Die Umsetzungsberatung

Rezensionen






Winfried Berner:
Culture Change

Unternehmenskultur als Wettbewerbsvorteil

Culture Change: Unternehmenskultur als Wettbewerbsvorteil

Für weitere Informationen
klicken Sie bitte hier.
 

Winfried Berner:
"CHANGE!" (Erweit. Neuauflage)

20 Fallstudien zu Sanierung, Turnaround, Prozessoptimierung, Reorganisation und Kulturveränderung

Change! - 20 Fallstudien zu Sanierung, Turnaround, Prozessoptimierung, Reorganisation und Kulturveränderung

Für weitere Informationen
klicken Sie bitte hier.
 

Winfried Berner:
"Bleiben oder Gehen"

Bleiben oder Gehen

Für weitere Informationen
klicken Sie bitte hier.
 

Eher entmutigende Einführung in Ermutigung

Frick, Jürg (2007):

Die Kraft der Ermutigung

Grundlagen und Beispiele zur Hilfe und Selbsthilfe

Huber (Bern); 374 Seiten; 24,95 Euro


Nutzen / Lesbarkeit: 6 / 7

Rezensent: Winfried Berner, 09.12.2014

Jetzt bei Amazon.de bestellen

Ein wichtiges Thema – schade, dass Frick nicht mehr daraus macht! Das Buch liest sich, trotz einzelner interessanter Passagen, zäh und uninspiriert; Lust auf Ermutigung macht es nicht, und deren existenzielle Tragweite bringt es auch nicht heraus.

Mit diesem Buch habe ich mir schwer getan. Immer wieder angelesen und es doch wieder liegen lassen, bis ich es jetzt in einem Kraftakt endlich durchgearbeitet habe – allerdings eher, um es vor Weihnachten vom Tisch zu haben. Woher diese Unlust? Widerstand gegen das Thema, wie man psychologisieren könnte, ist es sicherlich nicht: Seit Theo Schoenakers Reden von Bücher mich, wie so viele, für das Thema Ermutigung begeistert haben, bin ich auf der Suche nach ergänzendem und vertiefendem Material – und inzwischen etwas frustriert, weil man weiterführende Gedanken eher in Rudolf Dreikurs' 50 Jahre alten Schriften findet als in neueren Veröffentlichungen.

Ein Teil des Problems geht auf Jürg Fricks Schreibstil zurück, der recht betulich, langatmig und repetitiv auf mich wirkt. Ein beherztes Lektorat, das den Mut zu konsequenten Straffungen und einer Vereinfachung des Stils hat, etliche erkenntnisfreie Grafiken streicht und den Text auf zwei Drittel seiner Länge verdichtet, hätte dem Buch mit Sicherheit gut getan. Es hätte auch gleich diverse völlig überflüssige Verkomplizierungen und Spreizungen beseitigen können, wie etwa: "Die Aufgabe der beratenden Person besteht deshalb darin, so Barthelmess (2001, S. 115), 'das Kommunikationsgeschehen zwischen Berater- und Klientensystem so zu gestalten, dass dadurch die Weiterentwicklung der Problembearbeitungsfähigkeit [oder Problemlösefähigkeit – J. F.] des Klientensystems angestoßen und befördert wird'." (S. 242) Auf Deutsch heißt das wohl, dass der Berater dem Klienten Impulse zur Weiterentwicklung geben soll – aber wenn man es so übersetzt, wird sichtbar, wie banal diese ungeheuer systemisch daherkommende Aussage ist. Man könnte sie verlustfrei weglassen, jedenfalls solange offenbleibt, wie genau man die "Weiterentwicklung der Problembearbeitungsfähigkeit anstößt und befördert".

Aber selbst nach einer Straffung und sprachlichen Überarbeitung wäre wohl ein Problem geblieben, nämlich der absolute Mangel an neuen Erkenntnissen und Einsichten. Es ist mir ein Rätsel, wie jemand, der so unglaublich viel Literatur verarbeitet hat wie der Zürcher PH-Professor – sein Literaturverzeichnis umfasst 25 eng bedruckte Seiten –, so wenig an weiterführenden Gedanken, Ideen und Ansätzen entfalten kann. Stattdessen beschränkt er sich allzuoft darauf, wie oben beckmesserisch an Formulierungsnuancen herumzumäkeln: "[oder Problemlösefähigkeit – J. F.]"

Dazu kommen überraschende Ungenauigkeiten wie: "Die Wirkung einer Ermutigung hängt (…) auch von der Beziehung zum Gegenüber ab: Wer lässt sich schon gern von einer Person ermutigen, die einem unsympathisch ist oder zu der man eine schlechte oder überhaupt keine Beziehung hat?" (S. 52) Selbst wenn das flapsig gemeint sein sollte, ist es doch verdreht, wenn nicht falsch: Eine gute Beziehung ist notwendige Voraussetzung für jede Ermutigung. Man kann jemanden nur ermutigen (bzw. zu ermutigen versuchen), wenn man innerlich auf seiner Seite steht und ihn akzeptiert, so wie er (derzeit) ist. Wenn man jemanden, so wie er ist, ablehnt, kann man allenfalls Druck machen oder herumnörgeln.

