James Rickards hält den Niedergang des Dollar sowie schwere Turbulenzen im Weltwährungssystem für unausweichlich. Auch wer hofft, dass er Unrecht hat, sollte sich mit seinen sehr fundierten Überlegungen befassen.
Wer einen Untergang des Dollars für ein irreales Horrorszenario hält, möge bedenken, dass es schon einmal fast soweit war: 1978 waren die USA gezwingen, Anleihen in Schweizer Franken zu begeben, weil die Märkte den Ankauf von Dollar-Anleihen verweigerten. Der entscheidende Unterschied zwischen Anleihen in eigener und fremder Währung ist, dass ein Staat die fremde Währung nicht (legal und in großen Mengen) nachdrucken kann. Damit ist der Werterhalt einer Fremdwährungsanleihe garantiert, sofern sie auf eine stabile Währung lautet, während sie bei einer Anleihe in der eigenen Währung eine Vertrauensfrage ist.
Seriöser als der erste Eindruck befürchten lässt
Nur durch den beherzten Einsatz des Internationalen Währungsfonds (IWF), der die Geldmenge in seiner Kryptowährung "Sonderziehungsrechte" stark ausweitete, konnte damals ein Dollar-Crash und der nachfolgende Zusammenbruch des Weltwährungssystems verhindert werden. Heute wäre das kaum noch möglich, weil die Dollar-Geldmenge seit der "Great Depression" so explosionsartig ausgeweitet wurde, dass der heutige IWF mit seinem Eigenkapital nicht mehr mithalten kann. Völlig abwegig ist die Frage nach einem möglichen Ende des Dollars als Weltreservewährung also nicht. Und da derzeit keine andere Währung dazu in der Lage ist, diese Rolle einzunehmen, ist der "Death of Money", sprich der Zusammenbruch des Weltwährungssystems, durchaus eine reale Möglichkeit für den Fall, dass die Märkte das Vertrauen in den Dollar verlieren sollten.
Unter welchen Voraussetzungen es dazu kommen könnte, untersucht der Ökonom und Fondsmanager James Rickards in diesem Buch, und er tut das auf eine durchaus seriöse, kluge und fundierte Weise.
Insgesamt ist "The Death of Money" weit weniger reißerisch als es Titel, Untertitel und einige Kapitelüberschriften vermuten lassen: "The War God's Face", "China's New Financial Warlords", "The New German Reich" … – ich gestehe, es hätte nicht viel gefehlt und ich hätte das Buch zurückgegeben. (Die deutsche Übersetzung versucht offenbar, mit dem Titel "Die Geldapokalypse" noch eins draufzusetzen.) Dann wären mir freilich neben manchen interessanten "Geschichterln" und allerlei schnell wieder vergessenen Details auch einige sehr klare Argumente und wichtige Gedanken entgangen. Es lohnt sich, die Skepsis gegenüber der Titelthese wenigstens vorübergehend hintanzustellen: Wahrscheinlich hält kaum jemand solch dramatische Ereignisse für möglich, bis sie eintreten.
Die Unbeherrschbarkeit hochkomplexer Systeme
Das geeignetste Instrument zur Analyse systemischer Risiken bis hin zu einem möglichen Systemkollaps ist in Rickards Augen die Komplexitätstheorie: "Capital markets exhibit all four of complex systems' defining qualities: diversity of agents, connectedness, interdependance, and adaptive behavior." (S. 11)
Eine erste Implikation, die er daraus ableitet (ohne sie zu begründen), ist, dass für die Risikobewertung nicht der saldierte Nettowert der Derivate maßgeblich ist, sondern ihre Bruttosumme – und die beläuft sich immerhin auf 650 Billionen Dollar, gut das Achtfache des Weltsozialprodukts (!). Was immerhin für diese These spricht, ist das "Counterparty Risk", also das Risiko, dass wichtige Geschäftspartner ausfallen und einen mit in den Strudel ziehen. Das heißt, wenn ich eine Wette verloren, aber auch eine in gleicher Höhe gewonnen habe, hilft mir das wenig, wenn der Gegenpart der gewonnenen Wette pleite ist.
