Eine echte Zumutung: Das Buch konfrontiert uns mit der Möglichkeit, dass unsere komfortable, auf unzählige technische Systeme gestützte Lebensform zerbrechlicher sein könnte als wir glauben – und wirft so die Frage nach einem persönlichen Plan B auf.
Nach der Lektüre dieses gut 300 Seiten langen "Vorstadt-Überlebensführers" fragt man sich beinahe zwangsläufig, ob der Autor paranoid ist – oder man selber nicht paranoid genug. Ich wollte, die Frage wäre erstens leichter und zweitens zu Lasten des Autors zu entscheiden. Was die Antwort indes schwierig macht, ist, dass die weitere Entwicklung unserer Lebensbedingungen schwer einzuschätzen, geschweige denn vorherzusagen ist: Derzeit gibt es sowohl hoffnungsvolle Entwicklungen als auch pechschwarze Warnsignale. Dazu zählt nicht nur die dramatische Verschuldung vieler Staaten, sondern auch das Zuneigegehen der Ölreserven und der Klimawandel, die zu schwerwiegenden Störungen in der Energie- und Nahrungsmittelversorgung führen könnten. Nimmt man das noch zusammen mit Terrorismus (objektiv eine bislang vergleichsweise geringe Gefahr), Pandemien, Nuklear-, Chemie- und Naturkatastrophen, hat man ungefähr das Gebräu an Bedrohungen, das den Autor dazu veranlasst, private Krisenvorsorge zum Thema zu machen.
Wenn es schon schwierig ist, die Folgen einzelner Entwicklungen – von Staatsverschuldung bis Klimawandel – abzuschätzen, so stoßen wir erst recht an unsere Grenzen, wenn es darum geht, deren Wechselwirkungen vorherzusehen. Das Klügste ist daher wohl, Prognosen für die kommende Dekade noch um zehn Jahre zu verschieben: Dann wird es ein Leichtes sein, die bis dahin eingetretenen Ereignisse für vorhersehbar zu erklären und – im Sinne von Talebs "Schwarzem Schwan" – gleich noch eine logische Erklärung mitzuliefern, warum es genau so kommen musste und gar nicht anders kommen konnte.
Es wäre einfach, dieses Buch mit überlegenem Lächeln als alarmistisch abzutun – schon der Titel böte Stoff für allerlei spöttische Bemerkungen, und spätestens die Empfehlung im letzten Kapitel, immer ein gepacktes "Bug-Out Bag" bereitzuhalten, also das Fluchtgepäck für eine überraschend notwendig werdende Evakuierung, oder am besten gleich zwei, nämlich eines fürs Auto und eines für zuhause, ist eine Steilvorlage für einige sehr sarkastische Kommentare. Doch eine solche Überlegenheitspose wäre hohl – letztlich nur die wohlfeile Verbrüderung mit jenen Lesern, die genug von all dem "Krisengerede" haben, und das Festklammern an einen Zukunftsglauben, der weniger auf Fakten gegründet ist als auch einer trotzigen Verlängerung der guten Vergangenheit in eine gefälligst eben so gut zu sein habende Zukunft.
Wer sich und seine Leser indes nicht mit dem rheinischen Leitsatz "Es ist noch immer gut gegangen!" beruhigen will, kommt kaum um das Eingeständnis herum: Die Welt ist durch das Zusammentreffen von ökonomischen, sozialen und ökologischen Krisen weniger berechenbar geworden – oder vielleicht ist ihre Unberechenbarkeit auch nur klarer sichtbar geworden. Während wir vor fünf oder zehn Jahren noch glauben durften, die Zukunft werde nur eine behutsam modernisierte Fortschreibung unserer Gegenwart sein, sind solche Erwartungen heute in Frage gestellt; wir wissen nicht wirklich, was kommen wird – ob alles wieder gut wird oder ob wir tatsächlich schwierigen Zeiten entgegengehen.
