schule und Hochschule, das stellt der Didaktik-Professor zwar nicht in Abrede, aber es schlägt sich in seinen Ausführungen kaum nieder. Wie fern ihm die Berufswelt außerhalb der Universität ist, wird in unfreiwilliger Komik deutlich, wenn er als begriffliche Alternative zu "Werkstattseminar" den Begriff Workshop anbietet und erläutert: "Der Begriff 'Workshop' ist vor allem im Bereich der Künste populär, wo beispielsweise von 'Jazz-Workshops' oder 'Tanz-Workshops' die Rede ist. Er wurde von da aus auch in den Bildungsbereich, vor allem in die Erwachsenenbildung übernommen, wo er sich auf Bildungsveranstaltungen bezieht, die sich darum bemühen, den Charakter von Schulunterricht zu vermeiden." (S. 245) Doch einen Satz später ist er schon wieder in der Schule: "Nichtsdestoweniger ist von 'Werkstatt' in Zusammenhang mit schulischem Lernen bereist in der Ersten Pädagogischen Reformbewegung die Rede ..." (S. 245)
Alles in allem ist dieses "Kleine Handbuch" wegen der starken Schulverhaftung weniger für den Praktiker geeignet, der seine Seminare oder Schulungen durch mehr didaktische Vielfalt bereichern möchte, sondern eher für den experimentierfreudigen Didaktiker, der Anregungen aus Quellen sucht, die in der beruflichen Weiterbildung weniger im Blickfeld liegen. Ihm bietet dieses mittlerweile vergriffene Buch einen breiten Fundus an Methoden sowie den Zugang zu weiteren Quellen.
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