Eine trotz der komplizierten Materie gut verständliche, schlüssige Einführung in den Sinn und Nutzen regionaler Währungen, die sowohl die konzeptionelle Seite als auch den Prozess der Einführung abdeckt.
Der Gedanke von Regional-, Alternativ- oder, wie der Überbegriff lautet, "Komplementärwährungen" mutet zunächst exotisch, ja geradezu sektiererisch an. Doch die allermeisten von uns sind, ohne dass ihnen das bewusst ist, längst Teilnehmer solcher inoffizieller Währungssysteme: Fast jeder sammelt doch sogenannte "Bonusmeilen" oder "Punkte" von diversen Anbietern (und verwandelt so elegant geschäftliche Kosten in private Kaufkraft). Diese Meilen sind keineswegs bloß Rabatte; im Gegensatz zu Rabatten schaffen sie vielmehr zusätzliche Nachfrage. Sie lassen sich in alles Mögliche eintauschen, und zwar – das ist wichtig – nach den Regeln des Anbieters. Der kann die zusätzliche Nachfrage dorthin lenken, wo sie er braucht, etwa weil seine Flüge, Hotels oder Züge in bestimmten Zeiten eine geringe Auslastung haben. Das macht solche Komplementärwährungen besonders für Anbieter interessant, die niedrige Grenzkosten haben, weil sie dadurch eine zusätzliche Auslastung für Zeiten schwacher Nachfrage generieren. (Wobei interessant wäre zu erfahren, wie stark die "Qualität" der Komplementärwährung selbst zum Wettbewerbsvorteil werden kann – wie viele Reisende zum Beispiel mit Lufthansa statt AirBerlin fliegen, weil erstere das weitaus vielfältigere Bonusprogramm hat.)
Solche kommerziellen Anwendungen sind, wie der Untertitel erkennen lässt, nicht der Fokus dieses Buchs, das sich primär für bürgerschaftliche und regionale Entwicklungen interessiert – aber sie werden darin kompetent und leicht verständlich erklärt, um die Funktionsweise und den Nutzen komplementärer Währungssysteme transparent zu machen. Und in der Tat lässt sich bei der Reflexion des eigenen Verhaltens kaum bezweifeln, dass solche Programme, wenn sie gut gemacht sind, eine Lenkungswirkung haben. Viele Nutzer lassen sich bereitwillig lenken, wenn sie den Eindruck haben, davon einen Nutzen zu haben: Warum nicht die angesparten Meilen für einen spontanen privaten Aufenthalt in einem sympathischen Hotel nutzen, das einem via Promotion nahegebracht wurde? Dass auch der Anbieter einen Nutzen davon hat, dagegen ist ja nichts einzuwenden.
Diese Lenkungswirkung zeigt, dass Geld und Währungen keineswegs so "neutral" sind wie sie nach landläufiger Meinung sind: Sie beeinflussen unser Verhalten. Die gesellschaftspolitische Idee hinter Regionalwährungen ist daher, auf diese Weise die regionale Entwicklung zu fördern und so, wie der Untertitel verspricht, zu "nachhaltigem Wohlstand" in Zeiten der Globalisierung beizutragen. Aber wie lautet eigentlich das Problem, das Regionalwährungen zu lösen versuchen? Kurz gesagt, liegt es darin, dass die offiziellen Währungssysteme klammheimlich das genaue Gegenteil von Regionalförderung betreiben: Sie lenken das Geld in die Boomregionen, weil dort die höchsten Zinsen zu erzielen sind. Das mag volkswirtschaftlichen Idealen entsprechen, doch es trägt sowohl zum Ausbluten wirtschaftsschwächerer Regionen als auch zum Anheizen zyklischer Entwicklungen bei. Funktionierende Regionalwährungen haben den entgegengesetzten Effekt: Da sie unverzinst sind, ist es für alle Beteiligten sinnvoll, sie alsbald (und vorrangig vor der Zentralwährung!) auszugeben – und zwar gegenüber anderen Teilnehmern des Systems, also in der Region. (Ein eingebauter "Wertverlust" kann diesen Effekt noch verstärken, allerdings um den Preis einer reduzierten Attraktivität dieser Währung.)
So einfach ist das Prinzip – die Umsetzung hingegen ist etwas komplizierter. Denn wie jede Währung leben auch Regionalwährungen von einer ausreichenden Verbreitung, und diese kritische Masse innerhalb vernünftiger Zeit zu erreichen, ist eine nicht tiviale Herausforderung. Schließlich geht es dabei nicht nur um "Sachfragen" und Projektabwicklung; mindestens ebenso wichtig ist bei einem so sensiblen Thema der soziale Prozess: Wie können Anbieter und Verbraucher, aber auch Kommunen und regionale Banken für das Mitmachen und aktive Unterstützung gewonnen werden? Gelingt es, einen Stamm ehrenamtlicher Mitstreiter aufzubauen, der mithilft, das Projekt zum Laufen zu bringen? Wie sollen Entscheidungsstrukturen und -prozesse gestaltet werden, damit sie sowohl transparent sind als auch handlungsfähig?
