25 Jahre nach seinem Erscheinen immer noch ein sehr lesenswertes Buch, das von immenser Verhandlungserfahrung, Lebensklugheit und Scharfsinn zeugt. Und eine Menge Geld und Kraft ersparen kann, sofern man es rechtzeitig vor einem Rechtsstreit liest.
Mark H. McCormack (1930 – 2003) war Yale-Jurist und "Erfinder" des modernen Sportmarketing. Mit seiner "International Management Group" brachte er es zu großem Erfolg – und hatte dabei reichlich Gelegenheit, seinen Berufsstand aus der Perspektive eines Unternehmers zu studieren, der von gut ausgehandelten Individualverträgen lebt. Sein Buch ist trotz des Titels – der im amerikanischen Original "The Terrible Truth about Lawyers" heißt – keine Abrechnung mit diesem Berufsstand, sondern eine ebenso kritische wie pragmatische Analyse, allerdings eine, die messerscharf ist und kein Blatt vor den Mund nimmt.
Seine Analysen sind zwar primär auf das amerikanische Rechtssystem bezogen, aber das Allermeiste, was er schreibt, ist auf Deutschland und Europa fast genauso anwendbar. Das gilt vor allem für den grundlegenden Interessenkonflikt zwischen den Anwälten und ihren Auftraggebern, verschleiernd "Mandanten" genannt, die McCormack gleich zu Beginn seziert.
Jeder zivile Rechtsstreit ist eben nicht nur eine Auseinandersetzung zwischen den streitenden Parteien, sondern auch ein Vermögenstransfer von den "Mandanten" zu ihren Anwälten. Infolgedessen haben die streitenden Parteien selbst ein Interesse an einer möglichst schnellen und kostengünstigen Klärung des Streits, ihre Anwälte hingegen ein Interesse an einer möglichst langen und aufwändigen Auseinandersetzung. Bei allem Berufsethos ist es einfach eine große Versuchung, ein "Moral Hazard", den Streit anzuheizen, zu formalisieren und zu verlängern. Denn solange der Streit nicht entschieden ist, läuft der Zähler.
Im Teil I "Der Krieg zwischen Anwälten und Mandanten" analysiert McCormack ebenso scharfsinnig wie unbarmherzig sowohl die Beziehung zwischen Anwälten und ihren – meist überforderten – Auftraggebern als auch die zwischen den (vermeintlich) gegnerischen Anwälten, die oft von erstaunlich viel "kollegialer Höflichkeit" gekennzeichnet ist, nicht selten zu Lasten der beiderseitigen Mandanten.
Schon hier drängt sich – neben manch anderer Einsicht die man entlang des Weges mitnimmt – die Erkenntnis auf, dass man, bevor man einen Rechtsstreit in Auftrag gibt, unbedingt klären sollte, ob dessen Erwartungswert nach Anwaltskosten, Zeit- und Nervenaufwand sowie Opportunitätskosten größer ist als eine noch so unbefriedigende gütliche Einigung. Zwar ist es natürlich in den meisten Fällen so, dass man sich im Recht fühlt – aber daraus folgt bei nüchterner Betrachtung ziemlich wenig. Und auch nicht daraus, dass der eigene Anwalt diese Auffassung teilt: Blöd wird er sein, ihr zu widersprechen.
Aber in der Regel fühlt sich die andere Seite eben auch im Recht und wird von ihrem Anwalt darin bestärkt. Doch wenigstens eine Seite wird vor Gericht eine Enttäuschung erleben – und dann, zur größten Freude der beiderseitigen Anwälte, in die nächste Instanz gehen. Der Zähler läuft …
Dieser Gedanke ist ein bisschen kontraintuitiv, weil man bei Rechtsstreitigkeiten ja normalerweise die andere Seite als den "Feind" ansieht, dem es eine Lektion zu erteilen gilt, und den eigenen Anwalt als teuren Freund und Verbündeten. Doch real ist der kumulierte Erwartungswert der streitenden Parteien umso negativer, je länger der Streit dauert, währende der (kumulierte wie individuelle) Erwartungswert der beiden Anwälte umso positiver wird.