Wenn wir uns aber eingestehen, dass wir auch nicht besser als der Autor dieses Buches wissen, was die Zukunft bringen wird, dann ist es gar nicht mehr so lächerlich, sich auch einmal mit unerfreulichen Szenarien zu beschäftigen. Gemäß dem bewährten Grundsatz, den schlimmsten denkbaren Fall als reale Möglichkeit zu akzeptieren, kann es dann sogar entlastend sein, über mögliche Katastrophen nicht in schlaflosen Stunden zu grübeln, sondern sie in aller Ruhe zu durchdenken, um dann zu entscheiden, welche davon realistisch genug erscheinen, um sich ernsthaft auf sie vorzubereiten, und welche man – wenigstens bis auf Weiteres – nicht für so wahrscheinlich hält, dass sie den finanziellen und emotionalen Aufwand einer Vorbereitung wert sind. Wer so an die Sache herangeht, für den kann dieses Buch von einigem Nutzen sein, weil sein Autor zahlreiche dieser Szenarien bereits im Detail durchdacht hat. Und weil er gar nicht mit dem Anspruch an die Sache herangeht, dass diese Entwicklungen zwingend kommen werden, sondern nur, dass sie unter ungünstigen Umständen eintreten könnten. Genau wie es für Unternehmen sinnvoll ist, einen Krisenplan zu haben, auch wenn keineswegs sicher ist, ob überhaupt eine Krise kommen wird, ist es auch für Privatleute sinnvoll, einmal durchdacht zu haben, was auf sie zukommen könnte, und für die realistischsten Szenarien Vorkehrungen zu treffen.
Autor Sean Brodrick ist Mitarbeiter von Weiss Research, einer wertkonservativen, staatskritischen Vermögensberatung, der sich vor allem an die wohlhabende amerikanische "Middle Class" wendet und die in dem Spannungsfeld von Wall Street und Main Street eindeutig auf Seiten der Leute steht, die durch harte, ehrliche Arbeit ihr Geld verdienen und nicht durch waghalsige Finanztransaktionen. Martin D. Weiss, der auch ein Vorwort zu diesem Buch beisteuerte, und seine Mitarbeiter und Klienten sehen durch die ausufernde Staatsverschuldung den Wert des Dollar bedroht – und damit die Stabilität der amerikanischen Gesellschaft sowie den Erhalt ihres Vermögens bzw. ihrer Alterssicherung. Es hat also durchaus seine Folgerichtigkeit, wenn sich einer aus diesem Stall, nämlich ihr Spezialist für Small Caps und Natural Resources, sich möglichen Verschärfungen der Finanz-, Staats- und Umweltkrise zuwendet, ihre möglichen Konsequenzen ausleuchtet und Empfehlungen zur persönlichen Krisenvorbereitung gibt.
Brodricks Buch besteht aus fünf Teilen mit insgesamt 14 Kapiteln. Das kurze erste lehnt sich an das Akronym TETWAWKI an, das irreführend aztekisch klingt, in Wirklichkeit aber für "The End of the World As We Know It" steht. Darin erläutert er auf 14 Seiten, weshalb es aus seiner Sicht gute Gründe gibt, sich auf den Fall WTSHTF vorzubereiten: "When the Shit Hits the Fan". ("Fan" heißt Ventilator; "Shit" ist, amerikanisch-korrekt, im Original "s..t" geschrieben, was den derben Scherz offenbar salonfähig macht – seltsames Land …) Die Gefahren, die er darin aufzeigt, sind dramatisch, aber keineswegs abwegig. Am Beispiel des Hurrikans Katrina führt er vor, wie schnell unsere wohlgeordnete Infrastruktur an den Rand des Zusammenbruchs und darüber hinaus geraten kann.
