Keine leichte Kost, aber eine lohnende: Ein gelungener Versuch, eine "Steady-State-Economy" zu begründen, die der Tatsache Rechnung trägt, dass in einem endlichen Ökosystem kein unbegrenztes Wachstum möglich ist, sehr wohl aber Fortschritt.
Der wesentliche Unterschied zwischen "Ecological Economics" und der normalen, klassischen bzw. neoklassischen Ökonomie ist, dass die ökologische Ökonomie die Begrenztheit unseres Ökosystems zur Grundlage ihrer Betrachtungen macht, während die konventionelle Ökonomie dessen Grenzen – und damit einen zentralen Aspekt der Realität – beharrlich ausblendet.
Das gestörte Verhältnis der klassischen Ökonomie zur Empirie
Rational lässt sich kaum bestreiten, dass in einem endlichen Ökosystem kein unbegrenztes Wachstum möglich ist. Wer, wie die Ökonomie, Rationalität für sich in Anspruch nimmt, kann allenfalls darüber diskutieren, ob wir noch in einer "Empty World" leben, die noch genügend Raum für weiteres Wachstum lässt, oder bereits in einer "Full World" (S. 17f.) – oder irgendwo dazwischen. Die ökologische Ökonomie geht davon aus, dass wir die Grenzen des Systems bereits erreicht bzw. überschritten haben – was die konventionelle Ökonomie interessanterweise gar nicht in Zweifel zieht: Sie ignoriert es einfach und tut ungeachtet dessen weiter so, als ob ein unbeschränktes Wachstum erstens möglich und zweitens der einzige denkbare Weg zur Lösung aller Probleme wäre.
Den großen Ökonomen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts kann man nachsehen, dass die Systemgrenzen für sie (oder genauer: für die meisten von ihnen) kein Thema waren. Zwar existierten sie damals natürlich auch schon, aber sie waren noch so weit entfernt, dass man sie, ohne einen folgenschweren Fehler zu machen, außer Betracht lassen konnte. Doch mit dem kumulierten Wachstum von 200 Jahren sind wir ihnen rasant nähergekommen und dürften sie inzwischen weit überschritten haben.
Was weniger ein theoretisches Problem ist als ein praktisches. Denn bereits mit der Annäherung an die Systemgrenzen und erst recht bei deren Überschreitung gelten diverse ökonomische Zusammenhänge nicht mehr oder kehren sich sogar in ihr Gegenteil um: Zusätzliches Wachstum und zusätzliche Wirtschaftsleistung bewirkt dann keinem Zugewinn an Wohlstand mehr, sondern führt zu Wohlstandsverlusten – und darüber hinaus zu einem unabsehbaren Risiko für kommende Generationen, im schlimmsten Fall zu einer irreparablen Beeinträchtigung ihrer Lebensgrundlagen.
Aber die Interessen künftiger Generationen kommen in dem Kalkül der klassischen Ökonomie nicht vor: Ihre Methodik der Diskontierung zukünftiger Erlösströme bewirkt, dass kurzfristige Gewinne gegenüber einem weiter in der Zukunft liegenden Nutzen drastisch übergewichtet werden. Je nach dem verwendeten Diskontierungssatz bedeutet das, dass alles, was jenseits eines 15-Jahres-Zeitraums liegt, sich in ihren Ergebnissen kaum widerspiegelt. Es geht allein um die Optimierung des Nettogegenwartswerts, gleich welche Folgen das für die fernere Zukunft hat. Ein eigenartiges Modell von Rationalität: Wer in diesem beschränkten Sinne rational denkt, dürfte niemals einen Baum pflanzen.
Die physikalischen und biologischen Rahmenbedingungen ernst nehmen
Im Gegensatz dazu orientiert sich die ökologische Ökonomie an der langfristigen Funktionsfähigkeit des Ökosystems, innerhalb dessen sich alles menschliche Wirtschaften abspielt, und legt sie all ihren Überlegungen zugrunde. Dementsprechend widmen Daly und Farley gleich nach der Einleitung den zweiten Teil ihres Lehrbuchs dem "Containing and Sustaining Ecosystem", bevor sie sich, ähnlich wie klassische Ökonomen, der Mikro- und Makroökonomie, dem internationalen Handel und der (Wirtschafts-)Politik zuwenden. Wobei die Ähnlichkeit der Themenschwerpunkte mehr Übereinstimmung suggeriert als tatsächlich vorhanden ist, denn all diese traditionellen Felder der Ökonomie müssen unter dem Ziel der Nachhaltigkeit neu durchdacht und unter Umständen völlig neu ausgerichtet werden.
Dass sie dabei mit den beiden Hauptsätzen der Thermodynamik beginnen, ist kein Bildungsgeklingel, sondern Programm. Denn es beeinflusst die Realität unseres Wirtschaftens elementar, dass in einem (annähernd) geschlossenen System wie der Erde weder Energie noch Materie neu geschaffen wird oder verschwindet: Wir können beides nur transformieren, und zwar von einem Zustand niedriger zu hoher Entropie, sprich, von Zuständen relativer Ordnung in zunehmende Diffusion. Und wir tun dies in atemberaubender Geschwindigkeit, indem wir immer mehr Rohstoffe verbrauchen und sie nach einer kurzen Zwischenstufe der Nutzung in Müll verwandeln.
Während sich die traditionelle Ökonomie weder für die Rohstoffe und die Energie interessiert, die für den Produktionsprozess erforderlich sind, noch für die Abfälle und Emissionen, die dabei entstehen, nimmt die ökologische Ökonomie beide sehr genau in den Blick. Denn in einer "Full World" kann und darf man nicht außer Acht lassen, dass unser Wirtschaften Rohstoffe und Energie verbraucht und Müll und Emissionen produziert. Und man kann und darf nicht mehr unterstellen, dass sowohl die Input-Ressourcen in beliebigem Maße verfügbar sind als auch die Müllresorptionsfähigkeit des Ökosystems.