Das heißt sicherlich nicht, dass man unter keinen Umständen einen Rechtsstreit führen sollte. Doch es heißt wohl, dass man wesentlich mehr haben sollte als das Gefühl, im Recht zu sein, und einen streitbaren Anwalt, um den Schritt vor Gericht zu wagen.
Doch über diese Analyse hinaus, die alleine die Lektüre schon wert ist, gibt McCormack auch Tipps, wie man einen Anwalt auswählt (nicht aus dem Bekanntenkreis, sondern nach einschlägiger Erfahrung, aber auch nach seinem persönlichen Stil, der zumindest nicht völlig unverträglich zu den eigenen Wertvorstellungen sein darf), wie man ihm auf den Zahn fühlt und wie man ihm die eigenen Erwartungen – und Empfindlichkeiten – deutlich macht. Das Wichtigste ist daran wahrscheinlich, die passive Demutshaltung abzulegen, die viele Menschen gegenüber Anwälten an den Tag legen, und ihnen ein selbstbewusster und beherzter Gegenpart zu sein.
Teil II "Anwälte und Geschäftsleute: Die beunruhigende Allianz" macht deutlich, dass Anwälte und Unternehmer von Grund auf unterschiedlich ticken. Unternehmer sind – in der Regel – positiv denkend, chancenorientiert und begeisterungsfähig, und natürlich an langfristigen guten Beziehungen zu ihren Geschäftspartnern interessiert; Anwälte sind – ebenfalls in der Regel – skeptisch, auf der Suche nach Haken und Ösen, und vor allem eher konsequenter Ausschöpfung der rechtlichen Möglichkeiten, die der Vertragstext hergibt, sozusagen ohne Rücksicht auf (Beziehungs-)Verluste.
Diese unterschiedlichen Perspektiven eröffnen ein großes Potenzial zur wechselseitigen Befruchtung, aber auch die Chance, sich gegenseitig in den Wahnsinn zu treiben. Der Schlüssel zu einer erfolgreichen Zusammenarbeit liegt denn auch darin, das Erstere zu versuchen und das Letztere nach Möglichkeit zu vermeiden. Dafür muss der Auftraggeber seinem Anwalt auch klarmachen, was seine Erwartungen an ihn sind (und wo er sich heraushalten soll). Denn auch bei Meinungsverschiedenheiten, Spannungen und Missverständnissen zwischen Mandant und Anwalt läuft der Zähler weiter.
Im unternehmerischen Interesse liegt auch, stellt McCormack fest, mit gesundem Menschenverstand und einem Sinn für Fairness an Vereinbarungen heranzugehen, statt bloß ihren Wortlaut auszureizen: "Unausgewogene Vereinbarungen halten nicht. (…) Je ungleichgewichtiger ein Vertrag, umso größer wird der Anreiz für die andere Seite, sich herauszuwinden." (S. 151 f.) Das heißt aber auch: Der Auftraggeber muss die Führung übernehmen und sozusagen "die Richtlinien der Politik" bestimmen, statt sich bequem und lammfromm der Führung seines Anwalts zu überlassen.
Hauptsächlich auf das amerikanische Rechtssystem gemünzt ist Teil III "Die schreckliche Wahrheit", aber manches davon ist auch auf das alte Europa übertragbar – so der "Fluch der Zigeunerin", der lautet: "Mögest du in ein Gerichtsverfahren verwickelt sein, bei dem du im Recht bist!" (S. 233) Sehr nachvollziehbar ist daher McCormacks Empfehlung, sich vor einer Klageerhebung drei Fragen zu stellen: "Kann ich es mir leisten zu verlieren? Kann ich es mir leisten, vielleicht ein Jahrzehnt oder länger auf eine Entscheidung zu warten? Kann ich es mir vielleicht eher leisten – finanziell wie auch emotional –, meinen Verlust zu schlucken, mich auf meine Würde zu besinnen und mich wieder um andere, wichtige Dinge im Leben zu kümmern'?'" (S. 233 f.)
Deshalb kommt er zum Schluss auch auf "Alternative Streitbeilegungsformen" zu sprechen, die sich seit Veröffentlichung im Jahr 1987 doch erheblich weiterentwickelt haben. Insgesamt ein wirklich kluges, in manchen Punkten sogar weises Buch, das meine Sicht auf Rechtsstreitigkeiten sowohl bestärkt als auch weiterentwickelt hat.
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