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Praxishandbuch für ein karges, aber resilientes Leben

Greer, John Michael (2013):

Green Wizardry

Conservation, Solar Power, Organic Gardening, Hands-On Skills from the Appropriate Tech Toolkit

New Society Publishers (Gabriola Island); 235 Seiten; 17,20 Euro


Nutzen / Lesbarkeit: 9 / 8

Rezensent: Winfried Berner, 02.06.2016

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Angesichts des aus seiner Sicht bevorstehenden Zusammenbruchs unserer Wirtschaftsweise bietet Greer eine praxisnahe Übersicht, wie man sich auf Basis der Appropriate Tech der siebziger Jahre selbst mit Nahrung und Energie versorgen kann.

Wenn etwas nicht ewig weitergehen kann, wird es irgendwann enden. Das gilt auch für das Wirtschaftswachstum auf einer endlichen Erde sowie für den Verbrauch nicht erneuerbarer Ressourcen. Allenfalls kann die Frage sein, wann dieser Punkt erreicht ist. Nach Auffassung von John Michael Greer, einem – im positiven Sinne – "radikalen" Vordenker der amerikanischen Ökoszene, haben wir diese Schwelle bereits überschritten und arbeiten mit unserem ungehemmten Energie- und Ressourcenverbrauch darauf hin, den bevorstehenden Kollaps immer härter und katastrophaler zu machen. Statt mit den letzten verfügbaren Reserven eines endlichen Ökosystems möglichst behutsam umzugehen, blasen wir sie durch den Kamin und durch den Auspuff, als ob es kein Morgen gäbe und/oder als ob uns das Schicksal unserer Nachfahren von ganzem Herzen egal wäre.

Vorbereitung auf das "Undenkbare"

Natürlich weiß auch Greer nicht, wann die Entwicklung kippen wird und wie schnell der Zusammenbruch dann gehen wird. Gut möglich, dass die anhaltenden Schwierigkeiten, die Weltkonjunktur wieder auf Trab zu bringen und wenigstens ein bisschen Wachstum und Inflation herbeizuführen, ein Anzeichen dafür sind, dass wir bereits mitten in diesem Umbruch stecken. Wissen werden wir es erst hinterher – und dann werden es viele schon immer vorhergesehen haben.

Angesichts dieser Ungewissheit können wir wählen, welcher Fehler und lieber ist: Die bestehenden Risiken auszublenden, weiterzumachen wie bisher – und von dem Systemkollaps auf dem falschen Fuß erwischt zu werden, oder uns in unserer Lebensweise auf einen möglichen Kollaps vorzubereiten – und dann möglicherweise feststellen zu müssen, dass er doch noch nicht zu unseren Lebzeiten eingetreten ist. Letzteres wäre ein bisschen doof und würde uns jede Menge Spott und Hohn einbringen – ersteres ein gefährlicher und potenziell tödlicher Irrtum. Vor der Wahl zwischen drohender Blamage und Lebensgefahr entscheiden sich die meisten Menschen – für die Vermeidung des Risikos, sich lächerlich zu machen. Das heißt, sie machen, was auch "die anderen" machen: Nichts.

"Green Wizardry" wendet sich an diejenigen, denen die Verantwortung für ihre eigene Zukunft sowie für die ihres sozialen Umfelds wichtiger ist als die Angst vor Ablehnung und Spott. Es zielt auf die, denen es wichtiger ist, ihrer Überzeugung und ihrem Gewissen zu folgen als dem Mainstream.

Ausbildung von "Green Wizards"

Aus der Überzeugung, dass sich die Entwicklung sehr schnell zuspitzen könnte, hält John Michael Greer es für ratsam, nicht vorrangig auf die Entwicklung neuer Ideen, Konzepte und Methoden zu setzen, sondern auf Methoden und Ansätzen aufzubauen, die ihre Bewährungsprobe bereits bestanden haben und über die Phase der Denkfehler, falschen Annahmen und übersehenden Nebeneffekte bereits hinaus sind. Deshalb knüpft er ganz bewusst an die fast vergessene "Appropriate Tech"-Bewegung aus den siebziger Jahren an, die damals im Gefolge der "Grenzen des Wachstums" und anderer aufrüttelnder Berichte versuchten, einen neuen, nachhaltigen Stil des Lebens und Wirtschaftens zu entwickeln.

