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Übersichtliche Synopse von Adlers Individualpsychologie

Ansbacher, Heinz L.; Ansbacher, Rowena R. (2004):

Alfred Adlers Individualpsychologie

Eine systematische Darstellung seiner Lehre in Auszügen aus seinen Schriften

Reinhardt (München, Basel) 1972, 4. überarb. Aufl. 1972, 5. Aufl. 2004; 415 Seiten; 34,90 Euro


Nutzen / Lesbarkeit: 10 / 8

Rezensent: Winfried Berner, 18.06.2015

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Äußerst verdienstvolle und nützliche Systematisierung der unsystematischen Werke Alfred Adlers. Die Synopse präsentiert Auszüge aus seinen Schriften thematisch geordnet nach zentralen Gedanken und Konzepten der Individualpsychologie.

Wer sich intensiver mit der Individualpsychologie befasst, bei dem kommt früher oder später der Wunsch auf, die Schriften ihres Begründers Alfred Adler (1870 - 1937) im Original zu lesen. Doch der Ahnherr erschließt sich seinen postmodernen Lesern nicht leicht. Bei mir liegen etliche angelesene Fischer-Taschenbücher herum, doch nur eines habe ich zu Ende gebracht – und etlichen anderen hoffnungsvollen Adepten ist es offenbar ähnlich ergangen.

Das hat mehrere Gründe: Zum ersten war Adler laut Zeitzeugen ein glänzender Redner, aber leider kein ebenso brillanter Schreiber. Seine Texte lesen sich oft zäh und langatmig, und auf die Dauer nervt es auch, dass Adler häufig nicht argumentiert, sondern einfach nur Behauptungen in den Raum stellt, offenbar in der Meinung, dass sie für sich selbst sprächen. Jammerschade, dass es keine Tonaufzeichnungen von ihm gibt. Zweitens sind etliche seiner Bücher aus den Mitschriften von Vorträgen entstanden, und das merkt man ihnen auch an: Sie wirken oft recht sprunghaft und assoziativ; ihre Logik und Struktur erschließt sich oft nicht recht.

Dazu kommt drittens, dass die Begründung einer völlig neuartigen psychologischen Denkschule natürlich nicht in einem genialen Wurf erfolgt, sondern ein jahrelanger Entwicklungs- und Ausformungsprozess ist, in dem sich nicht nur Begriffe, sondern auch Denkmodelle – zum Teil erheblich – verändern. Das spiegelt sich unvermeidlich auch in den Büchern wider, was zur Folge hat, dass man sich bei ihnen nicht nur an ihrem Titel orientieren darf, sondern immer auch das ursprüngliche Erscheinungsjahr im Auge haben muss, um abschätzen zu können, welchen Stand und "Reifegrad" seine Theoriebildung zu diesem Zeitpunkt erreicht hatte.

Das Problem von Adlers Sprache und Argumentationsweise können auch Heinz L(udwig) Ansbacher (1904 – 2006) und seine in Wien promovierte Frau Rowena (? – 1996) in dieser erstmals 1956 als "The Individual Psychology of Alfred Adler" erschienenen Auswahl nur zum Teil lösen, wohl aber das der Systematik und Strukturierung. Ihr 2004 in fünfter, mehrfach erweiterter Auflage erschienenes Standardwerk ordnet wichtige Zitate Adlers nach zentralen Begriffen (wie zum Beispiel Minderwertigkeitsgefühl, Gemeinschaftsgefühl, Lebensstil) und Fragestellungen (wie erste Kindheitserinnerungen und Träume, schwer erziehbare Kinder, Verbrechen und verwandte Störungen).

In insgesamt 19 Kapiteln, die jeweils noch weiter untergliedert sind, sortieren die Ansbachers Adlers zentrale Gedanken und Konzepte und führen sie, wo erforderlich, mit Erläuterungen ein, die Begriffe und Konzepte in ihren geistesgeschichtlichen Kontext stellen. Im Falle des Philosophen Hans Vaihinger, von dem Adler das für sein Denken zentrale Konzept der "Fiktion" übernommen hat, verwenden sie sogar ein halbes Kapitel auf ein Exzerpt von dessen Werk.

Diese Auswahl und Systematisierung ist sehr sorgfältig und kenntnisreich gemacht, und zugleich sehr sachlich und bescheiden, ohne den Drang, irgendetwas ergänzen, kommentieren oder besser wissen zu müssen. Man kann den beiden Autoren nur dankbar sein für diese umfassende Synopse, die weit mehr als eine Fleißarbeit ist, auch wenn sie ungeheuer viel Arbeit gewesen sein muss. Sie ermöglicht es uns Nachgeborenen, was uns Ahnherr Adler selbst nicht möglich gemacht hat, nämlich ganz gezielt zu zentralen Begriffen und Fragestellungen seine Gedanken im O-Ton nachzulesen.

Schlagworte:
Individualpsychologie, Alfred Adler, Hans Vaihinger

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