Aus gutem Grund befasst sich ein großer Teil der acht Kapitel sowie des umfangreichen Anhangs mit Umsetzungsfragen. Nachdem in den ersten drei Kapiteln die Grundlagen gelegt, praktische Beispiele für funktionierende Regionalwährungen vorgestellt und ihr Nutzen erläutert wurde, geht es in Kapitel IV um "Eigenschaften und Auswahl einer Regionalwährung". Denn die erfordert einige gedankliche Vorarbeit, stehen doch sehr unterschiedliche Modelle zur Wahl – von einem Gutscheinsystem über einen Kooperationsring bis zu einer Mitgliedsbank. Also müssen Kriterien für die Auswahl entwickelt werden, wozu die Autoren plausible Vorschläge machen. Dennoch sind, zugeschnitten auf die gegebenen Verhältnisse, auch andere Modelle oder "Verschnitte" denkbar: Eine äußerst anspruchsvolle Konzeptaufgabe, die den Grundstein für Erfolg oder Scheitern eines Versuchs legt. Sorgfalt in der Konzeption ist daher angebracht, denn wenn ein solcher Versuch scheitert, ist das Thema in der jeweiligen Region erst mal auf Jahre hinaus gestorben.
So unterschiedlich wie die Modelle gestalten sich auch "Einführungsprozess und Finanzierung" (Kap. V). Noch eine Stufe komplexer wird es, wenn es um die "Interaktion und Vernetzung mit anderen Systemen" geht (Kap. VI), also um die Kooperation mit anderen Regionalwährungen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit unterschiedlich konzipioert und verankert sind. Doch die Mühe lohnt sich, denn durch die Verzahnung der Systeme über eine Clearingstelle steigt der Nutzwert jeder der beteiligten Regionalwährungen und damit ihre Attraktivität.
"Ein Experimentallabor für Komplementärwährungen" ist Japan (Kap. VII), und zwar aus guten Gründen. Denn dieses Land befindet sich seit etlichen Jahren in einer anhaltenden Strukturkrise, sodass dort der potenzielle Nutzen von Komplementärwährungen zur ökonomischen Stabilisierung von Regionen besonders groß ist. Und die Japaner sind offenbar entschlossen, die unterschiedlichsten Modelle und Konzepte mutig und konsequent zu erproben, um herauszufinden, welche sich besonders gut bewähren und welche weniger geeignet sind. Da der japanische Staat diese Experimente offenbar nicht als Bedrohung seiner Finanzhoheit empfindet, sondern sie eher unterstützt und ermutigt, ist Japan heute tatsächlich ein Forschungslabor für die ganze Welt. Die dort gewonnenen Erkenntnisse können auch für uns sehr lehrreich sein – nicht nur für den durchaus denkbaren Fall, dass die westlichen Industriestaaten in den nächsten Jahren in eine ähnliche Strukturkrise wie Japan geraten sollten.
Ein Kapitel "Regio ergänzt Euro" beschließt das Buch. Es untermauert die Beteuerung, dass die Regionalwährungen nicht Konkurrenten, sondern Ergänzungen zu der offiziellen Währung seien, mit einem ebenso klugen wie überzeugenden Argument: Im Sinne des Gesetzes von Gresham sei der "Regio" das "schlechtere Geld", weil es keine Zinsen bringe, geographisch nur begrenzt einsetzbar sei und kein offizielles Zahlungsmittel sei. Infolgedessen würden seine Nutzer bestrebt sein, dieses schlechtere Geld vorrangig zum Euro loszuwerden – was den Geldumlauf beschleunige und es genau dadurch für die Regionalentwicklung zum "besseren" Geld mache. Für Regionalbanken könnte es daher durchaus sinnvoll sein, sich auf den "Regio" einzulassen und ihn zu unterstützen: Das würde letztlich ihre Wettbewerbsposition gegenüber den Großbanken stärken.
Als Fazit nach beinahe 300 Seiten lässt sich festhalten: Es gelingt dem engagiert, aber ohne Eifer geschriebenen Buch, das diffus wirkende Thema Regionalwährungen deutlich greifbarer zu machen. Es wird plausibel, dass diese Währungen Regionen helfen können, sich ein Stück von der ökonomischen Großwetterlage zu entkoppeln und antizyklisch die regionale Wirtschaft und den Wohlstand zu stärken. Es liegt in der Natur der Sache, dass solche Darlegungen nicht gerade leicht lesbar und auch nicht unbedingt eine spannende Lektüre sind. Doch den Autoren gelingt das Kunststück, die trockene Materie so nachvollziehbar und anschaulich aufzubereiten, dass man kaum je in die Versuchung kommt, das Buch genervt und frustriert auf die Seite zu legen. Zugleich ist der Text mit über 200 Referenzen sehr gut dokumentiert, sodass sich gezielt weiter informieren kann, wer über dieses Grundwissen hinaus tiefer in die Materie einsteigen möchte. Der umfangreiche Anhang behandelt "Währungs- und bankrechtliche Aspekte" sowie eine Typologie von Währungen.
|