Da nach dem ersten Hauptsatz der Thermodynamik nichts aus dem Nichts entstehen kann und nichts ins Nichts verschwindet, zeichnet die neoklassische Ökonomie ein schiefes und irreführendes Bild, wenn sie das "Woher" und "Wohin" der von ihr bearbeiteten Stoffe ausblendet. Je mehr das ökonomische System das umgebende Ökosystem ausfüllt, desto mehr reduziert es damit sowohl die Verfügbarkeit der von ihm benötigten Produktionsfaktoren als auch dessen Resorptionsfähigkeit – und mindert so zunehmend den Wohlstand, den zu mehren es beansprucht.
Weshalb Märkte an entscheidenden Stellen versagen
Bevor sie sich daher den klassischen Themen der Ökonomie zuwenden, untersuchen Daly und Farley in ihrer "Ökologischen Ökonomie" die biotischen und abiotischen Ressourcen, die in das Wirtschaftssystem hinein- und aus ihm herausfließen, von Mineralien und fossilen Brennstoffen, Wasser und Land über Sonnenenergie und erneuerbare Ressourcen bis hin zu den sogenannten "Ökosystem-Dienstleistungen" und ihrer Fähigkeit, Abfall zu resorbieren.
Im Bemühen, besser zu verstehen und zu beschreiben, welche Charakteristika diese Ressourcen jeweils auszeichnen, führen sie einige wichtige Unterscheidungen ein. Die wohl wichtigsten sind erstens, ob Ressourcen zu Privateigentum gemacht werden können ("can be made excludable") oder nicht und ob zweitens ihre Nutzung in Konkurrenz zu anderen Nutzern steht ("rival"). Dabei kann diese Nutzungskonkurrenz – eine weitere wichtige Unterscheidung – sowohl innerhalb einer Generation als auch zwischen den Generationen bestehen.
Nicht zum Privateigentum machen lassen sich zum Beispiel Sonnenenergie und Atemluft; sie stehen glücklicherweise allen kostenlos zu Verfügung. Um den Besitz und die Nutzung von Land gibt es Konkurrenz innerhalb einer Generation, nicht aber zwischen den Generationen. Bei der Verbrennung fossiler Reserven hingegen (sowie generell bei allem, was die Entropie erhöht) konkurrieren die Generationen: Was die eine Generation verbraucht hat, steht den nachfolgenden nicht mehr zu Verfügung. Gleiches gilt für dauerhafte Schädigungen des Ökosystems sowie die Zerstörung von Lebensräumen oder die Ausrottung von Arten. Lebewesen, die unsere Vorfahren ausgerottet haben, sind für immer verschwunden; Rückzüchtungen sind ein aussichtloser Versuch, gegen diese Endgültigkeit anzurennen.
Diese Unterscheidungen sind deshalb von elementarer Bedeutung, weil Märkte, das große Universalheilmittel der neoklassischen Ökonomie, nur dann (halbwegs) funktionieren, wenn Ressourcen erstens konkurrierend sind und sich zweitens zum Privateigentum eignen. (Und selbst dann funktionieren sie strenggenommen nur dann, wenn die Zusatzbedingungen vollständiger Transparenz und nicht existierender Transaktionskosten erfüllt sind – was idealtypisch schon deshalb nie erfüllt sein kann, weil ein Widerspruch zwischen den Bedingungen besteht: Vollständige Transparenz ist in aller Regel nicht ohne Transaktionskosten zu haben.)
Ökosystemleistungen sind nicht "marktfähig"
Märkte versagen immer dann, wenn Ressourcen kein Privateigentum sind und deshalb keinen Preis haben: die vielbeschworene "Tragik der Allmende". Unglücklicherweise gilt für die meisten "Ecosystem Services". So ist unsere Umwelt durchaus in der Lage, bestimmte Mengen an Müll und Abfall zu resorbieren. Beispielsweise sind unsere Böden und Flüsse in hohem Maße fähig, Wasser zu reinigen – aber eben nicht in unbegrenztem Maße. In Bezug auf diese Fähigkeit besteht zwar Konkurrenz, aber sie eignet sich nicht als Privateigentum: Man kann sie sich nicht kaufen, und man muss sie für sie nichts bezahlen. Infolgedessen kann und wird der freie Markt hier überhaupt nichts regeln: Regulierungen wie etwa die Gülleverordnung sind zwingend erforderlich.
Ähnliches gilt für unsere Atmosphäre: Sie verkraftet zwar einiges, aber nicht alles. Mit jedem Liter Benzin oder Öl, den wir kaufen, nehmen wir uns zugleich das "Recht", ihn zu verbrennen und damit die Atmosphäre zu belasten, aber wir müssen für dieses "Recht" nichts bezahlen. Desgleichen "erkaufen" wir mit jedem Stück Fleisch (und generell mit jedem erworbenen Produkt) den zu seiner Herstellung erforderlichen Energiegehalt samt der zugehörigen Belastung der Atmosphäre. In all diesen Fällen regelt der freie Markt gar nichts, weil die Atmosphäre keinen Eigentümer hat, an dessen Kassenhäuschen wir für unsere Emissionen bezahlen müssen.
Das heißt in Summe: Wenn wir als Gesellschaft die Ökosysteme dieser Welt vor einer Ausbeutung "ohne Rücksicht auf Verluste" schützen, uns ihre Dienstleistungen erhalten und nachfolgenden Generationen noch eine halbwegs akzeptable (Um-)Welt hinterlassen wollen, dürfen wir uns nicht auf "den freien Markt" verlassen, sondern müssen andere, für diesen Zweck geeignetere Instrumente entwickeln und nutzen.
