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Vertane Chance trotz beeindruckender Interviews

Sommerauer, Kristina; Meier, René (2015):

Ein guter Kapitän zeigt sich im Sturm

Krisenkompetenz für Führungskräfte

Hogrefe (Bern); 237 Seiten; 29,95 Euro


Nutzen / Lesbarkeit: 5 / 7

Rezensent: Winfried Berner, 21.11.2018

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Sehr lesenswerte Interviews mit Menschen, die bei schweren Katastrophen die Verantwortung für das Krisenmanagement hatten – leider scheitert das Buch völlig daran, aus diesem Rohmaterial herauszuholen, was in ihm steckt.

Es ist erstaunlich und befremdlich, was für Bücher der renommierte Hogrefe-Verlag (in dem der ebenso renommierte Berner Hans Huber Verlag aufgegangen ist) inzwischen herausbringt. Beide waren zu meinen Studienzeiten Horte der akademischen Seriosität (und zuweilen Behäbigkeit). Da überrascht es schon, wenn die theoretischen Teile dieses Buchs gerade mal das Niveau einer knapp bestandenen Bachelorarbeit erreichen.

Da wird (mehrfach) als Quelle für den Stand der Forschung Wikipedia zitiert, da wird ohne wissenschaftliche Quellen munter über das Entstehen und die Stabilisierung neuronaler Netzwerke fabuliert (mit zwei populären Sachbüchern von Gerhard Roth und Gerald Hüther als einigen halbwegs neurowissenschaftlichen Literatur-Referenzen), da werden logische Ebenen wie der deskriptive und der normative Charakter von Modellen durcheinander geworfen – es ist ein Graus. Die theoretischen Teile dieses Buchs kann man sich mit Gewinn schenken.

Selbst der Titel entbehrt nicht einer unfreiwilligen Komik: Wenn ein guter Kapitän sich (nur) im Sturm zeigt, was macht er dann den Rest des Jahres? Falls er sich aber auch sonst zeigt, warum sollte er sich ausgerechnet während eines Sturms nicht zeigen? Die Aussage sollte wohl lauten: "Was ein guter Kapitän ist, zeigt sich im Sturm". Naja, ein guter Lektor zeigt sich in Semantik.

Sensationelles Rohmaterial

Dabei hätten die Kommunikationstrainerin Kristina Sommerauer und der Pädagogik-Dozent René Meier von der PH Zürich so gutes Rohmaterial zu Verfügung gehabt. Es war wohl vor allem Sommerauer, die eine Reihe zum Teil hochinteressanter Interviews mit freiwilligen und unfreiwilligen Krisenmanagern, Beratern und Seelsorgern geführt hat.

Vor allem die Interviews mit den drei Bürgermeistern von Kaprun (Gletscherbahnkatastrophe), Taxenbach (Hochwasser) und Galtür (Jahrhundertlawine) sind sehr ehrlich, beeindruckend, teilweise anrührend und geben tiefe Einblicke sowohl in die Dynamik von Katastrophen als auch in die Rolle und in die seelische Verfassung von Krisenmanagern. Sie nötigen größte Hochachtung sowohl für der mentalen Leistung dieser "Helden der Krise" ab als auch vor der Offenheit ihrer Berichte.

Was hätte man aus diesem Rohmaterial machen können! Doch Sommerauer und Meier verwenden nur das erste Kapitel darauf, Auszüge aus diesen Interviews wiederzugeben und sie eher oberflächlich zu kommentieren. Ein guter Teil dieser 30 Seiten sind Zitate aus den Interviews, sodass für eine tiefere Analyse, das Herausarbeiten von Parallelen und Unterschieden sowie das Ableiten von Erkenntnissen und Empfehlungen kaum Raum bleibt. Es wirkt, als wäre dieses Kapitel nachträglich an eine Arbeit angefügt worden, die eigentlich einen ganz anderen Schwerpunkt hatte.

Gut, dass die Interviews im vierten Kapitel zumindest in voller Länge wiedergegeben sind. Denn darunter sind einige, die sich mehrfach zu lesen lohnt und bei denen wohl auch eine vertiefte Auswertung der Mühe wert wäre. Dieses vierte Kapitel ist der Grund, weshalb meine Gesamtbewertung nicht noch schlechter ausfällt. (Leider sagt das Buch nichts darüber, ob die Gespräche auf Tonträger aufgezeichnet und transkribiert wurden oder ob der wiedergegebene O-Ton nachträglich aus Mitschriften und Gedächtnis(sen) rekonstruiert wurde.)

Kaum Differenzierungen

Mit der altehrwürdigen Ars distinguendi, der Kunst des Unterscheidens, haben es die Autoren nicht. Sie differenzieren nicht nach geschulten und kalt erwischten Krisenmanagern, nach unterschiedlichen Arten von Krisen, unterscheiden nicht zwischen professionellen Krisenmanagern und unerfahrenen Laien wie zum Beispiel haupt- oder ehrenamtlichen Dorfbürgermeistern, und auch nicht nach vielem anderen, was unterscheidenswert wäre.