Aber John Michael Greer wäre nicht John Michael Greer, wenn er nicht mit einem Blick auf das Grundsätzliche begänne und nicht mit einem ebensolchen endete. Und wenn sein Blick auf das Grundsätzliche nicht zu neuen Perspektiven und überraschenden Einsichten führte. Das beginnt schon mit dem dem Begriff "(Green) Wizardry" im Titel, der bei Greer natürlich wohlüberlegt ist und nicht bloß dem spontanen Einfall eines Verlagslektors oder einer Marketingabteilung geschuldet ist. Der Begriff "Wizardry" knüpft an frühmittelalterliche Universalgelehrte mit starkem Praxisbezug an: An Menschen, die nach dem Niedergang der Antike deren weitgehend verlorengegangene Wissen bewahrten und ihre Existenzberechtigung daraus ableiteten, dass sie ihren (wohlhabenden) Zeitgenossen dabei halfen, daraus Nutzanwendungen zu ziehen.

Mit diesem Buch will John Michael Greer zur Ausbildung von "Green Wizards" beitragen, die sich das beinahe schon verloren gegangene Wissen der "Appropriate Tech"-Bewegung erschließen, nicht nur, um es zu bewahren, sondern vor allem, um es anwendbar zu machen, um die vor uns liegenden Umbrüche zu bewältigen.

Abschied von vielen grünen Illusionen

Auf dem Weg dorthin zerstört Greer etliche Vorstellungen und Wunschphantasien, die heutzutage auch in weiten Teilen der Öko- und Alternativszene kultiviert werden – wie etwa, dass es möglich wäre, unseren heutigen Lebenskomfort mit einigen kleinen Anpassungen in Richtung Nachhaltigkeit aufrechtzuerhalten, wie etwa die Rund-um-die-Uhr-Energievollversorgung mit der Umstellung auf erneuerbare Energien hinzukommen. Nach seiner Überzeugung werden viele der erforderlichen Rohstoffe und komplexen Technologien nach dem Kollaps nicht mehr zu Verfügung stehen. Manches davon wird zwar für eine Übergangszeit noch nutzbar sein, aber es taugt nicht als Fundament einer im wirklichen Sinne des Wortes nachhaltigen Lebensweise.

Das sind ohne Zweifel "radikale", zutiefst beunruhigende Ansichten, und man ertappt sich beim Lesen immer wieder bei der Hoffnung, dass Greer vielleicht doch zu schwarz malt. Wobei am beunruhigendsten ist, dass er sich erstens verdammt gut und umfassend in seiner Materie auskennt und dass er zweitens von seinem gesamten Habitus her kein "Doomsayer" oder rabenschwarzer Pessimist ist, der in einer bizarren Erotik des Untergangs suhlt, sondern einfach nur in ruhiger Gelassenheit, aber mit großer Konsequenz die verfügbaren Erkenntnisse durchdenkt, daraus die aus seiner Sicht unvermeidlichen Schlüsse zieht. In dieser Konsequenz lässt er sich auch durch den grünen Mainstream nicht irre machen, der inzwischen voll auf eine "nachhaltige" Fortschreibung des Status Quo eingeschwenkt ist. Er stellt sich damit klar gegen den "state of denial" (S. XII), der längst auch die Ökoszene durchzieht und (sehr) viele grün-alternative Politiker und "Vordenker" fest im Griff hat.

"Green Wizardry" besteht aus insgesamt 36 "Lektionen", unterteilt auf vier Teile. Die Teile sind schlicht "Principles", "Food", "Energy" und "Whole Systems" überschrieben. Jeder Teil schließt mit einem Abschnitt "Resources" ab, in dem Greer wichtige Literatur – vorwiegend aus den siebziger und achtziger Jahren – vorstellt und kurz kommentiert.