Auf diesen Gedanken kommen Daly und Farley im Teil VI "Politics" zurück, wenn sie feststellen, dass die Industriestaaten Trittbrettfahrer der von den Entwicklungsländern erbrachten Ökosystemleistungen sind: Wir machen uns die Luftreinigungsleistung zunutze, von ihrem Teil der Welt erbracht wird, ohne einen Cent dafür zu bezahlen. Wenn wir also wirklich wollen, dass die tropischen Regenwälder – oder auch die Save-Auen – erhalten bleiben, damit sie weiter ihre Leistungen für die Atmosphäre und die Artenvielfalt erbringen, dann müssen wir den betreffenden Ländern dies angemessen vergüten.
Konkurrenz zwischen Generationen
Auch bei der Konkurrenz zwischen den Generationen beispielsweise um fossile Energiereserven sind freie Märkte keinerlei Hilfe, weil künftige Generationen in den heutigen Märkten nicht als Bieter auftreten. Das Gleiche gilt für den Verbrauch knapper Rohstoffe: Gemäß dem ersten Hauptsatz verschwinden sie zwar nicht, werden aber durch die Nutzung von niedriger in hohe Entropie umgewandelt, das heißt, sie werden so "verstreut" und "verdünnt", dass sie nicht mehr verwertbar sind. Pointiert stellen die Autoren mit Nicholas Georgescu-Roegen fest: "The ocean contains enormous amounts of energy, but that energy is not available to run a ship." (S. 66)
Was wir nachfolgenden Generationen von der Welt übrig lassen, ist eine ethische Frage, für die die neoklassische Ökonomie "doppelblind" ist: Nicht nur hat sie keine Antwort (und keine Methodik, sie zu beantworten), darüber hinas weigert sie sich hartnäckig, diese lästige Frage auch nur zur Kenntnis zu nehmen. Implizit gibt diese Wirtschaftslehre damit doch eine Antwort, indem sie unseren Kindern und Enkeln sagt: Schaut selbst, wie ihr mit dem zurechtkommt, was wir euch übriglassen! Und wenn es eng wird, dann lasst euch etwas einfallen! Wir haben uns schließlich auch etwas einfallen lassen.
Zwar gab es diese Konkurrenz zwischen den Generationen schon immer, wie etwa die historische Entwaldung großer Teile Mitteleuropas zeigt. Doch zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte sind wir großflächig dazu in der Lage (und auf dem besten Weg dazu), die Lebensgrundlagen zukünftiger Generationen irreparabel zu zerstören: Was wir an Öl und Gas verbrennen, das ist für immer aufgebraucht (oder genauer: in längst diffundierte Wärme transformiert), und was wir als Müll im Boden und in den Meeren hinterlassen, das wird das Ökosystem noch sehr lange belasten, genau wie das, was wir an Klimagasen und anderen Schadstoffen in die Atmosphäre blasen.
Das erfordert ethische Entscheidungen, für die die neoklassische Ökonomie unzuständig und inkompetent ist, derer sich aber auch Politik und Gesellschaft nicht oder allenfalls halbherzig annehmen. Und dennoch werden wir diese Entscheidungen treffen, oder genauer, wir sind mittendrin, sie zu treffen – wenn auch vorwiegend durch Unterlassen.
Grundlegung einer "Steady-State-Economy"
Nachdem Daly und Farley im "Part III Microeconomics" akribisch herausgearbeitet haben, wie wenig die von der klassischen Ökonomie romantisierte unsichtbare Hand des Marktes geeignet ist, uns den Weg zu einem nachhaltigen Umgang mit knappen Ressourcen zu weisen, machen sie sich im "Part IV Macroeconomics" daran, eine "Steady-State-Economy" zu entwerfen, also ein nachhaltiges, mit der Begrenztheit unseres Ökosystems kompatibles Wirtschaftsmodell. Dafür müssen sie einige Prämissen des gängigen ökonomischen Denkens zu überwinden, das bedingungslos auf Wachstum ausgelegt ist.
Das beginnt schon mit den zentralen Messgrößen, an denen Volkswirtschaften gemessen werden: An der Spitze das Bruttoinlandsprodukt (Gross National Product), das die Summe der volkswirtschaftlichen "Wertschöpfung" widerzuspiegeln beansprucht. Zu Recht merken Daly und Farley an: "GNP is a measure of economic activity, not a measure of welfare." (S. 268) Ob sich die Lebensqualität verbessert oder verschlechtert hat, geht aus dieser Kennzahl nicht hervor, auch wenn sie oft so interpretiert wird. In sie fließt ausschließlich ein, was bezahlt wurde, und dazu zählen weder die Qualität der gesellschaftlichen Beziehungen noch Sicherheit, weder eine intakte Umwelt noch unbezahlte Dienstleistungen.
Die Reparaturarbeiten etwa nach Unfällen und Naturkatastrophen fließen ebenso als "Wertschöpfung" in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung ein wie erhöhte Gesundheitskosten aufgrund von Luft- und Umweltverschmutzung: "GNP is an inadequate measure of the real economy, because it lumps together both goods and bads." (S. 351) Das Fällen alter Bäume, die Zerstörung von Lebensräumen, die Zersiedelung der Landschaft, ja selbst Rüstungswettläufe und andere Beeinträchtigungen der Lebensqualität mehren das Bruttoinlandsprodukt, Kindererziehung, Nachbarschaftshilfe und ehrenamtliche Arbeit dagegen sind für das zentrale Erfolgsmaß unserer Volkswirtschaften ohne Wert.