Die zweite Implikation ist für Rickards, dass die Risiken bei komplexen Systemen nicht liniear mit ihrer Größe steigen, sondern exponentiell: Bei einer Verdoppelung oder Verdreifachung also gleich um den Faktor 10 bzw. 100. Noch in der Einführung leitet er daraus ab, was geschehen müsste: "The solutions for this systemic risk overhang are surprisingly straightforward: The immediate task would be to break up large banks and ban most derivatives." (S. 11) Der Nutzen einer solchen Aufspaltung wäre nicht, dass dann keine Banken mehr pleite gehen würden, sondern dass solche Pleiten keine Gefahr für das Gesamtsystem mehr wären.
Aber natürlich ist Rickards Realist genug, um zu wissen, dass die Umsetzungswahrscheinlichkeit dieser Lösungen bei Null liegt, ohne Nachkommastellen. Stattdessen werden die Banken und mit ihnen die Derivate-Summen weiter wachsen – und mit ihnen die Risiken für das Gesamtsystem. Bei der letzten Krise 2008 haben die Mittel und Möglichkeiten der US-Notenbank gerade noch gereicht, um eine "Kernschmelze" des Finanzsystems abzuwenden. Beim nächsten Mal hat die Fed ihr Pulver verschossen; dann dürfen wir gespannt sein, ob der IWF es schafft, den Zusammenbruch zu verhindern.
Wenn ja, wird das allerdings mit der Ablösung des Dollars als Weltreservewährung einhergehen – eine Perspektive, die uns Europäer weit weniger schrecken muss als die Amerikaner. Der größte Gewinner wird allerdings China sein, das mit seinen gigantischen Devisen- und Goldreserven den Schlüssel zu einer Rettung in Händen hält – als Gegenleistung für diese Großtat aber mit Sicherheit eine neue Rolle im Weltfinanzsystem beanspruchen würde. Länder wie Russland, Iran und Indien wären beim Sturz des Dollars sicher mit Begeisterung dabei. Trotzdem hält Rickards auch einen Kollaps des Gesamtsystems für denkbar.
Nach dieser fulminanten Einleitung gliedert sich der Hauptteil des Buches in drei Teile, die etwas nichtssagend "Money and Geopolitics", "Money and Markets" und "Money and Wealth" überschrieben sind. Inhaltlich geht es darum um so verschiedenartige Themen, dass es schwierig ist, seinen gedanklichen Bogen nachzuvollziehen, wenn man in der Einführung den Satz überlesen hat:
"The coming collapse, like those before, may involve war, gold, or chaos, or it could involve all three. This book limns the most imminent threats to the dollar, likely to play out in the next few years, which are financial warfare, deflation, hyperinflation, and market collapse. Only nations and individuals who make provision today will survive the maelstrom to come." (S. 5f.)
Drohende Cyberkriege
Im ersten Teil "Money and Geopolitics" wechselt Rickards scheinbar völlig das Thema und schildert ausführlich die Möglichkeiten, Geld an den Finanzmärkten für kriegerische Zwecke einzusetzen. So wurden im Vorfeld des 11. September 2001 offenbar hohe Beträge auf einen Kurseinbruch von American Airlines und anderen Fluggesellschaften gewettet (Put-Optionen) – vermutlich nicht von den Terroristen selbst, sondern von Mitwissern, die die Klaviatur der Finanzmärkte besser beherrschten und damit immerhin 16 Millionen Dollar verdienten. Seltsamerweise kam eine amerikanische Untersuchungskommission trotzdem zu dem Schluss, dass keine Beweise für verdächtige Aktivitäten vorlägen – es hätte eine makabre Ironie gehabt, wenn diese Mitwisser und Hintermänner nicht wegen Beihilfe zum Massenmord verknackt worden wären, sondern wegen Insider-Trading.
