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Leider nicht das erhoffte Standardwerk über Ermutigende Führung

Dinkmeyer, Don; Eckstein, Daniel (1996):

Leadership by Encouragement



CRC Press (Boca Raton, London, Washington); 245 S.; 49,99 Euro


Nutzen / Lesbarkeit: 5 / 7

Rezensent: Winfried Berner, 27.11.2008

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Bislang ist kaum versucht worden, das wertvolle individualpsychologische Konzept der Ermutigung aus der Erziehung ins Management zu übertragen. Umso bedauerlicher, dass dieser Versuch trotz bester Voraussetzungen als Fehlschlag gewertet werden muss.

Schade: Eigentlich wäre das Konzept der Ermutigung die wichtigste und wertvollste Anregung, die die Individualpsychologie zum Thema Führung zu geben hat. Doch in diesem Buch ist das spezifisch Individualpsychologische bis zur Unkenntlichkeit verwässert, weil es die Autoren für nötig fanden, allen möglichen Management-Methoden, HR-Glaubenssätzen und populärpsychologischen Konzepten ihre Referenz zu erweisen. Dabei weckt der Name Don Dinkmeyer hohe Erwartungen: Ein Autor gleichen Namens war Koautor von Rudolf Dreikurs' schon 1963 erschienenen, aber auch heute noch unübertroffenen Erziehungsratgeber "Ermutigung als Lernhilfe", der das Konzept der Ermutigung in Erziehung und Schule glasklar herausarbeitet und den man ebenso gut auch als Führungsratgeber lesen kann (siehe Rezension). Aber vermutlich ist der Erstautor dieses immerhin 33 Jahre später erschienenen Buches nicht identisch, sondern nur namensgleich mit dem Koautor von Rudolf Dreikurs. Was natürlich nicht gegen ihn spricht, aber bereits ahnen lässt, dass aus einer falschen Vermutung entspringenden hohen Erwartungen sich möglicherweise nicht erfüllen werden.

Das Inhaltsverzeichnis liest sich zunächst so, als hätte man endlich das dringend benötigte Lehr- und Arbeitsbuch über Ermutigende Führung gefunden:
 
  1. The Psychology of Encouragement
  2. A Philosophy of Leadership
  3. The Psychology of People at Work
  4. Improving Leadership and Management Performance
  5. Leaders as Encouragers and Motivators
  6. Encouragement Training
  7. Participative Management as Encouragement
  8. Building Encouraging Organizations
Dazu ein umfangreicher Anhang mit zahlreichen handfesten ("hands-on and very practical") Arbeitsmaterialien – was könnte man noch mehr wollen?!
 
Die Enttäuschung kommt beim Lesen. Statt beherzt Flagge zu zeigen und den Lesern möglichst klar und nachvollziehbar zu präsentieren, was die Individualpsychologie zum Thema Menschenführung zu sagen hat – denn das wäre eine ganze Menge –, verlieren sich die Autoren in einem bunten Potpourri aller möglichen Gedanken, Konzepte und Ideen aus dem Großraum der Humanistischen Psychologie, die man so oder so ähnlich schon Dutzende Male gelesen hat, samt gelegentlicher Anleihen bei Management-Gurus wie Henry Ford, Peter Drucker und Tom Peters, die allzu oft als spätscholastische Autoritätsbeweise dort herhalten müssen, wo Autoren der Überzeugungskraft ihrer eigenen Ausführungen nicht so recht zu trauen scheinen. Das Resultat ist eine gewisse Beliebigkeit: Leider kein Buch, das den Mut beweist, einen eigenen Weg zu gehen und den Lesern eine klare Orientierung zu bieten, anhand derer sie ihre bisherige Sichtweise überprüfen könnten, sondern eine Ansammlung eingängiger, relativ kleinteiliger "Konzeptschnipsel", aus denen nur gelegentlich die Individualpsychologie hervorblitzt – und von denen man die meisten schon ein paar Seiten später wieder vergessen hat.
 