Messerscharfer Blick auf die Grundlagen

In "Principles" geht es wirklich um die Grundlagen: Um Energie, Materie und Information, um Systemdenken, den Unterschied zwischen "Flows" und "Funds" sowie um die geschundenen Schlüsselbegriffe Sustainability und Resilience. Das könnte man beinahe zu fundamental finden, aber es ist immer wieder bemerkenswert, was Greer aus solchen Themen herausholt: Zum Beispiel, dass Energie gemäß dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik zwar nicht verloren gehen kann, aber von einem Zustand hoher Konzentration immer mehr verteilt, bis schließlich nur noch diffuse Hintergrundwärme übrig ist. Was zur Folge hat, dass die für praktische Zwecke nutzbare Energie endlich ist.

Im Gegensatz zu Energie verschwindet Materie niemals: "There is no such place as Away" (S. 10). Daher taucht sie oft an unerwarteter und unerwünschter Stelle wieder auf: "Matter moves in circles, especially when you don't want it to do so." (S. 8) Was äußerst unerfreuliche Folgen haben kann, etwa bei angeblich sicher "entsorgten" Giftmüll, bei Herbiziden und Pestiziden, an ins Meer gespülten Kunststoff und den Müllbergen unserer Zivilisation. Greers griffig auf den Punkt gebrachte Konsequenz: "If you can't transform it, don't produce it." (S. 12)

Beim Thema Information hebt Greer den Unterschied zwischen Daten und Information hervor und definiert Information unter Rückgriff auf Gregory Bateson als "a difference that makes a difference" (S. 14). Die eigentliche Leistung besteht nicht in dem Ansammeln von möglichst vielen Daten, sondern in deren Filterung, das heißt aus der Extraktion von Information aus den Daten. Das setzt einen Zweck oder eine Absicht ("intentionality") voraus, für die diese Information dienen soll. "A buildup of too much information in a system is just as damaging as a buildup of too much energy or too much matter. (…) Anything that is only relevant in short term needs to be purged ruthlessly once its usefulness has expired. That is why so much of what goes into your short-term memory, for example, never makes it into long-term memory." (S. 16) Nicht Wahrnehmung und Speicherung ist die zentrale Leistung informationsverarbeitender Systeme, sondern Auswahl!

Resilienz statt Effizienz

Letztes Beispiel: Resilienz. Greer definiert sie als "the opposite of efficiency" (S. 34). Damit schießt er meines Erachtens über das Ziel hinaus, denn Ineffizienz bedeutet nicht automatisch Resilienz. Immerhin gibt es zahlreiche hochgradig ineffiziente Strukturen und Systeme, die weit davon entfernt sind, resilient zu sein. Richtig ist aber zweifellos, dass Resilienz und maximale Effizienz unvereinbar sind: Redundante Strukturen und Prozesse beispielsweise erhöhen die Ausfallsicherheit, aber um den Preis der Effizienz.

Die Besessenheit unserer Industriekultur mit Effizienz interpretiert Greer als Vorahnung, dass wir uns den verschwenderischen Umgang mit Ressourcen nicht mehr leisten können und deshalb produktiver werden müssen, um unseren Standard halten und ausbauen zu können: "… precise management becomes the order of the day; waste gets cut and so, inevitably, do corners." (S. 35)

Sein Ansatz geht genau in die umgekehrte Richtung: "Most of the steps proposed in this book are inefficient. It's inefficient in terms of your time and resources to dig up your backyard and turn it into a garden, but that inefficiency means that if anything happens to the hypercomplex system that provides you with your food (…) you still get to eat. It's equally inefficient to generate your own electricity, to retrofit your home for conservation, to do all the things that will be discussed in this book. Those inefficiencies, in turn, are measures of resilience; they define your fallback options, the extra strength you build into the bridge to your future, so that it can hope to stand up to the approaching tempest." (S. 36)