Dass es nicht dazu kam, liegt auch daran, dass nur wenige Experten die Feinmechanik der Kapitalmärkte verstehen. Ein wichtiger Mechanismus ist beispielsweise, was Rickards Signalverstärkung nennt: In den Märkten sind mittlerweile – völlig legal – Akteure unterwegs, die die laufenden Derivategeschäfte ständig auf ungewöhnliche Bewegungen "abhorchen" – und die, ohne ihre Gründe zu verstehen, auf solche Bewegungen aufspringen, im Vertrauen darauf, dass die Auslöser solcher Bewegungen vermutlich Gründe für ihr Handeln haben. Wenn also plötzlich substanzielle Wetten auf einen Kurseinbruch von American Airlines oder Boeing auf ihrem Radar auftauchen, steigen sie ebenfalls ein und versuchen so, von der erwarteten Entwicklung zu profitieren. Wegen des hohen Hebels von Optionen ist diese Strategie selbst dann profitabel, wenn nur ein Teil dieser "blinden Wetten" gut geht. Nebenbei verstärkt diese Strategie die ursprünglichen Signale – und die Insider verschwinden dabei hinter der Staubwolke, die sie selbst aufgewirbelt haben.
Aber das sind nur Spielereien im Vergleich zu dem, was Rickards in diesem und den folgenden Kapiteln aufführt. Es ist atemberaubend und zutiefst beängstigend, was sich an Möglichkeiten auftut, wenn substanzielle Mittel an den Kapitalmärkten nicht mehr zum Behufe von der Geldvermehrung eingesetzt werden, sondern um irgendwelchen Feinden den größtmöglichen Schaden zuzufügen. Der weltweit vernetzte Handel, die Algorithmen der Hochgeschwindigkeitsrechner und die vielfältigen Handelsstrategien innovativer Fonds eröffnen unvorhersehbare Chancen zu einer innovativen Kriegsführung auf dem Finanzsektor, deren Schäden weit über denen konventioneller Kriege liegen. Gruselig etwa die Vorstellung von "Schläfer-Hegdefonds", die sich zunächst als ganz normale Player im Markt etablieren, bevor sie sich irgendwann mit möglichst hohem Hebel selbst zur "Detonation" bringen, mit dem Ziel, die Märkte mitzureißen und idealerweise das Weltfinanzsystem zum Kollaps zu bringen.
"Financial warfare is the future of warfare", stellt Rickards fest (S. 42) – auch zwischen den Großmächten, die hinter den Kulissen eine gewaltige Aufrüstung betreiben. Das könnte sogar eine gute Nachricht sein, weil Finanzkriege zumindest kurzfristig weniger gesundheitsschädlich sind als konventionelle oder gar ABC-Kriege. Es könnte eine gute Nachricht sein, wenn, ja wenn wir unsere Strukturen und Systeme auf diese Gefahren ausrichteten, statt stillschweigend von der "Unsinkbarkeit" des Internets und des Bankensystems auszugehen. Auch selbstfahrende Autos und sich selbst steuernde Kraftwerke und Stromnetze sind eine tolle Sache – solange niemand dazu gewillt und in der Lage ist, in böswilliger, in schadensmaximierender Weise in ihre Software einzugreifen.
Schutz wäre sehr wohl möglich, meint Rickards:
"Ironically, solutions are not hard to devise. These solutions involve breaking big banks into units that are not too big to fail; returning to a system of regional stock exchanges, to provide redundancy; and reintroducing gold into the monetary system, since gold cannot be wiped out in a digital flash. The first-order costs of these changes are more than compensated by increased robustness and second-order benefits." Aber: "None of these remedial steps is under serious consideration by Congress or the White House. For now, the United States is only dimly aware of the threat and nowhere near a solution." (S. 64)
Für Europa gilt wohl Ähnliches.
Die Zerstörung der freien Märkte
Im zweiten Teil "Money and Markets" wechselt Rickards erneut übergangslos das Thema. Wer weitere Ausführungen zu möglichen Finanzkriegen erwartet hat, muss sich erst einmal umstellen; stattdessen geht es nun um freie Märkte – und um deren Zerstörung durch die Notenbanken.