Umgekehrt wird der Adressat die Ermutigung nur dann annehmen (und sie in Selbstermutigung umsetzen), wenn er das Gefühl hat, dass der andere erstens auf seiner Seite steht und ihn zweitens realistisch einschätzt. Anderenfalls empfindet er den Impuls nicht als ermutigend, sondern im besten Fall als an ihm vorbei gehend, im ungünstigeren als unfreundlichen Akt. Es geht also keineswegs darum, dass der  Adressat die Ermutigung zurückweist, weil er sich weigert, sich von dieser Person ermutigen zu lassen; vielmehr war das Gesagte in Ermangelung von Akzeptanz überhaupt keine Ermutigung, und deshalb hat er es – zu Recht! – auch nicht so empfunden. Im weiteren Verlauf des Abschnitts arbeitet Frick sehr wohl treffend heraus, wie wichtig ein beiderseitig positives Verhältnis für Ermutigung ist – aber warum lässt er solch eine irreführende Formulierung stehen, die sachkundige Leser befremdet und Anfänger auf eine völlig falsche Spur bringt?!

Wer die Ausdauer aufbringt, das Buch durchzuarbeiten, kann ihm durchaus einige Anregungen entnehmen. Aber es zieht sich. Gerade die wichtigen Kapitel 7 "Anwendungsfelder und Möglichkeiten I: Ermutigung in der Schule" und 8 "Anwendungsfelder und Möglichkeiten II: Ermutigung in der Beratung" bringen immer lange Exkurse, Betrachtungen von Nebenlinien und Paraphrasen einschlägiger Arbeiten, ohne dass – wenigstens bei mir – der Funken überspringt. Es wirkt streckenweise so, als ob der Autor der "Kraft der Ermutigung" misstraute und sie deshalb mit anderen Gedanken, Konzepten und Methoden zu stützen bemühte.

Selten, dass ich mir beim Lesen gedacht habe: "Gute Idee, pfiffiger Ansatz, das lohnt sich zu probieren!" Auch im Kapitel 9 "Wege zur Selbst- und Fremdermutigung" kommt wenig Neues; es wirkt eher, als wollte Frick eilig auf den letzten Metern schnell noch ein paar praktische Tipps bringen, in starker Anlehnung an Schoenaker und andere. Aber dann folgt gleich wieder ein weiter, recht oberflächlicher Exkurs in Kooperationstheorie und Soziobiologie, bevor er zum Thema zurückkehrt. Auch die drei Fragebogen zu Selbst- und Fremdermutigung im Anhang wirken recht lieblos und unempathisch – wie etwa die Pauschalinstruktion: "Identifizieren Sie wichtige Ereignisse, Personen usw., die in Ihrem Leben ermutigend gewirkt haben" (S. 328).

Insgesamt ein Buch, zu dessen Lektüre ich nicht ermutigen kann und will: Für Einsteiger ist es viel zu komplex und ausführlich, für Fortgeschrittene ist das Verhältnis von Lesezeit und Erkenntnisgewinn enttäuschend. Falls Sie also in das Thema Ermutigung einsteigen oder es vertiefen wollen, halten Sie sich lieber an Theo Schoenakers Klassiker "Mut tut gut", er liest sich angenehmer und erkenntnisreicher.

Nachsatz: Darf man unter der Flagge der Ermutigung überhaupt so kritisch an ein Buch herangehen? Müsste nicht auch eine Rezension im Geiste der Ermutigung verfasst und entsprechend "ermutigend" für den Autor sein? Meine Antwort: Erstens ist eine Rezension primär für die Leser da. Ihnen soll sie ein möglichst ehrliches, realistisches Bild davon vermitteln, wie der Rezensent das Buch beurteilt und aus wlechen Gründen er zu diesem Urteil kommt. Dafür ist es erforderlich, nach bestem Wissen und Gewissen Klartext zu reden, was auch heißt, über wesentliche (vom Rezensenten subjektiv empfundene) Mängel und Unzulänglichkeiten nicht hinwegzusehen, sondern sie beim Namen zu nennen. Dazu zählt auch, am Schluss zu einer expliziten oder impliziten Empfehlung zu kommen auf die Frage: "Lohnt sich das Lesen oder nicht?" In diesem Fall lautet sie leider: Lohnt nicht.

Dieser ehrlichen Information der Leser über das eigene Urteil hat sich die Schonung des Autors unterzuordnen, selbst auf die Gefahr, dass die Rezension entmutigend auf ihn wirkt. Allerdings muss sich eine Rezension zweitens, gerade wenn sie kritisch ausfällt und letztlich zu einem negativen Urteil kommt, um Fairness bemühen und sich vor unnötiger Schärfe, Häme und Sarkasmus hüten – und im Grunde ist jede Schärfe, jede Häme und jeder Sarkasmus unnötig. Doch auch dem Autor gegenüber ist eine ehrliche Kritik angebrachter als eine beschönigende, die sich krampfhaft bemüht, die negative Beurteilung dadurch abzumildern, dass sie noch irgendetwas Positives hervorzuheben sucht.

Klar, ich könnte noch herausstellen, dass etwa die vielen biographischen Skizzen, die das Buch enthält, von Kafka über Debussy und Mandela bis zu vielen (mir) Unbekannten, interessante Details enthalten und helfen, sowohl die Wirkung von (Fremd-)Ermutigung als auch die von Selbstermutigung besser zu verstehen. Und ich könnte, wenn ich sie suche, noch ein paar weitere derartige Aspekte anfügen, wie etwa, dass das Buch eine ganze Reine hübscher Aphorismen enthält. Aber würde das an meinem oder Ihrem Gesamturteil ändern? Wohl nicht wirklich. Änderte es etwas an der Wirkung auf den Autor? Es wäre wohl allenfalls ein schaler Trost.

Schlagworte:
Ermutigung, Individualpsychologie

Plagiate dieser Website werden automatisiert erfasst und verfolgt.