Das ist nicht bloß ein Ärgernis und eine grobe Ungerechtigkeit gegenüber denen, die sich hier engagieren, es bewirkt eine systematische Fehlsteuerung öffentlicher Aktivitäten. Denn wer "das Wachstum" fördern will, darf unter diesen Bedingungen nicht Nachbarschaftshilfe und freiwilliges Engagement fördern, er muss Anreize für bezahlte Aktivitäten schaffen, die weit weniger zum Wohlstand beitragen oder ihn – wie der Bau immer weiterer Straßen – sogar mindern.
Um die systematische Fehlsteuerung durch eine untaugliche Zielgröße zu beenden, ist es daher notwendig, ein besseres Zielsystem zu entwickeln. Daly und Farley stellen einige Modelle vor, wie etwa den "Index of Substainable Economic Welfare (ISEW)" und den "Genuine Progress Indicator (GPI)", die allerdings ebenfalls auf dem Konsum aufbauen – und trotzdem zunehmend negativ mit dem GNP korrelieren. Wenn man sich vom bloßen Konsumieren lösen will und nach generellen Indikatoren für Lebensqualität sucht, etwa im Sinne des "Human Needs Assessment (HNA)", kommt man freilich zunehmend in ein Feld, das zwar nicht unerforscht, aber weit von einem wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Konsens entfernt ist.
Neuausrichtung des Geldsystems
Auch unser Geldsystem übt nach Überzeugung von Daly und Farley einen Wachstumszwang aus: "Whoever borrowed it into existence must pay back what he borrowed plus interest. Thus, a requirement for growth (or else inflation) is built into the very existence of our money supply." (S. 290) Diese Begründung leuchtet mir allerdings nicht ein: Wer sich Geld für Konsumzwecke leiht, zahlt über die Zinsen faktisch einen höheren Preis dafür, dass er sofort konsumieren darf und nicht erst, wenn er das Geld angespart hat. Diesen höheren Preis kann er natürlich über ein steigendes Einkommen finanzieren, aber auch durch entsprechend geringeren Konsum an anderer Stelle.
Wer geliehenes Geld investiert, tut dies natürlich in der Hoffnung, mehr zu erlösen als die Kreditsumme samt Zinsen – was wiederum ein Wachstum seines Geschäfts voraussetzt. Aber das erzwingt, selbst wenn es gelingt, kein Wachstum des Gesamtmarkts; er könnte ja auch Wettbewerbern Marktanteile abnehmen. Selbst in der Summe über alle Kredite ist für die verzinste Rückzahlung lediglich ein Wachstum bei den Kreditnehmern erforderlich (sofern sie kein Eigenkapital verlieren wollen). Leichter realisierbar ist dies ohne Zweifel in einem wachsenden Gesamtmarkt, möglich wäre es aber auch ohne Wachstum.
Problematisch ist laut Daly und Farley weiterhin die Geldschöpfung der Banken, weil sie prozyklisch und damit krisenfördernd wirkt. Denn im Gegensatz zu einem verbreiteten Glauben verleihen Banken keineswegs nur ihre Einlagen, vielmehr "schöpfen" sie Geld, indem sie es verleihen, und ziehen es nach der Rückzahlung wieder aus dem Verkehr – und leben von den Zinsen, die ihnen das selbstgemachte Geld einbringt. Da sie in guten Zeiten bereitwilliger verleihen als in schlechten, befeuern sie mit ihrer Kreditvergabe den Boom und verstärken Rezessionen.
Die Autoren schlagen daher vor, die Mindestreserve der Banken schrittweise auf 100 Prozent zu erhöhen, am besten während Rezessionen, wenn die Nachfrage von Krediten ohnehin geringer ist. (Allerdings dürften etliche Banken gerade in einer Rezession Schwierigkeiten haben, den erhöhten Mindestreserven gerecht zu werden.) Ohne Zweifel würde dies aber zu einer Verknappung von Krediten und damit zu einem Rückgang des Konsums und der Investitionen führen, allerdings auch zu einem Anstieg des Preises für geliehenes Geld, also zu höheren Zinsen – und möglicherweise auch zu einem Schattenbankensystem und/oder "Alternativwährungen".
Trotzdem wäre es wohl sinnvoll, wie sie vorschlagen, die Geldschöpfung ausschließlich in die Hände des Staats zu legen – und ihm damit die "Seigniorage" zu überlassen, also die Kaufkraft neu geschöpften Geldes. Die könnte er dann zum Beispiel zur Minderung sozialer Ungleichheit einsetzen. Die staatliche Geldschöpfung sollte nach ihrer Empfehlung an einen Preisindex gekoppelt werden, der sich an der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung orientiert: "Growth in money is meaningless unless there is a corresponding increase in real wealth." (S. 297)
Die Beispiele zeigen, dass es alles andere als trivial ist, von einer Welt des Wachstums in eine Steady-State-Economy, also eine nicht mehr wachsende Wirtschaft zu kommen. Das gilt erst recht angesichts der inzwischen erreichten dramatischen Verschuldung von Staaten, Unternehmen und Verbrauchern: Eine Verknappung der Kredite selbst in kleinen Schritten hätte hier dramatische Folgen. Das macht die von Daly und Farley beschriebene Lösung nicht falsch, aber überaus schwer umsetzbar.
Die Tücken des Freihandels
Der ideologische Eckstein des Freihandels ist die Theorie der komparativen Kostenvorteile von David Riccardo (1772 – 1823). Danach sollte sich jedes Land auf Produktion und Export derjenigen Güter spezialisieren, die es am effizientesten herstellen kann. Dies sollte es laut Riccardo selbst dann tun, wenn ein anderes Land dieselben Güter noch effizienter produzieren kann, weil es hier den geringsten absoluten Kostennachteil und damit einen "relativen komparativen Kostenvorteil" hat.