"Markets are places where buyers and sellers meet to conduct the sale of goods and services. (…) Price discovery is still the primary function of markets." (S. 68)
Aber diese Preisfindung kann nur funktionieren, wenn sie nicht durch externe Eingriffe gestört wird:
"Today central banks, especially the U.S. Federal Reserve, are repeating the blunders of Lenin, Stalin, and Mao without the violence, although the violence may come yet through income inequality, social unrest, and a confrontation with state power." (S. 71)
Rickards wirft der Fed und den anderen Notenbanken vor, mit ihren ständigen und langanhaltenden Eingriffen das Funktionieren der Märkte auszuhebeln. Das führe zu Verzerrungen, Blasen und vor allem zu Risiken, die kaum vorhersehbar sind und außerhalb unseres Vorstellungsvermögens liegen:
"We can no longer trust what the markets tell us. That's because those who control them do not trust the markets themselves; Yellen and the rest have come to think their academic hand is more powerful than Adam Smith's invisible one. The result has been the slow demise of market utility that, in turn, pressages the slow demise of the real ecomony – and of the dollar." (S. 88)
Die verbleibenden drei Kapitel des zweiten Teils untersuchen wichtige Märkte außerhalb der USA: China, Europa und die Emerging Markets. China attestiert Rickards gigantische Fehlinvestitionen, die weit mehr von Korruption und Nepotismus getrieben sind als von einer weitsichtigen Vorausschau auf künftigen Bedarf:
"China has fallen prey to the new financial warlords, who loot savings with one hand and send the loot abroad with the other. The Chinese growth story is not over, but it is heading for a fall. Worese yet, the ramifications will not be confined to China but will ripple around the worlds. This will come at a time when growth in the United States, Japan, and Europe is already anemic or in decline. As in the 1930s, the depression will go global, and there will no place to hide." (S. 111)
Überraschend positive Sicht auf Europa und den Euro
Europa, das er unter der deplatzierten Überschrift "The New German Reich" abhandelt, sieht Rickards erstaunlich wohlwollend. Wie die Überschrift deutlich macht, sieht er eine neue deutsche Hegemonie. (Die mir so noch nicht aufgefallen ist. Eine Hegemonie müsste ja, um wirksam zu sein, wenigstens vom Grundsatz her akzeptiert sein.) Noch überraschender ist aber seine Haltung zum Euro: Im Gegensatz zu fast allen anderen mir bekannten amerikanischen Ökonomen ist er fest von dessen Fortbestand überzeugt. Zu den Euroskeptikern innerhalb und außerhalb Europas meint er:
"A close examination reveals that these doubts are misplaced, and that the euro project is considerably more durable than these critics suppose." (S. 128)
Er weist den Euroskeptikern mehrere schwere Denkfehler nach, unter anderem, zu übersehen, dass die USA ein massives Eigeninteresse am Fortbestand des Euro haben, weil dessen Zusammenbruch zu einem steilen Anstieg des Dollar führen und damit die ohnhin angeschlagene internationale Wettbewerbsfähigkeit der amerikanischen Wirtschaft endgültig ruinieren würde. Ähnliches gälte für China: "If the two largest economies in the world, the United States and China, did not want the euro to go down, then it would not go down." (S. 130) Sein stärkstes Argument aber ist es wert, es sich in Deutschland und Europa immer wieder vor Augen zu führen. In den Worten des französischen Intellektuellen Guy Sorman: "Europe was not built for economic reasons, but to bring peace between European countries. It is a political ambition. It is the only political project of our generation. We'll pay the price to save this project." Rickards Resüme: "In sum, the euro is strong and getting stronger." (S. 132)
Rickards hält es sogar für möglich, dass der Euro den Dollar bis 2025 als Weltreservewährung ablösen könnte, nachdem (bzw. sofern) mit echten Eurobonds ein großer, liquider Anleihenmarkt geschaffen wurde. Dies entspräche auch den Interessen von Russland und China. Auch in der vielbeschworenen Demographie sieht er kein wirkliches Problem für Europa:
"A working-age population is not the same as a workforce. When unemployment is high, as it is in much of Europe, new entrants can come into the workforce at a much higher rate than population growth, assuming jobs are available. The pools of well-educated unemployed are so large in Europe today that demography places no short-term constraints on productive labor factor inputs." (S. 134f.)
