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Fundierte und reflektierte Anleitung zur Schulung individueller Resilienz

Siebert, Al (2005):

The Resiliency Advantage

Master Change, Thrive Under Pressure, and Bounce Back From Setbacks

Berrett-Koehler (San Francisco); 226 Seiten; 15,20 Euro


Nutzen / Lesbarkeit: 9 / 9

Rezensent: Winfried Berner, 21.07.2014

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Aus der Flut des modischen Geplappers über Resilienz hebt sich dieses Buch durch eine ganzheitliche Betrachtung und durch Fundiertheit positiv ab. Al Siebert zeigt, wie man seine Resilienz in fünf Stufen entwickeln kann.

Im Gegensatz zu vielen anderen Veröffentlichungen über das aktuelle Modethema Resilienz listet der amerikanische Ex-Fallschirmjäger und promovierte klinische Psychologe Al Siebert nicht ein oder zwei Handvoll Resilienzfaktoren mehr oder weniger ungeordnet nebeneinander auf, sondern stützt sich auf ein Modell mit fünf aufeinander aufbauenden Resilienzstufen. Seine Darlegungen lassen erkennen, dass er sich seit Jahren intensiv mit der Materie befasst und sie wirklich durchdrungen hat – im Gegensatz zu manchen anderen Texten, die nur anhand einiger möglichst spektakulärer Fallbeispiele neunmalkluge Lebensweisheiten zum Besten geben. Dabei gelingt es ihm sehr gut, die durchaus anspruchsvolle Thematik lebendig und nachvollziehbar aufzubereiten.

Siebert geht es nicht bloß darum, welche Persönlichkeitseigenschaften und besonderen Fähigkeiten resiliente Menschen auszeichnen – was interessant, aber von begrenztem praktischem Nutzwert ist –; er will zeigen, wie man seine Resilienz entwickeln und trainieren kann. Für diesen Zweck bietet er (s)eine fünfstufige Hierarchie der Resilienzfähigkeiten an (S. 10f.):

  • Optimize your health and well-being
  • Develop good problem-solving skills
  • Develop strong inner gatekeepers
  • Develop high-level resiliency skills
  • Discover your talent for serendipity

Sieberts erste Stufe mag bei oberflächlichem Hinsehen banal wirken; auf den zweiten Blick ist sie elementar, denn wer körperlich nicht belastbar ist, der ist auch geistig und psychisch nur eingeschränkt handlungsfähig. Wir haben nun einmal nicht bloß einen Körper, in gewisser Weise sind wir unsere Körper – und sind damit in unserer Belastbarkeit auf deren Grenzen zurückgeworfen. Gerade wenn es um die systematische Weiterentwicklung der eigenen Resilienz geht, ist es daher absolut logisch, mit diesem „Grundstein“ unserer Resilienz zu beginnen.

Aber Siebert meint damit keineswegs nur körperliche Fitness, sondern hilft in diesem Abschnitt auch, Stressoren zu erkennen und Bewältigungsstrategien zu entwickeln, wie zum Beispiel: „Decide to Cope Well with Challenges“, „Decrease Negative Experience“, „Revise Your Theme Song“, „Ask for Support“, „Increase Positive Experience“, „Use a Plan That Fits Your Nature“ und schließlich „Enjoy Strain Like a Good Workout“. Letzteres ist ein pfiffiges Reframing, das jeder, der möchte, sofort umsetzen kann: Die unvermeidlichen Belastungssituationen des Alltags, statt unter ihnen zu leiden, als resilienzförderndes Fitness-Training zu betrachten.

Ebenfalls gut erlernbar sind handwerkliche Problemlösungsfähigkeiten, deshalb ist der zweite Schwerpunkt von Sieberts Trainingsprogramm „Skillfully Problem Solve“. Dort geht es unter anderem um die Fähigkeit, im Falle einer Krise die eigenen Emotionen zu beherrschen, statt sich ihnen einfach hinzugeben, aber auch darum, nicht einseitig an die Lösungssuche heranzugehen, sondern sowohl die analytische als auch die kreative und die praktische Intelligenz einzusetzen. Und dabei nicht mit dem Schicksal zu hadern, sondern nach vorne zu schauen: „If you argue with reality, you add to your difficulties.“ (S. 68)