Streng genommen gilt das freilich nur unter der in der Ökonomie üblichen Prämisse nicht existierender Transaktionskosten, sprich unter der Voraussetzung, dass der internationale Handel erstens nichts kostet (oder zumindest nicht mehr als der nationale) und dass zweitens die Spezialisierung eines Landes auf die Güter ihres komparativen Kostenvorteils ohne "Umrüstkosten" möglich ist. Wenn ein Land also etwa im Bergbau produktiver wäre als in der Landwirtschaft, gilt die Theorie also nur unter der Annahme, dass es ohne nennenswerte Kosten möglich ist, alle Bauern zu Minenarbeitern zu machen – was eine ziemlich groteske Annahme ist (und zusätzlich unterstellt, dass der Import von landwirtschaftlichen Produkten mindestens genauso sicher und preisstabil ist wie deren heimische Produktion).
Letztlich ist Riccardos Konzept eine kluge und kontraintuitive theoretische Überlegung, führt jedoch in der wirtschaftlichen Realität auf gefährliche Weise in die Irre. Nicht nur, dass eine solche Spezialisierung eben nicht kostenlos zu haben ist und zudem mit erheblichen sozialen Verwerfungen einhergehen kann, darüber hinaus führt sie auch, je konsequenter sie betrieben wird, in existenzgefährdende Abhängigkeit, wie man etwa an hochspezialisierten Automobilzulieferern sehen kann, die sowohl den Launen als auch den Marktzyklen ihrer Kunden wehrlos ausgeliefert sind.
"Remember that the fundamental condition for trade to be mutually beneficial is that it be voluntary. The voluntariness of 'free trade' is compromised by the interdependence resulting from specialization. Interdependent countries are no longer free not to trade, and it is precisely the freedom not to trade that was the original guarantee to mutual benefits of trade in the first place." (S. 359)
Falsche Hoffnungen
Zudem lässt die Theorie der komparativen Kostenvorteile außer Acht, dass es den wenigsten Menschen gleichgültig ist, womit sie ihren Lebensunterhalt verdienen: Wenn man Bauern dazu nötigt, Bergarbeiter zu werden, werden dies viele als massive Verschlechterung ihrer Lebensqualität betrachten: "Most people derive as much satisfaction from how they earn their income as from how they spend it. Narrowing that range of choice is a welfare loss uncounted by trade theorists." (S. 377)
Und schließlich ist die Theorie bei genauerer Betrachtung wirklichkeitsfremd. Denn Wettbewerb und Welthandel finden ja nicht zwischen zwei Partnern statt, von denen sich jeder auf das spezialisiert, was er am besten kann. Vielmehr gibt es unzählige weitere Wettbewerber, die sich gnadenlos auf die Felder stürzen, in denen ein schwächerer Partner einen Kostennachteil hat, und ihm diese Märkte abnehmen.
Statt um den "relativen komparativen Kostenvorteil" geht es daher im internationalen Wettbewerb um den absoluten Kostenvorteil. Da die ärmsten Länder aber weder Technologien besitzen noch eine funktionsfähige Infrastruktur, sondern nur Rohstoffe und billige Arbeitskräfte, entsteht zwangsläufig das gefürchtete "Wettrennen nach unten" ("race to the bottom"), bei dem kurzfristig der gewinnt, der Menschen und Natur am rücksichtslosesten ausbeutet, langfristig aber alle verlieren – auch die reichen Länder. Und sogar die Reichen in den reichen Ländern.
Die Hoffnung, dass letztlich alle von einem freien Welthandel profitieren würden, auch die armen Länder sowie die Armen in den reichen Ländern, ist daher auf ein ziemlich wackeliges theoretisches Fundament gebaut. Kein Wunder, dass wir schon lange vergeblich auf die Einlösung dieser Verheißung warten – und vermutlich können wir darauf für ewig warten, wenn wir uns von dieser tröstlichen, aber falschen Hoffnung nicht sowohl aufgrund theoretischer Überlegungen als auch praktischer Erfahrungen verabschieden.
Durch die Lektüre zum Globalisierungsgegner geworden
Ein zentrales Kriterium für den Wert und Nutzen einer Lektüre ist, ob und wie sehr sie den eigenen Blick auf die Welt verändert hat. Gemessen an diesem Kriterium ist Ecological Economics ein sehr wertvolles und nützliches Buch: Es hat meine Sicht auf die ökonomische und ökologische Realität nicht nur an vielen Stellen erweitert und präzisiert, es hat sie in einigen zentralen Punkten grundlegend verändert. Allerdings bekommt man diese Einsichten nicht geschenkt: Ich zumindest empfand das Buch als anstrengende, streckenweise zähe und trockene Lektüre.
Doch die Mühe lohnt sich. So bin ich über der Lektüre, obwohl ich weiterhin dem Traum von einer offenen Welt anhänge, zum Globalisierungsgegner geworden, jedenfalls in dem Sinne, wie Daly und Farley Globalisierung definieren. Sie grenzen sie von der Internationalisierung ab: Bei der Internationalisierung treiben die Staaten (bzw. die in ihnen ansässigen Unternehmen) grenzüberschreitenden Handel – aber in dem Rahmen, den die Staaten ihnen gesteckt haben.