Von der wachsenden internationalen Rolle der Emerging Markets erwartet sich Rickards ebenfalls eine Verringerung der internationalen Rolle des Dollars – schon weil diese Länder kein Interesse daran habne können, ausschließlich von einer einzigen Weltreservewährung abhängig zu sein.
Schleichender Vertrauensverlust in den Dollar
Im dritten Teil "Money and Wealth" wird Rickards zunächst grundsätzlich: Er befasst sich mit Geld und Schulden – und arbeitet für beide die Schlüsselrolle des Vertrauens heraus. Die "Vertrauensfrage" stellt sich insbesondere bei reinem Papiergeld (fiat money), das nicht durch irgendwelche realen Werte gedeckt ist, und dementsprechend bei Schulden, die sich auf Papiergeld belaufen. Dabei ist nach seiner Auffassung – abweichend von Reinhart und Rogoff – nicht die Höhe der Schulen das eigentliche Problem, sondern deren Entwicklungslinie. Heikel wird es, wenn bei den Gläubigern Zweifel an der Fähigkeit der Schuldner aufkommen, ihre Kredite mit werthaltigem Geld zurückzuzahlen:
"What matters (…) is not the level but the trend (…) Contrary to the often-cited Carmen Reinhart and Kenneth Rogoff thesis, the absolute level of debt to GDP is not what triggers a crisis; it is the trend towards unsustainability." (S. 182)
Hier haben sich etliche Länder in eine gefährliche Position manövriert, zum Teil durch die "alternativlose" Bankenrettungen 2008/09. Für die USA kommt aber noch ein Problem hinzu, nämlich "Triffins Dilemma", benannt nach seinem Entdecker, dem belgischen Ökonomen Robert Triffin. Es liegt darin, dass ein Land, das die (bzw. eine) Weltreservewährung stellt, dauerhaft ein substanzielles Außenhandelsdefizit haben muss, damit genug von seiner Währung zur Abwicklung des Welthandels zu Verfügung steht. Das hat kurzfristig zwar den Vorteil eines "kostenlosen Einkaufens" mit frisch gedrucktem Geld, untergräbt langfristig aber das Vertrauen in die Währung.
Paradoxerweise werfen sowohl eine Dollarschwemme als auch dessen Verknappung die Frage nach einer Alternative auf. Für den Fall einer (erneuten) Vertrauenskrise des Dollars steht nach Rickards' Einschätzung der IWF bereit, in die Bresche zu springen. Seine mysteriösen "Sonderziehungsrechte" (special drawing rights / SDRs) sind schon jetzt nichts anderes als eine notdürftig getarnte Weltwährung, deren Wert sich nach einem Korb wichtiger Währungen bestimmt. Im Ernstfall müssten diese "SDRs" vom IWF nur zu einer offiziell handelbaren Währung erklärt werden, und fertig wäre die neue Weltreservewährung. China, Russland, die Ölstaaten und die meisten Schwellenländer hätten vermutlich ihre Freude an einer solchen Entwicklung.
Auf dem Weg zu einer neuen Weltreservewährung
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die neue Weltreservewährung abermals eine reine Papierwährung mit all ihren Glaubwürdigkeitsrisiken sein sollte. Im Kapitel "Gold Redux" bringt Rickards einen Goldstandard ins Gespräch. Kritikern, die das schon wegen der begrenzten Goldmenge für unmöglich halten, hält er entgegen, dies sei nur eine Preisfrage. Was bei einem Goldpreis von 1200 Dollar ausgeschlossen wäre, sei bei geschätzten 9000 Dollar überhaupt kein Problem. Offen lässt er allerdings, wie bei einem Goldstandard ein "Atmen" der Geldmenge erfolgen könnte. Als typischer Ökonom fragt er sich ebenfalls nicht, welche ökologischen Auswirkungen ein Goldpreis von 9000 Dollar hätte: Dann würde sich auch der Abbau von heute völlig unrentablen Vorkommen lohnen, mit erheblich höherem technischem, chemischem und energetischem Aufwand. Keine gute Perspektive.