Das heißt nicht, dass dieses Buch völlig unbrauchbar ist. Einzelne Kapitel und Abschnitte sind recht gut gelungen, etwa wenn Dinkmeyer und Eckstein im dritten Kapitel "The Psychology of People at Work" darstellen. Unter dem etwas platten Akronym "SUPER Leadership" erläutern sie da fünf zentrale Gedanken der Individualpsychologie: "Social Interest" (dahinter verbirgt sich, dass der Mensch ein soziales Wesen ist und daher in seinem gesamten Denken und Handeln nur in seinem Bezug auf andere Menschen zu verstehen ist); "Unity" (die Einheit und Ganzheitlichkeit der Persönlichkeit über alle Lebensbereiche und -situationen hinweg); "Private Logic" (unser subjektives Bild von der Welt, anderen Menschen und uns selbst, das die Grundlage all unseres Handelns ist); "Equality" (die Gleichwertigkeit aller Menschen) und "Reasons" (die akronymbedingt misslungene Umschreibung des Konzepts der Finalität, die allerdings in der Erläuterung ein bisschen wegrutscht zu einer Wiederholung der privaten Logik).
 
Auch in den Kapiteln 5 "Leaders as Encouragers and Motivators" sowie 8 "Building Encouraging Organizations" schimmert durch, was dieses Buch hätte sein können, wenn die Autoren den Mut besessen hätten, sich klar zu einem individualpsychologischen Konzept von Führung zu bekennen. Etwa wenn sie sich auf Seite 144 mit "self-defeating beliefs and behaviors" auseinandersetzen und sie als wichtige Herausforderung für eine ermutigende Führung herausstellen: "The encouraging leader recognizes any effort on the part of discouraged employees to change. The effort itself represents movement and progress. The encouraging leader needs to be there at the moment of effort, observe it, recognize it, and verbalize it. When discouraged workers have encouraging leaders who believe in them, recognize their progress, and do not judge them, they are more likely to take risks and eventually take effective action." (S. 144) An solchen Stellen merkt man, dass Dinkmeyer und Eckstein sehr wohl etwas von der Sache verstehen – und bedauert umso mehr, wenn sie kurz danach wieder in eine Sprache zurückzufallen, in der man nur das Buzzword "encouraging" gegen ein anderes austauschen müsste, um den Text für jede beliebige Managementmode verwenden zu können: "An encouraging organization does not happen by chance. It is the result of clear objectives, planning, and a philosophy of getting maximum involvement from people through positive managerial attitudes. Consistent encouragement begins with the top executive" … (S. 145)
 
Was soll der Leser etwa damit anfangen, wenn die Autoren im 2. Kapitel "A Philosophy of Leadership" erst (sehr) kurz über "The Psychology of Encouragement" reden (S. 42), dann zwei Fallstudien bringen, bei denen (wenigstens mir) nicht so recht klar wird, was sie eigentlich exemplifizieren sollen (S. 43 – 47), wenn sie dann aus "The Entrepreneur's Handbook" von Richard Buskirk 13 (durchaus kluge und bedenkenswerte) "specific entrepreneurial traits" zitieren (S. 47 – 52), um von dort weiterzustolpern zu "Early Efforts to Humanize Business" (S. 52f.) und "Five Trends for the Millennium" (S. 53 – 65)? Daran fügen sie kurz vor Schluss des Kapitels noch eine knappe Seite an mit "A Leadership by Encouragement Social Skills Approach" – ein roter Faden ist da für mich nicht zu erkennen. Eine ungeordnete Aneinanderreihung mehr oder weniger interessanter Einzelgedanken findet man aber in jeder Managementzeitschrift; dafür muss man kein Fachbuch lesen.
 
Und so bleibt am Schluss vor allem Bedauern über eine verpasste Gelegenheit. Denn ermutigende Führung braucht die Welt in diesen Zeiten dringender denn je, und ein gutes Lehr- und Lernbuch hierüber wäre daher hochwillkommen. Aber dieses Buch erfüllt die Mindestanforderungen leider nicht. Da es das Besondere, was uns die Individualpsychologie zum Thema Führung zu sagen hätte, in unverständlicher Schamhaftigkeit unter einem ungeordneten Schutthaufen eklektisch zusammengeklaubter Konzeptfragmente versteckt, wird es wohl zu Recht in dem großen Stapel belangloser Führungsliteratur verschwinden.

Schlagworte:
Führung, Ermutigung, Ermutigende Führung, Psychologie, Individualpsychologie

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