Im Gegensatz dazu verstehen sie unter Globalisierung einen freien und in jeder Hinsicht unregulierten Welthandel, in dem Staatsgrenzen keine Rolle mehr spielen. Ein solcher unregulierter weltweiter Wettbewerb führt unweigerlich sowohl zu fortschreitender Umweltzerstörung wie zum immer weiteren Abrutschen sozialer Standards, weil es dann keine Instanz gibt, die "negative Externalitäten" begrenzen könnte, also etwa die schädlichen Auswirkungen von Produktion, Transport, Handel, Konsum und Müllbeseitigung auf unsere ökologischen Lebensgrundlagen.
Wirtschaftspolitik setzt funktionierende Staaten voraus – Freihandel hasst sie
Theoretisch könnte dieses Setzen von Standards auf der Ebene eines "Weltparlaments" wie der UNO, der UNCTAD oder der WTO geschehen. Doch angesichts der dort herrschenden Interessenkonflikte wären dort allenfalls Einigungen auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu erwarten, und selbst die könnten zudem gegenüber mächtigen Ländern wie den USA und China kaum durchgesetzt werden.
Ökologische und soziale Mindeststandards lassen sich im Grunde nur auf der Ebene von Staaten setzen und durchsetzen – oder noch besser, da der internationale Wettbewerb längst die Grenzen von Einzelstaaten überschreitet und sie gegeneinander ausspielt, auf der Ebene von Wirtschaftsräumen wie der EU. Sie könnten (und müssten) sich auf gemeinsame Standards einigen, die nicht unterboten werden dürfen: "Markets hate boundaries, but policy requires boundaries." (S. 366)
Um einem naheliegenden Missverständnis gleich entgegenzutreten: Diese Globalisierungskritik zielt nicht auf Protektionismus und einen Rückfall in die Kleinstaaterei, sondern darauf, den Völkern dieser Welt (und damit den Menschen) das Primat über die Wirtschaft zu erhalten. Selbstverständlich soll zwischen den Ländern dieser Welt weiterhin viel und frei gehandelt werden, schon weil eine enge wirtschaftliche Verflechtung die Wahrscheinlichkeit kriegerischer Konflikte reduziert. Doch die Rahmenbedingungen dieses Wirtschaftens müssen von Staaten bzw. Wirtschaftsräumen bestimmt werden.
Eine ökologische Ökonomie würde den freien Handel nur insofern einschränken, als sie Transporte mit ihren vollen externalisierten ökologischen und gesellschaftlichen Kosten belastete. Dadurch würde die Ausnutzung geringfügiger Kostenvorteile – und damit das Transportvolumen insgesamt – zurückgehen. Doch alles, was die Transportkosten wert ist, könnte und sollte auch in einer ökologischen Weltwirtschaft international frei gehandelt werden.
Die Schlüsselrolle der Verteilung
Auch zum Thema Einkommensverteilung hat das Buch meine Meinung verändert. Bisher wusste ich zwar, dass eine ausgeprägte soziale Ungleichheit nicht nur dem sozialen Frieden und dem "Bruttosozialglück" abträglich ist, sondern auch der Gesamtwirtschaft, weil Reiche einen wesentlich geringeren Anteil ihres Einkommens sofort wieder ausgeben als Arme. Aber ich hätte grundlegende Eingriffe in die Einkommens- und Vermögensverteilung dennoch nicht als zentrales Thema einer ökologischen Wirtschaftspolitik angesehen.
Das Problem ist, dass es so nicht aufgeht: Wenn die Menge dessen, was eine Gesellschaft (bzw. die Weltgesellschaft) konsumieren darf, ohne die Stabilität des Ökosystems in Gefahr zu bringen, begrenzt ist, dann erzwingt das eine Deckelung der Gesamtsumme. Und die wäre, wenn unbegrenzter Reichtum und Prestigekonsum zulässig sind, nur entweder durch entsprechende Einschränkungen beim "Mittelstand" und/oder bei den Armen zu erreichen – oder durch Konsum zu Lasten künftiger Generationen. Weder das eine noch das andere kann aber ein akzeptables Politikziel sein.
Das macht die Aufgabe nicht unbedingt leichter: Diejenigen, die heute – im Vergleich zum Durchschnitt der Weltbevölkerung – viel haben und konsumieren, werden nicht begeistert sein, wenn man ihnen erklärt, dass sie sich werden einschränken müssen. Nicht alle, aber viele von ihnen werden den gesamten Propagandaapparat von Wissenschaft, Medien und Politik in Bewegung setzen, um zu beweisen, dass dies erstens Sozialismus, zweitens leistungsfeindlich und drittens aus Tausend Gründen völlig überflüssig ist.
Aber es hilft nichts: Wenn die Summe begrenzt ist, können sich Einzelne nur zu Lasten anderer überproportional bedienen. Das ist vertretbar, wenn für alle genug für ein würdiges Leben bleibt, aber nicht, wenn diese Untergrenze unterschritten wird.
Die Wirtschaftspolitik muss den Rahmen vorgeben
Im sechsten und letzten Teil "Policy" wenden sich Daly und Farley (endlich!) den Einflussmöglichkeiten der (Wirtschafts-)Politik zu. Dafür arbeiten sie zunächst sechs "Design Principles" heraus, die ich wegen ihrer Bedeutung und Klarheit im Wortlaut wiedergebe:
- "Economic policy always has more than one goal, and each independant policy goal requires an independant policy instrument.
- Policies should strive to attain the necessary degree of macro-control with the minimum sacrifice of micro-level freedom and variability.
- Policies should leave a margin of error when dealing with the biophysical environment.
- Policies must recognize that we always start from historically given initial conditions.
- Policies must be adapted to changing conditions.
- The domain of the policy-making unit must be congruent with the domain of the causes and effects with what the policy deals." (S. 415 ff.)