Deshalb hält er es für ratsam, sich an altbewährte Methoden zu halten statt an die allerneueste Technik: "One of the crucial details of this approach involves the hugely unpopular step of relying on older technologies instead of their up-to-date equivalents. By and large, older technologies are less efficient. That means, in turn, that older technologies tend to be more resilient. Using those technologies means accepting downscaled expectations" (S. 37). Auch wenn dieser Schluss, wie gesagt, wohl nicht zwingend ist, lohnt es sich in jedem Fall, darüber nachzudenken, wie resilient die "nachhaltigen" Systeme, auf die man umzusteigen gedenkt, auch bei einem Kollaps unserer Versorgungsinfrastruktur wären.

LESS: Less Energy, Stuff, and Stimulation

Mit insgesamt zwölf Lektionen ist der zweite Teil "Food" der umfangreichste des Buchs – und ab nun wird es sehr praktisch, auch wenn weiterhin gelegentliche Ausflüge in die Theorie wie "Understanding Soil" vorkommen (und sehr nützlich sind). Das Themenspektrum reicht von "The Small Garden", "Composting and Mulching" über "Season Extenders", "Home Livestock" und "Breeding New Varieties" bis zu "Storing the Harvest" und "Using the Harvest". Vieles davon dürfte ökologisch angehauchten Hobbygärtnern nicht unbekannt sein. Das Besondere an diesem Buch ist, dass alles konsequent unter der Perspektive der Resilienz bzw. der Unabhängigkeit von den Errungenschaften der Industriegesellschaft durchdacht und ausgearbeitet ist.

Ebenfalls zwölf Lektionen umfasst der Teil "Energy", und er beginnt – natürlich – mit "Using Less Energy". Die Abschnitte über "Caulking and Weatherstripping", "Insulation" und "Window Covering" sind sehr auf amerikanische Häuser zugeschnitten, wo Wärmedämmung ein Fremdwort ist. Aber spätestens wenn es um "Hayboxes and Sunboxes", um Solarenergie für Warmwasser und Heizung sowie um andere Energiequellen geht, sind auch Nichtamerikaner angesprochen. Schließlich wird auch das Thema "Transportation" so ausführlich behandelt wie es auf sieben Seiten eben geht.

Im vierten Teil "Whole Systems" fügt Greer die Bausteine, die er bislang präsentiert hat, zu einem Gesamtbild zusammen. Es geht ihm um eine Neuausrichtung der eigenen Lebensweise, die sich an dem Akronym LESS orientiert: "Less Energy, Stuff, and Stimulation" (S. 179). Eine wesentliche Begründung dafür sind für ihn die gnadenlosen Verteilungskämpfe, die ausbrechen werden, wenn das Wachstum in Stagnation und schließlich in Schrumpfung übergeht. Ein selbstgewählt einfacher Lebensstil ist die beste Möglichkeit, sich aus diesen Kämpfen herauszuhalten: "Those who turn their backs on the things being fought over, and distance themselves from the battlefields, have a very good chance of staying clear of the resulting difficulties." (S. 205)

Bewusste Vielfalt an Varianten

Wie er aufzeigt, gibt es unterschiedliche Modelle, LESS in die Tat umzusetzen. Er nennt sie "The New Alchemy Option" – den Versuch, über innovative neue Technologien wie zum Beispiel Passivhäuser und Aquakulturen mehr Resilienz zu erreichen  –, "The Down Home Funk Option" – der Rückgriff auf die Rezepte und Methoden unserer Groß- und Urgroßeltern, die zwar altmodisch und ineffizient sind, aber billig und robust –, und "The Retrofit Option", die darin besteht, das Vorhandene umzurüsten und besser zu nutzen, beispielsweise über die energetische Sanierung bestehender Häuser und durch die Verlängerung der Nutzung vorhandener Produkte: "In most cases, the best way to save energy and resources is to buy something used." (S. 193) Das gilt