Um die Einstellungen zu sich selbst geht es auf Stufe 3 „Strengthen Your Three Inner Selves“. Die drei Schlüsselvariablen dazu sind Selbstvertrauen („self-confidence“), Selbstachtung („self-esteem“) und das Selbstbild („self-concept“), also das, was unsere Identität ausmacht. In dieser Stufe sowie der folgenden nähert sich Siebert ohne Zweifel den handelsüblichen Resilienzfaktoren an, aber dagegen ist ja auch nichts einzuwenden, zumal die meisten von ihnen empirisch gut belegt sind. Das Besondere bei Siebert ist, dass er sie auf eine Art und Weise bündelt, die lernfreundlicher ist als deren bloße Auflistung. Zumal auch seine Empfehlungen sehr handlungsorientiert sind: „If you were raised to be a ‚good child’ who tries never to do what ‚bad’ children do, it is essential to free yourself from the fears of what others may think about you. Weak self-esteem makes you vulnerable to be controlled by others. Start paying attention to your self-talk. Do you criticize yourself? Call yourself names? If so, break that habit. Stop tearing yourself down. Negative feelings about yourself weaken your resiliency.“ (S. 79)

Gleich vier wichtige Teilaspekte (und entsprechend viele Kapitel) umfasst Stufe 4 „Develop Your Inner Resiliency Skills“. Zentrale Elemente der persönlichen Resilienz sind laut Siebert „Unleash Your Inner Curiosity: Enjoy Learning in the School of Life“, „The Power of Positive Expectations“, „Integrate Your Paradoxical Abilities“ und „Allowing Everything to Work Well: The Synergy Talent“. Mit paradoxen Fähigkeiten meint er die Kunst, widersprüchliche Eigenschaften gleichermaßen zu kultivieren, statt sich einseitig festzulegen, also beispielsweise sowohl kreativ als auch analytisch zu sein, sowohl ernsthaft als auch verspielt, sowohl feinfühlig als auch tough. Dazu zählt auch, nicht ausschließlich und verbissen positiv zu denken, sondern positive wie negative Aspekte gleichermaßen wahrzunehmen und gelten zu lassen.

Mit seiner fünften Stufe „Strengthen Your Talent for Serendipity“ geht Siebert über das gängige Verständnis von Resilienz hinaus: Hier geht es nicht mehr darum, Rückschläge zu verkraften, sondern darum, ihre Chancen und Potenziale zu erkennen: „First, something unexpected or accidental happens to you. Second, your perceptiveness, good sense, and wisdom (sagacity), lead you to discover the third element – an unexpected benefit, gift, or blessing in what happened.“ (S. 157)

Gerade wenn es um schwere Schicksalsschläge, Gewalterfahrungen und persönliche Katastrophen geht, klingt es oft unangemessen und geradezu frivol, darin ein „unexpected benefit, gift, or blessing“ entdecken zu sollen – aber genau das ist es, was manche Menschen tatsächlich fertiggebracht haben, die Siebert in einem vorletzten Kapitel „Mastering Extreme Resiliency Challenges“ vorstellt. Hier befinden wir uns natürlich nicht mehr im Bereich der trainierbaren Resilienz, aber ich finde es dennoch sinnvoll, solche Gedanken zu wagen – wie auch eine Frage, die Siebert in Anlehnung an Viktor Frankl formuliert: „If you were the one who died and your loved one was still alive, what would you wish they would be doing?“ (S. 178)

Tatsächlich ist es wohl so, dass Menschen, die solche katastrophalen Zäsuren erlebt haben, nie mehr wieder – im Sinne des klassischen Verständnisses von Resilienz – dieselben wie davor sein werden. Vielmehr durchlaufen sie eine Transformation, die trotz allen Schmerzes auch eine Transformation zum Besseren sein kann: „In recent years, a few psychologists have observed what they call post-traumatic growth (PTG). Their work is contributing to the emerging new field of positive psychology in which many psychologists are finding that the mental-illness concepts in psychiatry are counterproductive to promoting resiliency.“ (S. 189)

Insgesamt ein ebenso lesbares wie lesenswertes Buch, auch wenn Siebert auf die soziale Dimension der Resilienz nur ansatzweise eingeht und nichts über die gemeinsame Resilienz von Familien, Gemeinschaften, Unternehmen und Gesellschaften sagt. Umso fundierter und reflektierter geht er aber der persönlichen Resilienz auf den Grund und zeigt vor allem, wie man sie systematisch weiterentwickeln kann.

Schlagworte:
Resilienz, Resilienztraining, Selbstbld, Stressbewältigung, Lebenskrisen, Seelische Gesundheit, Training

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