Aber möglicherweise erledigt sich diese Diskussion von selbst, denn die asiatischen Notenbanken, allen voran China, schaffen längst Fakten: Sie kaufen in großen Mengen Gold auf, zum Teil über verdeckte Kanäle, als ob sie sich bereits auf einen Wertverlust des Dollars und/oder auf einen neuen Goldstandard vorbereiten wollten. Ähnliches tun Länder wie Korea, Indien, Laos, Thailand, die Türkei, aber auch Mexiko und Argentinien, ja sogar Kasachstan, Weißrussland und die Ukraine. Auch die Bemühungen etlicher Länder, darunter auch Deutschland, ihr im Ausland gelagertes Gold "nach Hause" zu holen, erscheinen in diesem Zusammenhang in einem neuen Licht.
Faktisch bewegt sich die Welt bereits auf einen Schatten-Goldstandard zu. Wobei ein ebenso überraschender wie einleuchtender Hinweis Rickards' ist, dass dafür gar kein fester Kurs erforderlich ist: Solange es möglich ist, sein Geld jederzeit in Gold zu tauschen, wenn das Vertrauen in das Geld schwindet, haben wir einen faktischen Goldstandard, wenn auch nur einen variablen. Eine Volldeckung wäre nach seiner Auffassung gar nicht erforderlich: '"In practice, the system requires only enough gold to supply anyone with a preference for physical gold over gold-backed paper money, and adequate assurance that the fixed gold price will not be changed once established." (S. 239) Die Frage ist allerdings, wie eine solche glaubwürdige Zusicherung ohne eine Volldeckung gegeben werden kann.
Insgesamt sieht Rickards die Welt an einem Scheideweg:
"Federal Reserve policy is at a crossroad facing unpleasant paths in all directions. Monetary policy around the world has reached the point where the contradictions embedded in years of market manipulation have left no choice that do not involve either contraction or catastrophic risk. Further monetary easing may precipitate a loss of confidence in money; policy tightening will restart the collapse in asset values that began in 2007. Only structural change in the U.S. economy, something outside the Fed's purview, can break this stalemate." (S. 243)
Weiter auf einen zyklischen Aufschwung zu hoffen, ist nach seiner Auffassung sinnlos, weil die Probleme der Weltwirschaft nicht zyklisch, sondern strukturell sind. Der gegenwärtige Stillstand wird daher zum Dauerzustand werden, solange es keine strukturellen Veränderungen gibt, bei wachsender Gefahr eines historischen Crashs.
Möglicherweise wird dabei auch der Zusammenbruch der US-Notenbank eine Rolle spielen, die Rickards auf dem Weg zu einer technischen Insolvenz sieht. Sie hat ja in der selbstgeschaffenen Niedrigzinsphase in großen Mengen Anleihen gekauft, um Geld in die Märkte zu pumpen. Wenn irgendwann die Zinsen steigen, weil das Vertrauen in den Dollar schwindet, verlieren dies niedrig verzinsten Anleihen an Wert, sodass binnen kürzester Zeit das Eigenkapital der Fed aufgezehrt ist bzw. sich ins Negative dreht. Um den Zinsanstieg zu dämpfen, müsste die Fed dann eigentlich mit massiven Anleihekäufen gegensteuern. Wenn sie das aber tut, ist es um sie geschehen. Wie wird die Fed dann reagieren? Die Zinsen ungebremst ansteigen lassen und die Anleihen bis zur Fälligkeit halten? Insolvenz erklären? Den hochverschuldeten amerikanischen Staat um eine Kapitalerhöhung bitten?
Wo wird das alles enden?
