Ein Buch, das gerade wegen seiner unbarmherzigen Konsequenz jeder lesen sollte, der eine Fusion oder Umstrukturierung zu managen hat. Denn die Welt wird nicht besser davon, dass man sich weigert, ihre hässlichen Seiten zur Kenntnis zu nehmen
Wer noch nicht völlig abgebrüht ist, wird bei dem Titel "Capitalize On Merger Chaos" ein leichtes Schaudern empfinden – handelt er doch unverblümt davon, wie man die Probleme anderer zum eigenen Vorteil nutzen kann. Doch wenn es darum geht, den Kapitalismus noch ein Stück härter und konsequenter zu spielen, sind uns die Amerikaner immer noch um ein paar Jahre voraus. Und so lohnt sich eine Vorschau, was als nächste Steigerungsstufe auf uns zukommt.
Der Grundgedanke des Buchs ist einfach und brutal: Fusionen, Integrationsprozesse und Restrukturierungen bringen in der Regel erhebliche Turbulenzen mit sich, nehmen aber in jedem Fall sehr viel Zeit und Energie in Anspruch. Damit sind sie der ideale Zeitpunkt für gezielte strategische Attacken. Ergo verspricht der Untertitel "six ways to profit from competitors' consolidation and your own".
Aufmerksame Leser mögen über das "... and your own" stolpern – denn dass man von der eigenen Konsolidierung profitieren möchte, ist ja nicht so außergewöhnlich. Tatsächlich markiert dieser seltsame Nachklapp die zentrale Schwäche des Buches: Grubb und Lamb beschränken sich leider nicht auf das gruselig-spannende Thema, wie man sich die Probleme der Konkurrenz am effizientesten zunutze macht, sondern wollen zudem noch einen Fusions- und Strategie-Ratgeber bieten. Das führt zu einer Verwässerung, denn natürlich können die 28 Seiten des Kapitels "Implementing Fast-Track Combination", auch wenn es viele sinnvolle Empfehlungen enthält, keine befriedigende Grundlage für das Management einer Post-Merger-Integration liefern.
Nur drei der sechs Strategien befassen sich tatsächlich damit, wie man von der Konsolidierung von Wettbewerbern profitieren kann. Streng genommen sind es ohnehin nur fünf Strategien, denn die sechste, überschrieben "Composite Strategies to Match Your Complex Competitive Environment", besteht eigentlich nur aus dem auf 24 Seiten wort- und beispielreich ausgebreiteten Hinweis, dass in der heutigen Zeit eine einzige Strategie nicht ausreiche, um im Wettbewerb zu bestehen. In diesem schwächsten Kapitel verlieren die Autoren endgültig den zu Beginn des Buchs so klaren Fokus auf die Chancen, die sich aus Fusionen und Umstrukturierungen ergeben.
Die drei konsolidierungsbezogenen Strategien aber haben es in sich. Es beginnt mit "Create A Magnet Strategy", was eine nette Umschreibung für die gezielte Abwerbung von Leistungsträgern ist. Aus der Tatsache, dass eine Fusion oder Umstrukturierung große Verunsi-cherung bei den Mitarbeitern und Führungskräften aller Ebenen auslöst, leiten Grubb und Lamb konsequent ab, dass man in dieser Situation die besten Leute zu günstigen Preisen einkaufen kann. Man muss ihnen nur die Sicherheit und Wertschätzung bieten, die sie im eigenen Unternehmen vermissen. Praktisch funktioniert das so, dass man möglichst rasch einen Top Manager des übernommenen Unternehmens an Land zieht – was nicht schwierig ist, weil in aller Regel einige sehr rasch den "goldenen Handschlag" bekommen. Diese Personen wird dann in brutaler Konsequenz der Brückenkopf zu den besten Mitarbeitern der Konkurrenz – kostspielige Einschaltung von Headhuntern überflüssig. Wobei es nach Grubb und Lamb besonders effizient ist, gleich ganze Teams abzuwerben, weil einem das noch größeren Nutzen bringt – und dem Wettbewerber am meisten schadet.
"Attack When Competitors Are Distracted", heißt frei nach Clausewitz die zweite Strategie, die nach Art amerikanischer Fachbücher reichlich mit Fallbeispielen hinterlegt ist. "Jump Start Vital Internal Change" ist die dritte, in der es darum geht, die Fusion der Konkurrenten als dramaturgisches Instrument zu nutzen, um im eigenen Haus Handlungsdruck auszulösen und so die Bereitschaft zu grundlegenden Veränderungen zu schaffen. Beinahe zahm, aber aus strategischer Perspektive ausgesprochen interessant sind die "Key Merger Alternatives", die im folgenden Kapitel behandelt werden. Dabei geht es im Kern darum, wie man durch strategische Allianzen, Joint Ventures, Franchisesysteme und Lizenzen die Vorteile von Fusionen ernten kann, ohne den Preis ihrer Nachteile zahlen zu müssen.
Ein umfangreicher Anhang mit statistischen Daten, einigen detaillierten Fallstudien sowie zwei weiteren interessanten Artikeln ("Forces Driving Merger Waves" und "Traditional Wisdom Traps") ergänzen das Buch.
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