Jeder sollte sich aus diesen und anderen Optionen die heraussuchen, die ihm am meisten zusage, empfiehlt Greer. Angesichts der bevorstehenden Umbrüche sei es weder möglich noch sinnvoll, sich auf eine einheitliche Lösung zu verständigen; vielmehr gehe es darum zu verstehen, "that every problem has many possible solutions" (S. 196). In Anlehnung an Ewa Ziarek fordert er deshalb, den Weg des "Dissensus" zu gehen: Das bewusste Vermeiden von Konsens hat dort seinen größten Wert, wo Konsens entweder nicht möglich ist oder eine schlechte Idee wäre, weil jede Festlegung auf einen einzigen Weg voreilig wäre. Da wir aber nicht wissen können, wie diese Umbrüche verlaufen werden, wäre es gefährlich, sich auf ein einheitliches Konzept zu einigen. Stattdessen ist es sinnvoll, der Selektion möglichst viele unterschiedliche Varianten anzubieten, um herauszufinden, was sich bewährt und was nicht, und sich, sobald das Bild klarer, entsprechend anzupassen.

Genau das ist es, was Greers "Green Wizard Toolkit" leisten soll: Wer seine eigenen Nahrungsmittel erzeugt, ist nicht mehr völlig abhängig von einer zunehmend gefährdeten Lebensmittelversorgung. Wer seinen Energieverbrauch drastisch absenkt, ist weniger verletzlich für eine unzuverlässiger werdende Energieversorgung. Wer möglichst viele Dinge selbst herstellt, statt sich auf globale Lieferketten zu verlassen, den trifft es weniger, wenn diese Ketten zerreißen. "Those who do these things, teach these things to neighbors and friends, and help build local networks of mutual exchange and support, will be creating the framework for the next stage of the future (…) with the crumbling skeleton of the old industrial order." (S. 205)

Woran ist der große Aufbruch der siebziger Jahre gescheitert?

In einem lesenswerten Nachwort "Why It Matters" stellt Greer die Frage, woran der große Aufbruch der siebziger Jahre eigentlich gescheitert ist und was die Wurzeln des "contemporary cult of nihilism" (S. 212) sind. Nach seiner Einschätzung steht der defensive Zynismus, der heute die Szene prägt, samt seiner Neigung zu Verschwörungstheorien, in auffälligem Kontrast zu der idealistischen, teilweise auch naiven und arroganten Weltenrettungseuphorie der siebziger Jahre.

Greer sieht dahinter die Enttäuschung über das eigene Scheitern, das schlechte Gewissen, nicht genügend zu tun und getan zu haben und, im Jungschen Sinne, die "Projektion des Schattens" auf Sündenböcke, die der eigenen Gewissensentlastung dienen soll. Auch die gängigen apokalyptischen Fantasien dienen der Entlastung – allerdings nicht von Schuld, sondern von von der ethischen Pflicht zu handeln: Wenn der Weltuntergang ohnehin unvermeidlich ist, dann muss man ja auch nichts tun. Aus individualpsychologischer Perspektive würde man ergänzen: In solchen Denk- und Redeweisen kommt letztlich tiefe Entmutigung zum Ausdruck.

Nach Greers Meinung ist die damalige Ökobewegung nicht an der objektiven Unmöglichkeit ihres großen Entwurfs gescheitet. Sie hatte sie Chance – und hat sie versemmelt. Plausibler Beleg dafür: Wer an objektiver Unmöglichkeit scheitert, wird nicht zum Zyniker und reagiert nicht mit Gereiztheit. Gereizt reagiert, wer weiß oder ahnt, dass das Scheitern (auch) an ihm selbst lag, und sich und anderen dies nicht eingestehen will.

