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Anleitung zum Führen ohne formale Befugnisse

Fisher, Roger; Sharp, Alan (1998):

Führen ohne Auftrag

Wie Sie Ihre Projekte im Team erfolgreich durchsetzen

Campus (Frankfurt); 266 Seiten (deutsche Übersetzung vergriffen) (Original lieferbar: Getting It Done – How to Lead When You're Not in Charge)


Nutzen / Lesbarkeit: 7 / 7

Rezensent: Winfried Berner, 17.08.2017

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Kein ausgesprochenes Lesevergnügen, enthält aber nützliche Gedanken und Hinweise zu einer Frage, über die man wenig liest, die aber ausgesprochen praxisrelevant ist: Wie bringt man ein Team voran, wenn darin man keine formale Führungsrolle hat?

Nach erster Durchsicht im Januar 2003 war mein Kurzresümee: "Macht einen guten, wenn auch keinen überragenden Eindruck. Statt 'Führung ohne Auftrag' sollte der Titel besser 'Führung von unten' oder 'Führung ohne Weisungsbefugnis' lauten. Der Originaltitel 'Getting It Done' trifft es allerdings noch weniger, denn um einen Arbeitstechniken-Ratgeber handelt es sich gerade nicht. Vielmehr geht es darum, wie man auch aus einer unteren Hierarchieposition heraus Veränderungsimpulse setzen und im Team Dinge voranbringen kann. Eigentlich eine pfiffige Idee und eine Marktnische; sicher nützlicher als der 367. Führungsratgeber."

Im Grunde kann ich diesen ersten Eindruck bestätigen, nachdem ich das Buch nun im Rahmen meiner "Roger-Fisher-Retrospektive" endlich komplett gelesen habe. Fisher und sein Koautor Alan Sharp geben einen Überblick, wie man ein orientierungsloses und unmotiviertes Team und seine Aufgaben voranbringen kann, ohne formale Führungsautorität zu besitzen – und ohne die Widerstände auszulösen, die man unweigerlich mobilisiert, wenn man sich ohne formale Befugnis die Führungsrolle anmaßt.

Die amerikanische Neuausgabe 2004 erschien denn auch unter dem Titel "Lateral Leadership – Getting It Done When You Are Not the Boss". (Seltsamerweise ist diese Neuauflage vergriffen, während die amerikanische Erstausgabe weiter im Handel ist.)

Fünf Grundelemente effektiven Arbeitens

Nach einer zweiteiligen Einführung "Wie wir es schaffen können" und "Laterale Führung" stellen Fisher und Sharp im Hauptteil des Buchs "Die [fünf] Grundelemente effektiven Arbeitens" vor, nämlich

  1. "Zielsetzung: Die Formulierung erfolgversprechender Etappen zur Umsetzung von Visionen"
  2. "Denken: Machen Sie sich die Kraft organisierten Denkens zunutze"
  3. "Lernen: Denken und Handeln integrieren"
  4. "Jeder ist 'engagiert': Alle bekommen eine wichtige Rolle zugeteilt"
  5. "Feedback: Drücken Sie Anerkennung aus – und geben Sie Rat"

Den Abschluss bildet ein dreiteiliger Teil III mit den Kapiteln "Setzen Sie Ihre persönlichen Fähigkeiten systematisch ein", "Und wenn Sie der Chef sind?" und "Entschließen Sie sich zur Hilfsbereitschaft".

Wie schon in meinem ersten Eindruck formuliert, ist der Ansatz dieses Buchs ausgesprochen originell und trifft einen Bedarf, denn die Situation, dass man ein Team voranbringen muss oder möchte, ohne formal "den Hut auf zu haben", wird mit der Zunahme von Projektstrukturen und bereichs-, abteilungs- und firmenübergreifender Zusammenarbeit immer häufiger. Zudem sind die Hinweise und Empfehlungen von Fisher und Sharp auch dann beachtenswert, wenn man Weisungsbefugnis hat. Denn auch dann macht es einen Unterschied, ob Menschen nur folgen, weil sie keinen Ärger mit ihrem Chef wollen, oder weil sie sich respektiert und einbezogen fühlen und ihnen das Vorgehen einleuchtet.

Um laterale Führung ausüben zu können, muss man zweierlei haben: Erstens eine Idee, was für ein Vorgehen Struktur in die bestehende Unordnung bringen könnte, und zweitens das soziale Geschick, seine Vorstellungen den anderen Beteiligten in einer Form nahezubringen, die es ihnen leicht macht, sie anzunehmen, ohne sich bevormundet oder kritisiert zu fühlen. Fisher und Sharp vermitteln in ihren fünf Hauptkapiteln beides: sowohl eine Logik des Vorgehens als auch viele Empfehlungen, diese Logik auf sozialverträgliche Weise an die Frau und an den Mann zu bringen.