Im zweiten Teil geht es um "Money – Personal Finance, Cash, and Precious Metals". Darin rät Brodrick zunächst mit drastischen Worten, als ersten Schritt der Krisenvorbereitung die eigenen Finanzen in Ordnung zu bringen. Auch wenn viele seiner Hinweise auf amerikanische Verhältnisse zugeschnitten sind, schadet es auch Europäern nicht, sie zu überfliegen. Im folgenden Kapitel "Gold, Hard Assets, and Alternative Currencies" geht es unter anderem um die Frage "What to Use As Money When the Dollar Loses Its Value". Brodrick diskutiert verschiedene Möglichkeiten samt ihrer Vor- und Nachteile, von "Local Paper Currencies" bis "Candy Bars, Gum, Deodorant, Razors, and Other Small Items". Den Abschluss bildet eine Hundert-Punkte-Liste von Waren, die sich zum Tauschen eignen. Allein der Gedanke an solche Ersatzwährungen lässt Beklemmung aufkommen.
Ein umfangreiches Kapitel "Investing for the Five Emergencies" rundet den zweiten Teil ab. Das sind Energie, Wasser, Nahrungsmittel und Klima – sowie als fünfter Notfall Geld bzw. Verschuldung. Sehr amerikanisch erkennt Brodrick in diesen Notständen zugleich "Potential Profit Bonanzas". Sie liegen in einer Renaissance der produzierenden Industrie (zum Beispiel im Bereich der erneuerbaren Energien), einer Revolutionierung des Transportwesens, die den drastisch steigenden Energiepreisen Rechnung trägt, sowie in der Transformation Asiens vom Produzenten zum Konsumenten. An diesem Punkt unterbricht Brodrick die Krisenprävention für ausführliche Investitionsempfehlungen (die durchaus ernstzunehmen sind – immerhin ist der Autor Rohstoffexperte!).
Ab dem dritten Teil "Be Prepared–-Grub [Fressalien] and Gear" geht es dann wirklich ans Eingemachte: Um Wasserbevorratung, um "Food Storage for Couch Potatoes" sowie um "Smart Shopping – How to Plan Ahead for Next Weak's Meal (and Save Significant Money)". Spätestens hier beginnt man zu ahnen, dass nicht erst eine Krise, wie Brodrick sie vor Augen hat, spürbar in die eigenen Lebensgewohnheiten eingreifen könnte, sondern schon die Vorbereitungen darauf. In scheinbarer Unschuld folgt ein Kapitel "Gardening". Doch wer seinen Garten bislang als Hobby betrieben hat, wird darin in die Pflicht zur (teilweisen) Selbstversorgung genommen – und bekommt gleich noch einen zusätzlichen Rempler mit: "How Global Warming Will Effect Your Garden". (Sage keiner, dass die amerikanischen Konservativen nicht auf der Höhe des globalen Krisenbewusstseins wären …)
Auf diese Weise zum Krisengärtner geworden, folgt Teil IV "Health, Home, and Education". Von Gesundheitstipps ("Get in Shape NOW!") über Warnungen vor Pandemien und bestimmten Internet-Apotheken bis hin zu Kräutermedizin und althergebrachte Hausmittel ist hier so ziemlich alles vertreten – nicht unseriös oder sektiererisch, soweit ich das beurteilen kann, aber doch sehr, sehr breit angelegt. Im folgenden Kapitel "Your House, Home Security, and Power" macht Brodrick seinen Lesern zunächst klar, dass sie ihr Haus nicht als spekulatives Investment ansehen sollen, sondern als das, was es primär ist, nämlich ihre Wohnung und ihr Rückzugsraum. Ob das allerdings zur Konsequenz haben muss, das Haus zur einbruchssicheren Festung auszubauen, einen Wachhund anzuschaffen und das Haus mit Fensterläden mit Schießscharten (!) auszustatten, erscheint mir dann doch zweifelhaft, ebenso wie die – klar positiv beantwortete – Frage: "Do You Need A Gun?" Letztlich spiegelt sich hier ein zentraler Dissens zwischen amerikanischem und europäischem Rechtsverständnis: Je weniger die Bürger den staatlichen Institutionen vertrauen, desto naheliegender ist es für sie, ihren Schutz in die eigene Hand zu nehmen – auch wenn damit das Risiko für alle Beteiligten steigt. Der gleichen Logik folgt es, wenn er dazu rät, schon in guten Zeiten Nachbarschaftswachen zu gründen. Allerdings fällt mir hier die Zustimmung leichter, weil zusammenhaltende Sozialverbünde in wirklichen Krisen weitaus bessere Überlebenschancen haben als Einzelkämpfer.
