"Trennungs-Kultur" – musste es wirklich gleich ein so großes, so hohl tönendes Wort sein? Würde es nicht genügen, dass man mit Mitarbeitern auch im Falle einer Kündigung anständig umgeht, einfach weil dies ein Kernelement professioneller Führung ist?
Das Buch hinterlässt insgesamt ein zweispältiges Bild. Es enthält viele wertvolle Hinweise und Empfehlungen, nützliche Hintergrundinformationen, aber auch eine Menge an ärgerlichem Geschwätz und manierten, selbstverliebten Formulierungen. Hat der Luchterhand Verlag denn keinen Lektor, der einem Autor auch mal sagt, dass manche Dinge etwas seltsam wirken? Oder ist der Lektor hier am Autor gescheitert? Nicht nur den Begriff Trennungs-Kultur samt Bindestrich hätte man der Menschheit verlustlos ersparen können, sondern auch das ganze erste Kapitel. Es beginnt mit einem reichlich gekünstelten "Drama aus der Welt der Arbeit", geht dann übergangslos in eine Art Vorwort über und endet mit einem ausführlichen Bericht über eine Literatur- und Internet-Recherche zu diesem Unwort. Sie erbrachte – wen wundert's? – kaum Treffer. Daraus leitet der Autor mit vorwurfsvollem Unterton ab, "dass Trennungs-Kultur als solche im Bewusstsein nicht vorhanden ist und keinen Stellenwert hat" (S. 11). Die Tatsache, dass das Stichwort "Kündigung" über 55.000 Treffer und "Aufhebungsvertrag" immer noch 3.400 Treffer lieferte, legt jedoch einen ganz anderen Schluss nahe – nämlich, dass das Thema selbst ausgesprochen wichtig ist, aber wenig Bedarf für verblasene Wortschöpfungen besteht.
Heldenhaft wie Don Quichote kämpft Laurenz Andrzejewski gegen manche Begriffe. Gegen "Outplacement" rennt er an, weil dieser Begriff "von Gekündigten (...) als verletzend, despektierlich, erniedrigend empfunden (wird). Sie sind 'out' – weg von Fenster. Und 'out' bedeutet so viel wie alt, verschlissen, nicht mehr zeitgemäß, arbeitslos." (S. 64) Deshalb fordert er, "für die Beratung der Gekündigten von 'NEW-Placement' oder 'RE-Placement' zu sprechen" – und verwendet den Begriff Outplacement fortan für die "frühe Phase des Prozesses", als ob es dort nettere Assoziationen wecken würde. Angesichts der Bedeutung des Wortes "replacement" ein mäßig gelungener Beitrag zum Thema Sprachkosmetik! Auch gegen das Wort 'Survivors' erhebt er Einwände, weil sie "implizit die Gekündigten als 'tot' definiert" (S. 177). Darüber lohnt es sich in der Tat nachzudenken. Geradezu absurd aber die Konsequenz, die Andrzejewski daraus ableitet: Er erklärt wörtlich, er verwende fortan "die Begriffe 'Verbleibende' oder zum Ausdruck des Respekts und der Wertschätzung den Begriff 'Survivors' mit Anführungszeichen." (S. 178) Über diese Anführungszeichen werden sich die "Toten" aber freuen...
Genug geschimpft; reden wir über die positiven Seiten des Buches, denn auch die gibt es reichlich. Zunächst: Trotz aller Marotten ist es eine wertvolle Hilfe für die Vorbereitung und Durchführung von Trennungsgesprächen. Für die Vorbereitung insofern, als es auf eine Fülle von Punkten aufmerksam macht, deren Vergessen äußerst peinliche Folgen im Kündigungsgespräch haben könnte, wie etwa Mitarbeiter-Daten, persönliche Festtage, Sozialplan, Kriterien der Sozialauswahl, Abfindungsregelung, Trennungskonditionen etc. Für das Gespräch selbst hilft es, indem es klare Strukturen anbietet und viele kritische Situationen bespricht. Ausgesprochen richtig und wichtig zum Beispiel die Empfehlung, die Kündigung innerhalb der ersten fünf Sätze auszusprechen, und zwar klar und unmissverständlich. Denn je netter der Gesprächsauftakt, desto härter wäre hinterher der Fall.
Ebenfalls wertvoll ist, dass er sich für eine Erweiterung der Perspektive einsetzt: Er rückt neben den Hauptbetroffenen – den Gekündigten – auch die zahlreichen übrigen Betroffenen ins Blickfeld. Das beginnt mit den Vorgesetzten selbst, die die Kündigungen aussprechen und deren psychische und psychosomatische Belastung ebenfalls sehr hoch ist (bis zu einer nachweislich erhöhten Herzinfarkt-Prävalenz), und es reicht bis zu den nicht entlassenen Kollegen, bei denen der Personalabbau ebenfalls tiefe Spuren hinterlässt. Mit beiden Gruppen befasst sich jeweils ein eigenes Kapitel. Die Empfehlungen an Führungskräfte sind allerdings zum Teil etwas platt: "Seien Sie ehrlich mit sich selbst!"
Weiter berichtet Andrzejewski über eine Studie mit über 600 deutschen Führungskräften, die er in "nicht mehr gezählten persönlichen Beratungsgesprächen und in unzähligen 'Trennungs-Workshops'" befragt hat. Darin arbeitet er die Nöte der Manager mit Kündigungen heraus – und hinterlegt mit so einfühlsamen Kapitelüberschriften wie "Warum schwitzen Sie so, Chef?" oder "Vorsicht, Sie haben Dreck am Schuh". Nützliche Anregungen liefern auch ein Kapitel über die "Kosten unprofessioneller Trennungsversuche" und eines über Outplacement-Beratung (die er sprachverwirrend und schwülstig "Die NEW-Placement-Phase im Trennungsprozess" nennt).
Unterbelichtet ist die arbeitsrechtliche Seite. Zwar benennt eine Tabelle die wesentlichen juristischen Vorbereitungsmaßnahmen, aber leider taucht keiner dieser Punkte im weiteren Verlauf wieder auf; noch weniger werden sie nicht mit der Vorbereitung und Durchführung der Kündigungen verzahnt. Dabei können arbeitsrechtliche Fehler und Versäumnisse der direkte Weg ins Desaster sein. Denn die beste Gesprächsführung nützt nichts, wenn das Arbeitsgericht die Kündigungen wegen Rechtsverstößen für unwirksam erklärt.
Insgesamt bleibt ein sehr durchwachsenes Bild. Dass sich Laurenz Andrzejewski sich mit einem der unangenehmsten Themen befasst, das Managern im Laufe ihrer Karriere begegnen kann, ist anerkennenswert. Verdienstvoll auch, dass er dabei wirklich bis ins Detail geht, konkrete Tipps zu vielen kritischen Situationen gibt und hilft, bittere Fehler zu vermeiden. Umso nerviger und zum Teil ärgerlich ist, dass er dabei oftmals sein Bemühen um Originalität und Witzigkeit vor die Sache stellt. Denn darunter leidet nicht nur der Leser, sondern auch der Nutzwert des Buchs.
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