Leider mühsam zu lesen

Doch obwohl das ein ausgesprochen relevanter und kluger Ansatz ist, breche ich nach dem genaueren Lesen des Buches ebenso wenig in Begeisterungsstürme aus wie nach der ersten Durchsicht. Denn ein Vergnügen ist es nicht, dieses Buch zu lesen: Über weite Strecken zieht es sich ziemlich, die Hinweise sind zuweilen in beinahe schon beleidigender Weise banal und unterfordernd, und die Sprache wirkt oft recht ungelenk – wozu vermutlich auch die Übersetzung beiträgt.

Deshalb muss man dem Buch seine Erkenntnisse ein wenig abringen: Nicht aussteigen, wenn die Ausführungen gerade etwas arg allgemein sind, dranbleiben, auch wenn der Text ermüdend wirkt und man abzuschweifen beginnt, vielleicht einen Absatz überspringen oder zwei, aber es immer für möglich halten, dass im nächsten Satz doch wieder etwas Wertvolles kommt.

Insofern eignet sich "Führen ohne Auftrag" gut, um halbvergessene Schnelllesetechniken aufzufrischen: Nicht Wort für Wort lesen, sondern Absätze zügig darauf scannen, ob interessante Stichworte darin vorkommen, und dort gegebenenfalls tiefer einsteigen.

Denken und Handeln integrieren

Am ergiebigsten fand ich das Kapitel "Lernen: Denken und Handeln integrieren". Die Überschrift soll darauf aufmerksam machen, dass wir uns keinen Gefallen tun, wenn wir, wie es viele Leute tun, "Denken" und "Handeln" trennen: Erst planen wir oft (viel zu) lang, dann ziehen wir die Ausführung durch, ohne dabei während der Ausführung neu entstandene Erkenntnisse bewusst zu registrieren und in unser Vorgehen zu integrieren.

Denn beim Planen sind unsere Informationen immer unvollständig, und, was noch schlimmer ist, wir wissen in aller Regel nicht, was wir alles nicht wissen – und unterschätzen dessen Relevanz.

Fisher und Sharp empfehlen stattdessen, uns von der Trennung von Denken und Handeln zu lösen und vor allem, frühzeitig mit dem Handeln zu beginnen, statt eine perfekte Planung anzustreben: "Einen Plan verbessert man am besten, indem man ihn auf die Probe stellt." (S. 155) Umgekehrt sollte man beim Ausführen immer wieder innehalten und die ursprüngliche Planung revidieren, indem man zwischenzeitlich gewonnene Erkenntnisse aufnimmt und im weiteren Vorgehen berücksichtigt.

Große Aufmerksamkeit für den sozialen Prozess

Viel Aufmerksamkeit verwenden Fisher und Sharp auf den sozialen Prozess, also darauf, wie man seine Mitmenschen dafür gewinnen kann, sich auf ein systematisches und strukturiertes Vorgehen einzulassen. Denn in der Tat ist es ja so, dass man gerade beim Führen von unten oder von der Seite mit Anordnungen, Belehrungen und Appellen nicht sehr weit kommt und dass auch Kritik, Beschwerden und Vorwürfe eher dazu beitragen, sich unbeliebt zu machen, als die Zusammenarbeit voranzubringen.

Fisher und Sharp empfehlen stattdessen verschiedene Taktiken, die im Team mehr Akzeptanz und Mitmachen bewirken, insbesondere (1) Fragen zu stellen, die die Aufmerksamkeit auf die richtigen Themen lenken, (2) eigene Gedanken, Ideen und Überlegungen als Vorschläge anzubieten und (3) im geeigneten Moment selbst zielführend zu handeln.

Entscheidend ist bei alledem, sich weder über noch gegen die anderen zu stellen, sondern mit bewusster Demut und Bescheidenheit aufzutreten und geeignete Impulse einzubringen. (Was an Ed Scheins "Humble Inquiry" erinnert.)

Dies kann man im Übrigen – Überraschung! – nicht nur als Mitarbeiter, sondern auch als Vorgesetzter tun: Auch in diesem Fall steigen die Akzeptanz und das Engagement, wenn der Chef die Mitarbeiter respektvoll und als Gleichwertige behandelt. Genau besehen besteht auch und gerade bei der Führung von oben der Trick darin, seine Weisungsbefugnis nicht oder zumindest nur so selten wie möglich zu nutzen, weil sie im günstigsten Fall Gehorsam sichert, aber keine Überzeugung. Was die Zielgruppe des Buches letztlich auf sämtliche Führungskräfte ausweitet.

Schlagworte:
Führung ohne Auftrag, Weisungsbefugnisse, Teamkommunikation, Informelle Leitung, Informelle Führung

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