Schon lange habe ich kein Buch mehr mit so viel innerer Zustimmung gelesen wie dieses: Der renommierte Projektmanagement-Guru Tom DeMarco setzt sich kritisch mit der gegenwärtigen (Projekt-)Managementpraxis auseinander.
Unbeeindruckt von allen Managementtrends, Moden und Mythen und in bemerkenswerter Unabhängigkeit von zur Selbstverständlichkeit erstarrten Glaubenssätzen analysiert DeMarco, was er als Berater zahlreicher amerikanischer Unternehmen beobachtet. Dabei geht es ihm nicht darum, die Effizienzschraube um noch ein paar Umdrehungen anzuziehen – im Gegenteil: Er untersucht mit wachem Blick und scharfem Verstand, was der Effizienzwahn und seine Nebenwirkungen bereits heute an Unheil angerichtet haben. Wobei erfreulich und zugleich auch erschreckend ist, wie nahe Tom DeMarco mit seinem amerikanischen Beispielen an unserer, jedenfalls meiner europäischen Erfahrung ist.
Der deutsche Titel lässt nur erahnen, worum es eigentlich geht, und der Untertitel "Projektmanagement jenseits von Burn-out, Stress und Effizienzwahn" führt endgültig in die Irre. Das Buch ist kein Lehrbuch für relaxtes Projektmanagement, sondern eine Sammlung von ziemlich heftigen Denkanstößen für Führungskräfte. Der schwer übersetzbare Originaltitel "Slack" macht deutlicher, worum es geht, denn mit diesem Begriff wird in der Lean-Management-Ideologie das "Fett" bzw. der unnütze Ballast bezeichnet, den es zur Verbesserung der Effizienz "wegzuschneiden" gilt.
Mit dieser "Effizienzsteigerung auf Teufel komm raus" setzt sich DeMarco kritisch auseinander. Er weist nach, dass sie nicht nur zu den absurdesten Versteckspielen und zu ihren eigenen Ineffizienzen führt (wie etwa dazu, dass hoch bezahlte Leute viel Zeit mit Hilfstätigkeiten zubringen, weil ihre Unterstützungsfunktionen "rationalisiert" wurden), sondern dass Unternehmen ihre Zukunft in um so größere Gefahr bringen, je konsequenter sie auf die radikale Optimierung der Effizienz setzen. Denn ein Unternehmen, das zu 100 Prozent effizient ist, hat im Umkehrschluss Null Prozent an Ressourcen frei, um sich zu erneuern, Dinge in Frage zu stellen, weiterzuentwickeln, innovativ zu sein.
Das Buch ist in vier Hauptabschnitte untergliedert, die die Überschriften "Spielräume", "Haben uns verirrt, kommen aber gut voran", "Veränderung und Wachstum" sowie "Risiko und Risiko-Management" tragen. Darunter versammeln sich 33 S-Bahn-freundliche Kapitelchen zu jeweils 4 – 10 Seiten, in denen DeMarco untersucht, welche Folgen das "Gib-Gas-Mantra" und die Angst, nicht effizient genug zu sein, in den Bereichen Führung, Veränderung und Projektmanagement haben. Leider bauen die Kapitel nicht aufeinander auf, sondern stehen recht zusammenhanglos nebeneinander – sie machen den Eindruck, als handele es sich um eine Sammlung von Kolumnen, die für eine Management-Zeitschrift geschrieben wurden. Das hat zwar den Vorteil, dass die einzelnen Artikel gut für sich alleine lesbar sind, doch es führt dazu, dass man nach einer Weile den Zusammenhang, die große Linie zu vermissen beginnt: Viele gute Bausteine – aber zusammensetzen muss man sie selber.
Was das Buch dennoch zum Vergnügen macht, ist, dass DeMarco diese brisanten Themen weder in bedeutungsschwangeren, schwerfälligen Analysen darbietet noch in besserwisseisch-anklagendem Ton à la Günter Ogger, sondern in lockerer, klarer, anschaulicher Sprahe und gelassen-konstruktivem Geist. Bei einigen der Gedanken lohnt es, sie ein zweites Mal zu lesen, denn es trotz DeMarcos klarer Argumentation fällt es schwer, die Tragweite mancher seiner Analysen nach einmaligem Lesen zu erfassen.
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