Ob wir Opfer der Umstände oder Gestalter unseres Lebens sind, ist unsere eigene Entscheidung. Wie man "Hausherr im eigenen Leben" wird, erläutert der Altmeister der Ermutigung Theo Schoenaker in diesem ebenso lesbaren wie lesenswerten Ratgeber.
Der Titel "Das Leben selbst gestalten – Mut zur Unvollkommenheit" nimmt die beiden zentralen Botschaften des Buchs vorweg: Schoenakers Anliegen ist es, Menschen dazu zu ermutigen, Frieden mit ihrer Unvollkommenheit zu machen, statt sich in Minderwertigkeitsgefühlen zu verlieren, und ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen, statt sich als unschuldiges, aber zugleich ohnmächtiges Opfer der Verhältnisse zu sehen. Theo Schoenaker, der "Erfinder" des Encouraging-Trainings hat dieses Buch gegen Ende seiner praktischen Berufslaufbahn als Gründer und Leiter des "Adler-Dreikurs-Instituts für soziale Gleichwertigkeit" geschrieben; es ist in gewisser Weise die Summe seines Lebenswerks. Das Buch hat Überschneidungen mit seinem Klassiker "Mut tut gut" (siehe Rezension), ist aber umfassender angelegt: Es ist eine sehr praxisorientierte Einführung in die Individualpsychologie als Grundlage einer selbstverantworteten Lebensgestaltung.
Wie immer bei Schoenaker, muss man sich erst ein wenig an die sehr einfache Sprache gewöhnen. Er will offenkundig auch von "kleinen Leuten" gelesen und verstanden werden, für die das Lesen eines Buchs ein Auswärtsspiel ist, in dem sie leicht zu entmutigen sind, und er nimmt dafür in Kauf, von akademisch gebildeten Lesern unterschätzt zu werden. Doch auch wenn Sprache und Satzbau sehr schlicht sind und Schoenaker seine Leser durchgängig mit "du" anspricht, sollte man nicht übersehen, wie viel Kompetenz und Erfahrung es erfordert, eine komplexe Theorie so verständlich darzustellen und sie für die praktische Nutzanwendung "auf die Straße zu bringen". Seine Zielgruppe sind dabei eher die "Mühseligen und Beladenen", die von Unzufriedenheit mit sich selbst, Selbstzweifeln und Minderwertigkeitsgefühlen geplagt sind. Doch auch wer gefestigt im Leben steht, kann von diesem Buch profitieren – jedenfalls wenn er nicht so hochmütig ist, an den vielen praktischen Tipps und Übungen lächelnd vorbeizugehen.
Die 15 Kapitel des Buchs sind in zwei große Teile gegliedert. Im ersten "Menschenkenntnis – Selbsterkenntnis" führt Schoenaker in die Grundlagen der Individualpsychologie ein, mit Themen wie den "Lebensaufgaben" (Liebe, Beruf, Gemeinschaft), Zugehörigkeit und Gemeinschaftsgefühl, Minderwertigkeitsgefühlen, dem Lebensstil und der Rolle der Kindheitserinnerungen. Im zweiten Teil "Das Leben selbst gestalten" geht es noch stärker als im ersten um praktische Fragen wie etwa, ob man Gefühle selbst gestalten kann (ja) und sollte (auch ja) und ob man sein Verhalten selbst gestalten kann und sollte (nochmal ja). Weiter geht es um die Macht der Sprache, genauer um die ermutigende Gestaltung unserer inneren Selbstgespräche und, natürlich bei Schoenaker, um Entmutigung und Ermutigung.
Um Nutzen aus dem Buch zu ziehen, muss man sich auf Schoenakers Art und Stil einlassen. Wer nur damit hadert, dass ihm das alles zu schlicht ist, dem sei versichert, dass man all diese Themen auch sehr viel abstrakter und spröder darstellen kann, ohne daraus notwendigerweise zusätzliche Erkenntnisse zu ziehen. Wer sich aber darauf einlässt, wird das Buch nicht aus der Hand legen, ohne die eine oder andere nützliche Erkenntnis – und vor allem praktische Lehre – für die eigene Lebensgestaltung mitgenommen zu haben. Und zwar auch dann, wenn er nicht zu den "Mühseligen und Beladenen" im engeren Sinne zählt. Empfehlenswert!
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