In seiner "Conclusion" stellt James Rickards zunächst fest, dass manche Prozesse irreversibel sind – so auch der Vertrauensverlust in eine Währung. Wenn er eingetreten ist, ist die betreffende Währung kaum noch zu retten. Für diesen Fall sieht drei Szenarien, wie die Entwicklung dann weitergehen könnte:
- Erstens die allmähliche Ablösung des US-Dollar durch die "Sonderziehungsrechte" oder eine ähnliche neue Weltreservewährung, die auf einem "Währungskorb" basiert. Hierfür gibt es laut Rickards sogar einen offiziellen Zehn-Jahres-Plan des IWF, dem die USA zugestimmt haben. Er sieht eine schrittweise größere Rolle der "SDR's" und einen steigenden Anteil des Yüan vor. Allerdings hält er das nicht für das wahrscheinlichste Szenario, weil die Situation nach seiner Einschätzung begonnen hat, ihre eigene Dynamik zu entwickeln.
- Stattdessen könnte es irgendwann in den nächsten Jahren zu einer Panik an den Finanzmärkten kommen, verursacht zum Beispiel aus einer Derivate-Krise samt einer Kettenreaktion im hoch verflochtenen Finanzsystem, die in eine weltweite Liquiditätskrise mündet. Die Staaten und Notenbanken dieser Welt wären wegen ihrer eigenen Probleme diesmal nicht mehr dazu in der Lage, als Retter einzuspringen. Das heißt, in diesem Fälle würde das Unheil seinen Lauf nehmen. Der Aufbau eines neuen Währungssystems müsste dann unter dem Stress eines globalen Crashs erfolgen. Der Dollar würde dann wohl eine massive Abwertung erfahren: "In this scenario, savings in the form of bank deposits, insurance policies, and retirement benefits will be largely wiped out." (S. 293)
- Trotzdem ist das noch nicht das hässlichste Szenario; mit "Social Disorder" setzt Rickards noch eins drauf. In diesem Fall hält er beinahe alles für möglich, wobei er davon ausgeht, dass Aufstände (in den USA) mit massiver Polizei- und Militärgewalt niedergeschlagen würden: "Once social disintegration begins, it will be difficult to arrest. If social disintegration is not predictable, the official response is. It will take the form of neofascism, the substitution of state power for liberty." (S. 294)
Rickards nennt sieben Anzeichen dafür, dass es ernst wird:
- Ein plötzlicher Anstieg des Goldpreises, der zeigt, dass die Märkte so nervös geworden sind, dass die Goldpreismanipulation nicht mehr greift;
- Anhaltende Goldkäufe durch die Zentralbanken;
- Reformen der Entscheidungsstrukturen des IWF, die China mehr Stimmrechte einräumen;
- Das Scheitern einer Reformierung des Finanzwesens (an der Bankenlobby im US-Kongress);
- Technische System-Crashs im internationalen Finanzsystem – eine Zunahme von Flash-Crashs und ähnlichen Phänomenen, die zeigen, dass die Algorithmen verschiedener Hochfrequenzhändler sich in unvorhersehbarer Weise gegenseitig beeinflussen;
- Das Ende von Quantitative Easing und "Abenomics";
- Ein Kollaps von China.
Rickards macht darauf aufmerksam, dass nicht alle diese Anzeichen notwendigerweise eintreten müssen: "The appearance of some signs may negate or delay others. They will not come in any particular order." (S. 298)
Handlungsempfehlungen für die oberen Einkommensgruppen
Angesichts solcher Szenarien stellt sich natürlich die Frage, was man als Privatperson oder als mittelständisches Unternehmen tun kann, um mit einigermaßen heiler Haut aus dem Chaos aus extremer Inflation, extremer Deflation und sozialen Unruhen herauszukommen, das Rickards auf uns zukommen sieht. Er beschränkt sich dabei auf die finanzielle Seite und erspart und Tipps zur Einlagerung von Konserven und Waffen.