Zu dem ersten Prinzip nennen sie drei Hauptziele der Wirtschaftspolitik, nämlich "sustainable scale, just distribution, and efficient allocation." (S. 415) Hinter dem fünften Prinzip steht zum einen die Erfahrung, dass Ökosysteme in ihrem Verhalten eine beträchtliche natürliche Variationsbreite an den Tag legen, zum anderen das Bewusstsein, dass wir auch bei wohlüberlegten, abgeweogenen Interventionen nicht immer wissen, was ihre Risiken und Nebenwirkungen sind, und daher unerwünschte Effekte erkennen und korrigieren müssen. Und hinter dem sechsten Prinzip steht das altbewährte Subsidiaritätsprinzip: Lokale Themen sollen lokal angegangen werden, überregionale überregional und globale global.
Im Hinblick auf die drei Hauptziele fragen sie weiter: "Which policy comes first?" und antworten: Am wichtigsten von allen ist "sustainable scale", also die Bestimmung der Größe, die die Weltwirtschaft maximal einnehmen darf, um die Stabilität des Ökosystems nicht zu gefährden. Sie bestimmt, was überhaupt zu verteilen ist und in welchem Rahmen sich die Märkte zu bewegen haben. Das Ziel einer fairen Verteilung setzen sie auf die zweite Stelle, die Effizienz damit auf die dritte.
Dann folgt eine Passage, die in meinen Augen das Credo der Ökologischen Ökonomie ist:
"What, then, is the criterion for scale? Sustainability is the criterion for scale. And what is the criterion for distribution? Justice is the criterion for distribution. These, obviously, are not matters of market economics: rather, they are biophysical and cultural. They must be socially and politically determined" (S. 418).
Das macht die Prioritäten klar. Wer immer den Verdacht hatte, Ökologen und ökologische Ökonomen seien im Grunde ihres Herzens keine Marktwirtschaftler, bekommt hier Klarheit: Sie sind keineswegs gegen freie Märkte, messen ihnen sogar eine wichtige Funktion bei der Ressourcenallokation bei – aber eben nur für die Felder, auf denen Märkte überhaupt funktionieren können (also z.B. nicht für Intergenerationen-Konkurrenz) und in den Grenzen, die ihnen von der "Ordnungspolitik" gesteckt sind, hinter denen letzten Endes die Gesetzmäßigkeiten von Biologie, Chemie und Physik stehen (müssen).
Was man unter sozialer Gerechtigkeit verstehen möchte, ist politisch verhandelbar; nicht verhandelbar ist hingegen, wo die Grenzen der Belastbarkeit unseres Ökosystems liegen. Und weil sich diese Grenzen nicht exakt bestimmen lassen und auch gewissen Schwankungen unterliegen, täten wir als Menschheit gut daran, einen gewissen Sicherheitsabstand zu ihnen zu wahren.
Instrumente zur Begrenzung des Ressourcenverbrauchs
Eine Möglichkeit, den Durchsatz ("throughput"), also letztlich die Verwandlung von Rohstoffen in Abfall, zu reduzieren, ist, den "Input" zu begrenzen. Daly und Farley fragen, wie dies wirksamer erreicht werden kann: durch Quoten oder durch Steuern. Sie plädieren für Quoten:
"Because the ecosystem cares about quantities extracted and absorbed and not the prices people pay, and because prices can adjust more rapidly than ecosystems, ecological economists have a preference for fixing quantity and bearing the adjustment cost of errors in terms of price flucutations. That is ecologically safer and more in accord with our design principle of leaving a safety margin." (S. 421)
Die Überlegenheit von Quoten gälte erst recht bei wachsender Bevölkerung und Wirtschaft, stellen sie fest, denn dann würden Steuern eine wachsende Nachfrage nicht stoppen, sofern sie nicht kontinuierlich erhöht würden. Allerdings sind Quotierungen mit einem höheren administrativen Aufwand, sprich mit mehr Bürokratie verbunden, denn es ist ja nicht damit getan, sie zu beschließen; man muss sie auch durchsetzen.
Eine gute Alternative zur Limitierung des Inputs ist in vielen Fällen, den schädlichen Output zu begrenzen, den jede Verarbeitung der Umwelt und Gesellschaft aufbürdet, also Müll, Abfälle und Emissionen ("sink"). Das ist generell mit geringeren Eingriffen in bestehende Eigentumsrechte verbunden und damit in besserem Einklang mit den Design-Prinzipien.
Eine Begrenzung des CO2-Ausstoßes beispielsweise, gleich ob sie über Steuern oder über eine Quotierung und Auktionsverfahren erreicht wird, würde indirekt auch den Durchsatz fossiler Brennstoffe begrenzen. Ab einer bestimmten Höhe würde sie den Einsatz bestimmter Brennstoffe sogar unwirtschaftlich machen, und dies, ohne in Eigentumsrechte einzugreifen. Auch heute ist es ja schon so, dass die Förderung von Erdöl und der Abbau von Rohstoffen je nach den Preisen und den Förderkosten in manchen Fällen unrentabel sind: Daran ist nichts prinzipiell Systemfremdes.