Realistischer als die private Aufrüstung für den Bürgerkrieg oder zur Abwehr marodierender Banden mittels Schrotflinte erscheint mir, was Brodrick danach erläutert: Die Sicherstellung der Grundversorgung für Wasser und Abwasser, eine Notstromversorgung, weil mittlerweile buchstäblich unser gesamtes Leben von der Heizung über das Kochen bis zu Information und Unterhaltung an der Verfügbarkeit elektrischer Energie hängt. Auch hier deckt er ein breites Spektrum ab, von Taschenlampen über alternative Heizsysteme und Energiesparen bis hin zu einer Grundausstattung mit Werkzeug.
Etwas überraschend folgt ein Kapitel "Education and Entertainment". Doch bei genauerem Nachdenken hat Brodrick auch hier vermutlich recht: Sollte eine größere Krise kommen, wird einer ihrer Effekte vermutlich sein, dass wir weit mehr Zeit haben als gewohnt, und zugleich weniger Möglichkeiten, diese Zeit sinnvoll oder doch zumindest ablenkend zu füllen. Also ist es kein Fehler, im Zug einer Krisenvorbereitung auch darüber nachzudenken, was wir mit dieser Zeit anfangen werden. Zwar wird das Fernsehen nach seiner Einschätzung auch in einer Krise funktionieren: "Come hell or high water, TV is one of the things the government will work hardest to make sure Americans have access to. Why? Because TV is the drug of choice in the United States." (S. 253) Doch das alleine wird unsere Zeit nicht ausfüllen, wenn wir über Tage oder Wochen zuhause angebunden sind, besonders wenn das Internet als einer der größten Stromverbraucher des Universums tot sein sollte. Da ist ein Plan für "Education and Entertainment" wohl nicht die schlechteste Idee. (Die gute Nachricht für mich persönlich: Meine Bücherbestände reichen für eine sehr lange Krise …)
Im abschließenden Teil V geht es um "Transportation and Evacuation". Letzteres scheint wieder ziemlich extrem gedacht, doch während ich das schreibe, frage ich mich: Was würden wir hier im Bayerischen Wald machen, wenn das tschechische Atomkraftwerk Temelin – Luftlinie etwa 110 Kilometer – oder auch Isar I bei Landshut – 55 Kilometer, Hauptwindrichtung – eine schwere Havarie hätte? Ist es nicht Leichtsinn, für solche und ähnliche Fälle keinen Plan zu haben? Glücklicherweise ist die Wahrscheinlichkeit (vermutlich) nicht sehr groß, dass dieser Fall zu unseren Lebzeiten eintreten wird, aber wenn er eintreten sollte, heißt es schnell sein. Also sind Brodricks Hinweise zu diesem Thema vielleicht doch weniger alarmistisch als sie auf den ersten Blick scheinen.
Das Kapitel "Transportation" schließlich befasst sich mit einem vergleichsweise undramatischen, aber letztlich noch grundlegenderen Problem: Unsere gesamten Siedlungsstrukturen, wie etwa die großen Entfernungen zwischen Wohnort und Arbeitsplatz, Einkaufs- und Freizeitstätten sind unausgesprochen auf billige Energie gebaut. Ein langsamer Anstieg der Energiepreise wird zu einer allmählichen Verdichtung unserer Siedlungsstrukturen und einer Re-Regionalisierung führen – ein schlagartiger hingegen zu einem Kollaps der bisherigen Strukturen. Also ist es schlüssig, dass Brodrick die Frage stellt: "How Vulnerable Are You?" und "Five Ways to Ease Your Dependency on Oil" vorschlägt. Umweltschützer wird freuen, dass er darin unter anderem öffentliche Verkehrsmittel und – sehr ausführlich – Fahrradfahren vorschlägt. Was letztlich zurückführt zu seiner Empfehlung: "Get in shape!" (Und was am Ende auch dann nicht verkehrt ist, wenn die große Krise ausbleibt.)
|