Die erste seiner fünf Empfehlungen ist, einen Teil des eigenen Vermögens in physischem Gold zu stecken – wobei er Gold weniger als Investition denn als Versicherung für die unterschiedlichsten Krisenfälle betrachtet. Seine zweite Empfehlung ist Land, und zwar solches, das landwirtschaftlich nutzbar ist. Drittens empfiehlt er Kunst: "This includes museum-quality paintings and drawings but is not intended to include the broader range of collectibles such as automobiles, wine, or memorabilia." (S. 299) Viertens rät er zu "alternative funds (…) with strategies that are robust to inflation, deflation, and disorder." (S. 299) Alles keine ganz leicht umsetzbaren Empfehlung, im Gegensatz zu der fünften, nämlich Bargeld, allerdings in verschiedenen Währungen. Ausdrücklich nennt er "Singapore dollar, the Canadian dollar, the U.S. dollar, and the euro." (S. 300)
Insgesamt hält Rickard ein Portfolio von 20 Prozent Gold, 20 Prozent Land, 10 Prozent Kunst, 20 Prozent alternative Fonds und 30 Prozent Cash vorerst für die optimale Balance, um eine Vermögenserhaltung in schwierigen Zeiten, eine risikoadjustierte Geldanlage und ausreichender Liquidität unter einen Hut zu bringen. Allerdings müsse dieses Portfolio aktiv gemanagt werden, um es an die jeweilige Entwicklung anzupassen:
"If gold reaches $9,000 per ounce, there may then come a time to sell gold and acquire more land. If inflation emerges more rapidly than expected, it may make sense to convert cash to gold." (S. 300)
Sein Schlusswort wirkt wie ein etwas angestrengter Versuch, "to end on a positive note", also trotz all der schlechten Nachrichten einen positiven Ausblick zu geben:
"Although the scenarios decribed in this book are dire, they are not necessaily tomorrow's headlines. Much depends on government and central banks, and those institutions have enormous staying power even while pursuing ultimately ruinous policies. The world has seen worse crises than financial collapse and lived to tell the tale. But when the crash comes, it will be better to be among those who have braced for the storm. We are not helpless; we can begin now to prepare to wheater the inevitable outcome of the hubris of central bankers." (S. 300 f.)
Resümee
Zu kritisieren ist an diesem Buch, dass James Rickards seinen Lesern zu wenig Orientierung gibt, um in der hochkomplexen Materie den roten Faden zu behalten. Er schreibt klar, anschaulich und stellt stellt komplexe Zusammenhänge sehr nachvollziehbar dar, aber man verliert leicht den Überblick. Mit der Folge, dass man, wenn man sich nicht aktiv anstrengt, um die Struktur und Logik seines Gedankengangs zu verstehen, als Resümee eher eine Vielzahl von klugen, spannenden, aber recht unzusammenhängenden Gedanken mitnimmt als ein schlüssiges Gesamtbild. Ein wenig "Forward Guidance" im Sinne einer Vorschau auf das Kommende sowie gelegentliche Zwischenzusammenfassungen würden dem Leser das Durchdringen seiner Gedanken erheblich erleichtern.
So wechselt er beispielsweise von der oben zusammengefassten Einleitung mit seiner Prognose über die Ablösung des Dollars übergangslos in das erste Kapitel "Prophesy", das sich mit dem Thema Cyberwars befasst. Dort gibt er plötzlich eine – sehr lebendige und eindrucksvolle – Schilderung davon, welch kriegerische Vorgänge sich, unbemerkt von Medien, Öffentlichkeit und Politik, hinter den Kulissen der elektronisch vernetzten Finanzmärkte abspielen. Wie hängt das eine mit dem anderen zusammen? Das muss der Leser selbst herausfinden – sofern er sich die Mühe macht.
Trotz dieses Mangels – den man als Leser mit etwas zusätzlicher Anstrengung kompensieren kann – ist "The Death of Money" in meinen Augen ein sehr wichtiges und lesenswertes Buch, das nicht nur verbreitete Unkenrufe rekapituliert, sondern mit eigenen Analysen und gescheiten Gedankengängen überzeugt. Ob es am Ende so kommen wird, wie James Rickards erwartet, kann wohl nur die Zeit zeigen. Er selbst hofft, wie er in einem Interview sagte, dass er Unrecht hat, aber er befürchtet, dass seine Erwartungen wenigstens von der groben Richtung her eintreten werden. Dem kann ich mich in beiden Punkten anschließen.
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