Vier politische Instrumente
Im Kapitel 22 "Sustainable Scale" stellen Daly und Farley vier politische Instrumente vor, mit denen die Überschreitung der Ökosystemgrenzen verhindert werden können. Sie beginnen mit direkten Regulierungen, also dem Verbot schädlicher Produkte, der Kontingentierung von Ressourcen und anderen Einschränkungen, wie etwa der Festlegung von Jagd- oder Fischschonzeiten. Solche rigiden Vorschriften sind wirksam, haben aber auch Nachteile:
"The disadvantage is that in general, regulations fail to meet the criteria for allocative efficiency and thus are often not the most cost-effective way to reach a desired goal. Moreover, they fail to provide incentives for surpassing a goal, such as bringing pollution below the regulated level." (S. 428)
Eine Alternative zu starren Regulierungen sind sogenannte Pigou-Steuern (Pigouvian taxes), benannt nach ihrem Erfinder, dem britischen Ökonomen Arthur Cecil Pigou (1877 – 1959). Ihre Idee ist, den Erzeugern eine Steuer in Höhe der von ihnen verursachten negativen Externalitäten aufzuerlegen, um so den von ihnen zu Lasten der Gesellschaft verursachten sozialen und ökologischen Schaden auszugleichen:
"This would force the economic agent to account for all economic costs, creating an equilibrium in which marginal social costs were equal to marginal external costs." (S. 430)
Eine Pigou-Steuer kann zwar immer nur eine grobe Annäherung sein, weil wir die marginalen externen Kosten in vielen Fällen gar nicht kennen und sie zudem schwanken können. Aber sie ist trotzdem ein effektives marktwirtschaftliches Steuerungselement, weil sie den Erzeugern, Transporteuren und Händlern gemäß dem Grundsatz "tax bads, not goods" (S. 439) die sozialen und ökologischen Kosten ihres Handelns aufbürdet. Da die Pigou-Steuer ihre Produkte verteuert und so die Nachfrage reduziert, haben die Unternehmen einen starken Anreiz, diese Kosten zu senken, indem sie, wo immer dies für sie kostengünstiger ist, auf umweltschonendere Herstellverfahren umsteigen.
In ähnlicher Weise könnten auch Pigou-Subventionen (Pigouvian subsidies) einen Anreiz für Unternehmen schaffen, negative Externalitäten zu reduzieren. Allerdings muss man hier höllisch aufpassen, nicht versehentlich perverse Anreize zur Erhöhung der Umweltbelastung zu schaffen: Subventionen können neue Marktteilnehmer anlocken, die in erster Linie an deren Abgreifen interessiert sind. Trotzdem können Pigou-Subventionen punktuell sinnvoll sein, zum Beispiel dann, wenn sie Landwirte für Landschaftspflege und die Schaffung und Erhaltung von Lebensräumen honorieren.
Das vierte Instrument ist "Cap and Trade": Man bestimmt (wiederum mit einer gewissen Sicherheitsmarge), welche Schadstoffmenge das Ökosystem (oder die Gesellschaft) in einem gegebenen Zeitraum verkraftet, und versteigert diese Menge meistbietend. Auf diese Weise wird für die effizienteste Allokation der verfügbaren Resorptionsfähigkeit des Ökosystems gesorgt. Allerdings nicht unbedingt für eine sozial gerechte, denn die Auktionsprämien fließen üblicherweise nicht den Bürgern zu, deren Anteile an der Gesamtleistungsfähigkeit des Ökosystems auf diese Weise versteigert werden, sondern den Regierungen oder internationalen Organisationen.
Schlüssig und sinnvoll, aber schwer durchzusetzen
Lassen wir es dabei: Eine zusammenfassende Rezension kann nicht alle wesentlichen Inhalte eines 500-Seiten-Lehrbuchs referieren. Die hier wiedergegebenen Gedanken sollten gezeigt haben, dass die Ökologische Ökonomie nicht bloß alten Käse in neuen Schachteln serviert, sondern wirklich etwas Neues zu sagen hat. Im Zentrum ihres Denkens steht der Konflikt, den die konventionelle Ökonomie beharrlich ignoriert, nämlich der zwischen der Endlichkeit unseres Ökosystems und einem auf Wachstum programmierten Wirtschaftssystem.
"Around 150 years ago, many ecosystem goods and services were so abundant that an extra unit had no appreciable value. As a result, the economic system ignored the value of such goods. Overe time, however, these goods and services have become increasingly scarce and their marginal values have soared, which is why economists now attempt to calculate their values. As we approach ecological thresholds, which we may already be doing, the marginal value and hence 'price' of these goods and services will increase extremely rapidly." (S. 458)
Waren vor 150 und auch vor 100 Jahren noch die technischen Möglichkeiten der kritische Engpass, ist es seither in zunehmendem Maße die Begrenztheit unseres Ökosystems, die einer weiteren Expansion im Weg steht. Längst limitiert nicht mehr die Leistungsfähigkeit der Fischfangflotten die Ausbeute, sondern die verfügbaren Fischbestände. Diese Grenzen außer Acht zu lassen und sich weiter an das Dogma eines unbegrenzten Wachstums zu klammern, macht die konventionelle Ökonomie zu einer zunehmend nutzlosen und ärgerlichen Veranstaltung.
Im Gegensatz dazu bietet die Ökologische Ökonomie, auch wenn sie aus verständlichen Gründen noch nicht in allen Details ausgefeilt ist, nicht nur einen Denkansatz, der kompatibel mit den Realitäten dieser Welt ist, sondern auch ein praktisches Instrumentarium, das uns helfen könnte, den Übergang in ein – im wirklichen Sinne des Wortes – nachhaltiges Wirtschaften zu schaffen.
Das größte Hindernis bei diesem Übergang ist weder theoretischer noch praktischer Natur, sondern politischer: Die von der ökologischen Ökonomie aufgezeigten Handlungsnotwendigkeiten kollidieren so fundamental mit den Interessen der Nutznießer des bisherigen Systems, sprich der großen Konzerne sowie der politisch einflussreichen Einkommens- und Vermögenselite, dass es beinahe aussichtslos erscheint, den rettenden Ausweg aus dem drohenden Systemkollaps rechtzeitig zu beschreiten.
Angesichts dieser Ausgangslage bietet wohl allenfalls das israelische Sprichwort Trost: "Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist."
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