Dabei sollte es doch eigentlich einen Riesenunterschied machen, ob jemand, wie zum Beispiel ein Einsatzleiter bei der Bergwacht oder bei der Feuerwehr, im Umgang mit Krisen geschult ist und einige Erfahrung zumindest mit kleineren und mittleren Krisenfällen hat, oder ob er auf dem Weg ins Rathaus noch nicht wusste, dass er ein oder zwei Stunden später mit der schwersten Krise seines Amtes und vielleicht seines Lebens konfrontiert sein und keine Wahl haben würde, als sie irgendwie zu managen.

Doch statt auf solche und und ähnliche Fragen einzugehen, verbringen Sommerauer und Meier die nächsten 58 Seiten des zweiten Kapitels damit, "Was die Literatur zu Krisen und Konflikten lehrt": Offenbar der gefürchtete theoretische Teil ihrer Arbeit, in dem die Autoren, wie in so vielen Prüfungsarbeiten, etwas ungelenk und undurchdrungen ihre Fundsachen aus den verschiedensten Quellen aneinanderreihen.

Als eigenen Beitrag zur Theoriebildung präsentieren sie ihr "3K-Modell" mit "Konflikt – Krise – Katastrophe", was offenbar Steigerungsformen sein sollen. So bringen sie auch den unschuldigen Friedrich Glasl ins Spiel, augenscheinlich ohne zu verstehen, dass die von ihnen zitierte Konfliktdefinition als "Unvereinbarkeiten im Wahrnehmen und im Denken bzw. Vorstellen und im Fühlen und im Wollen" (S. 51) in völligem Gegensatz zu ihrem Modellchen steht.

Denn Glasls Definition bringt glasklar zum Ausdruck, dass ein Konflikt ein Beziehungsproblem ist. Eine Krise, so wie Sommerauer und Meier den Begriff bislang verwendet haben, ist dagegen gerade kein Beziehungsproblem ist, dem mit Beziehungsarbeit beizukommen ist, sondern ein Sachproblem, das des raschen, gezielten und koordinierten Handelns bedarf. Immerhin lässt sich daraus lernen, dass der Begriff Krise doppeldeutig ist: Natürlich gibt es auch Beziehungskrisen, aber die sind in jeder Hinsicht etwas völlig anderes als Unfälle und Naturkatastrophen.

Das Zürcher Ressourcen Modell ZRM®

Das dritte Kapitel soll dann offenbar der praktische Teil der Arbeit sein. Es ist überschrieben "Mit dem Zürcher Ressourcen Modell ZRM® zu einer guten Führungshaltung und zur Krisenkompetenz". Dieses ZRM® stammt von Maja Storch und Frank Krause und scheint, soweit den Darlegungen zu entnehmen, ein recht brauchbares Modell sowohl für die Vorbereitung auf mögliche Krisen sein als auch für deren Nachbearbeitung und Reflexion. Es umfasst Elemente wie ein Phasenmodell, beginnend mit der Bedürfnisklärung über eine Grundsatzentscheidung, "Rubikon-Prozess" genannt, bis zum Handeln, weiterhin Wenn-Dann-Pläne, eine Gefühlsbilanz und andere Elemente.

Für die akute Krisenbewältigung scheint dieses Modell dagegen weniger gedacht und geeignet zu sein. Das erklärt wohl auch, weshalb die Autoren ihr Buch in der Einleitung mit der etwas wunderlichen Formulierung vorstellen, es handele sich um ein "Präventions- und Aufarbeitungsbuch" (S. 11). Das ließ mich schon beim ersten Lesen stutzen, denn zwischen der Krisenprävention und der Aufarbeitung (die ja nur fällig wird, wenn die Prävention gescheitert ist), da war doch noch etwas …

Aber das Handeln in einer akuten Krise sparen Sommerauer und Meier tatsächlich aus bzw. streifen es nur im Zusammenhang mit den Interviews im ersten Kapitel. Stattdessen beschreiben sie im "praktischen Teil" ausschnittsweise zwei Fälle, die man mit gutem Willen als Coaching zur Krisenvorbereitung bezeichnen könnte, die man aber genauso als persönliche Zielklärungsprozesse im Rahmen eines ganz normalen Coachings ansehen kann.

Resümee: sehr unbefriedigend. Dabei halte ich den Autoren gar nicht vor, dass sie ihr Thema nicht in den Griff bekommen haben – das kann passieren. Zu kritisieren ist, dass sie das offenbar nicht erkannt haben – und dass niemand den Mut hatte, ihnen das in aller Klarheit zu sagen, nicht einmal der Verlag, der sowohl den Autoren als auch seinem Renommée damit einen schlechten Dienst erwiesen hat.

Schlagworte:
Krisenmanagement, Fallbeispiele, Stressbelastung

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