Mangelnde Bereitschaft, den Worten Taten folgen zu lassen

Es ist eine kühne, aber nicht unplausible Theorie, wenn Greer behauptet, dass die gegenwärtige politische Polarisierung in den USA nicht zuletzt darauf zurückgeht, dass sich Linke wie Rechte davor drücken wollten, ihren Lebensstil und ihre Konsumgewohnheiten umzustellen. Also leugnen die einen den Klimawandel und schwören auf den freien Markt, während die anderen fordern, jedem Erdbewohner einen Mittelklasse-Lebensstil zu ermöglichen, und sich einreden, dass ein ökologischer Umbau der Industriegesellschaft mit erneuerbaren Energien und dramatisch verbesserter Ressourceneffizienz möglich wäre.

Dem setzt Greer die klare Aussage entgegen: "There is no way to make a modern middle-class lifestyle sustainable." Jeder Versuch dazu sei "an arrangement without a future" (S. 219) Das einzige, was man nach seiner Auffassung tun kann, ist das, was heute wie in den siebziger Jahren keiner tun will: "changing the way you live here and now" (S. 220) Der große Aufbruch der siebziger Jahre ist nach seiner Auffassung daran gescheitert, dass ihre Protagonisten sich weigerten, ihren Worten Taten folgen zu lassen – wie etwa Al Gore, der in einer klimatisierten Luxusvilla lebte und zum Kampf gegen den Treibhauseffekt von Kontinent zu Kontinent jettete. Aber letztlich muss wohl fast jeder, der damals auf einen Wandel hoffte, auch an die eigene Brust klopfen.

Das Konzept, weniger zu verbrauchen, meint Greer, sei in unserer Gesellschaft wohl ähnlich populär wie Knoblauchsoße bei einem Konvent von Vampiren. Niemand wolle daran erinnert werden, dass wir die Entscheidung, weniger zu verbrauchen, damit unseren Enkeln noch genug übrig bleibt, damals wie heute verweigern – und dass wir und unsere Nachfahren mit den Konsequenzen werden leben müssen. Allerdings kommt das Ende dieser Verweigerung nun in Sichtweite: "At this point, we're faced with the prospect of using less energy, not because we choose to do so but because the energy needed to do otherwise isn't there anymore. That's the problem with living as tough there's no tomorrow: tomorrow inevitably shows up anyway." (S. 221)

Freiwillige Armut – mit einem gewissen Komfort

Er empfiehlt denn auch, in dieser ganzen Diskussion niemanden ernst zu nehmen, der seinen Worten nicht Taten folgen lässt und die Maßnahmen, die er anderen ans Herz legt, nicht auch selbst umsetzt. Denn hier liegt das größte Hindernis: In der Bereitschaft, aus der eigenen Erkenntnis Konsequenzen zu ziehen. Allerdings macht er es seinen Lesern nicht leicht, wenn er in Anlehnung an den Dichter Henry David Thoreau von "Voluntary Poverty" spricht und davor warnt, der ebenfalls in der Szene kursierende Begriff von "Voluntary Simplicity" könne allzu leicht dazu missbraucht werden, wieder eine Runde neuer, angeblich einfacher Produkte ("die guten Dinge") zu horrenden Preisen zu verkaufen. Zwar hat er wohl recht: Der Begriff "Voluntary Poverty" ist davor sicher, in dieser Weise missdeutet zu werden – aber das macht das Konzept nicht unbedingt anstrebenswerter.

Eher schon der Hinweis: "What most people in today's industrial nations do not know, and have no interest in learning, is that it's possible to be poor in relative comfort. (…) The central secret of green wizardry is that one way to be poor and comfortable is to learn how to work with nature so that natural processes take care of many of your needs." (S. 226) Wenn wir also in der Tat nur die Wahl haben, den Schritt zur Absenkung unseres Komfortniveaus entweder so spät wie möglich, aber dann unfreiwillig und unkontrolliert zu machen oder etwas früher, aber freiwillig und (relativ) selbstbestimmt, dann ist diese bewusste Entscheidung wohl nicht die schlechteste Alternative.

Schlagworte:
Ökologie, Nachhaltigkeit, Resilienz, Lebensführung, Selbstversorgung, Konsumverzicht, Energiesparen

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