Tiefe Einblicke in die Persönlichkeitsstrukturen sowie die Denk- und Lebenswelten von Top Managern verspricht dieses Buch einer namhaften Wirtschaftsjournalistin. Doch es bedient eher eine voyeuristische Neugier als wirkliche Erkenntnisse zu liefern.
Was sind das eigentlich für Menschen, die an der Spitze von Großunternehmen stehen? Der Umschlagtext lässt sensationelle Einblicke erhoffen: "VORHANG AUF! Betreten Sie die feinste aller Unternehmensetagen, die mächtigste, die schwierigste, die empfindlichste. Die Freimaurerloge der Wirtschaft. BÜHNE FREI! Für die Insidergeschichten, die Marotten und Skurrilitäten, die Leiden und Leidenschaften, die Logik derer, die über Hunderttausende von Mitarbeitern bestimmen. Eine KLASSE! Für sich lüftet ihren Mantel und enthüllt die WUNDERSAME WELT DER MANAGER. Ein Buch wie dieses gab es noch nie." Glücklicherweise ist das Buch nicht so einfältig wie der Werbetext. Und dennoch: Überzeugt hat es mich nicht.
Dabei kann man Dagmar Deckstein, der Stuttgarter Wirtschaftskorrespondentin der Süddeutschen Zeitung und "Grande Dame des deutschen Wirtschaftsjournalismus" (Umschlag) nicht einmal vorwerfen, dass sie dieses Versprechen nicht einlöst. Doch ihr Text ist im doppelten Sinne allzu journalistisch: Flüssig geschrieben, anschaulich, anekdotenreich – aber halt auch recht oberflächlich. Was fehlt, ist eine tiefere Reflexion der wiederkehrenden Muster und ihrer Konsequenzen für die Unternehmen selbst und für die Gesellschaft.
Das Buch besteht aus insgesamt 14 Interview-Berichten, davon 7 mit Top Managern und 7 mit deren professionellen Dienstleistern – vom Coach über Berater bis zum Headhunter –, sowie einer (zu) ausführlichen Einleitung und einem zeitgeistigen, aber mäßig erhellenden Nachwort mit der gestelzten Überschrift "Eine Klasse (an und) für sich – oder: Für ein neues KLASSE-Bewusstsein der Manager". Darin richtet Deckstein ziemlich empathiefrei über ihre Gesprächspartner: "KLASSE? Eine Klasse für sich ist sie schon, diese Topmanager-Welt. Aber so richtig 'klasse' können wir vieles, was wir auf der Reise an Eindrücken und Einsichten zusammengebracht haben, nun auch nicht finden. Schlaflose Millionäre, die von der Sorge um ihr Geld umgetrieben werden. Kasinospieler, die waghalsige Risiken eingehen, um Renditen und den eigenen Bonus in die Höhe zu treiben. Von Ängsten und Zweifeln Geplagte, die soeben ihren Spitzenjob verloren haben und sich beim Headhunter und/oder Coach ausweinen. Narzissten, die ihre eigene Bedeutung und Selbstachtung mit ihrer Rolle als Unternehmensführer verwechseln. Autisten, die den Kontakt zum niedrigen Unternehmensvolk schon längst verloren haben und ihre Kunden nur noch vom Hörensagen kennen." (S. 207)
Ihre etwas flache Conclusio: "Die Interviews in diesem Buch geben genügend Hinweise darauf, dass sich diese Manager ihren schlechten Ruf nicht von ungefähr und vollkommen unschuldig eingehandelt haben. Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert. Oder eben genau das am Ende doch nicht mehr." (S. 212) Ich rätsle noch, was uns die "Grande Dame" damit eigentlich sagen will. Ähnlich halbgar ist auch ihre von zwei Harvard-Professoren entlehnte Idee eines "hippokratischen Eids" für Manager. Das ist etwa so erfolgversprechend wie die Hoffnung, Doping über Selbstverpflichtungserklärungen zu überwinden. Solch ein Denken trägt zur Entstehung von Krisen bei, nicht zu deren Prävention. Denn strukturelle Probleme werden durch moralische Appelle eher verschleiert als gelöst. Die weitaus bessere Alternative zu diesem Buch bleibt in meinen Augen Michael Maccobys 2000 erschienener HBR-Artikel "Narcissistic Leaders".
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