John R. Allison vermittelt einen sehr guten Überblick über die in den USA verfügbaren Möglichkeiten, Rechtsstreitigkeiten im Wirtschaftssektor außergerichtlich zu bereinigen.
Die Nachteile der herkömmlichen Austragung von Streitigkeiten auf gerichtlichem Wege sind gravierend: lange Dauer, hohe Kosten, zerstörte Geschäftsbeziehungen. Sie beruhen vor allem auf einigen "eingebauten" Eskalationsmechanismen: "In fact, each lawyer has an obligation to be as zealous an advocate as possible, even – sometimes especially – to the detriment of discovering the truth and of resolving conflicts to the satisfaction of both parties." (S. 166)
Weil viele Firmen diese Nachteile nicht mehr in Kauf nehmen wollen, machen sie von "Alternative Dispute Resolution" (ADR) Gebrauch. Ihnen allen sind nach Aussage von John R. Allison zwei Merkmale gemeinsam: "They are all attempts to save legal and managerial time and money, and they all try to take at least some of the edge off the adverserial attitude. the theory behind ADR is that settling disputes as painless ly as possible requires good communication, that good communication requires some degree of trust, and that the adversary system of dispu te resolution nurtures distrust, distortion, and animosity. The creation of trust is central to the design of many ADR techniques." (S. 167)
Allison beschreibt die fünf gebräuchlichsten Formen:
• Schiedsgerichte (arbitration), die formellen Gerichtsverfahren verwandt, wenn auch weit weniger förmlich sind und mit einem (mehr oder weniger) bindenden Schiedsspruch durch eine neutrale Instanz enden.
• Vermittlung ( mediation), bei dem die neutrale Instanz, der Vermittler, keinen Schiedsspruch fällt, sondern den Parteien "nur" bei der Lösung ihres Streits hilft, indem er sie bei der Klärung ihrer Interessenlagen unterstützt, den Gesprächskanal aufrecht erhält, Nachrichten überbringt, für ein geeignetes Verhandlungsumfeld sorgt, den Parteien beim Verständnis ihrer wechselseitigen Probleme und der Ursachen ihres Konflikts hilft, unrealistische Erwartungen abbaut, beim Entwickeln von Lösungsoptionen mitwirkt, Lösungen vor schlägt und die Parteien schließlich davon überzeugt, einer geeigne ten Lösung zuzustimmen.
• Rent-a-Judge-Programme, eine Variante des Schiedsgerichts, bei dem die Parteien einen pensionierten Richter dafür gewinnen, ihnen ein Urteil zu sprechen, das dem einer echten Gerichtsverhandlung ent spricht, aber wesentlich schneller, effizienter und kostengünstiger zustande kommt.
• Simuliertes Gerichtsurteil (summary jury trial), die die oft große Diskrepanz zwischen den Erwartungen der Streitparteien abbauen, in dem sie den Quasi-Urteilsspruch einer Jury in einem stark abgekürzten, simulierten Gerichtsverfahren verfügbar machen.
• Mini-Gerichtsverhandlung (mini trial), die eine Mischform von Vermittlung, traditionellen Verhandlungen und Gerichtsspruch ist: "Formats vary somewhat but typically involve one high-level executive from each side of the dispute plus one neutral adviser ... To minimize the role of emotion and face saving, the two executives should not have been directly involved in creating or in trying to settle the case, and they must have either settlement authority or, at the very least, substantial influence over the settlement decision." (S. 173)
Zahlreiche Varianten und Mischformen zwischen diesen Methoden sind je nach Ausgangslage und Rahmenbedingungen denkbar. Nach Empfehlung von Allison sollte die Wahl des Verfahrens zumindest die folgenden Faktoren berücksichtigen:
• Commitment: Wie stark fühlen sich die Parteien an die Ergebnisse des Verfahrens gebunden?
• Geschäftsbeziehungen: Die Chancen für ADR sind besonders gut, wenn zwischen den Kontrahenten Geschäftsbeziehungen zum gegenseitigen Vorteil bestehen, an deren Erhaltung beide interessiert sind.
• Vertraulichkeit: Haben die Konfliktparteien Interesse am Schutz wichtiger Informationen?
• Dringlichkeit: Haben die Parteien ein Interesse daran, dass es möglichst rasch zu einer Entscheidung kommt?
• Finanzielle Lage: "A plaintiff's precarious financial condition can increase its need for a fast resolution but can also cause it to hold out to the very end for a potentially large jury verdict. The course it chooses will depend on how it perceives the strength of its claim but also on just how hard its creditors are breathing down its neck. A financially strapped defendant is likely to benefit from delay if it sees real strength in the other side's claim, especially if applicable law does not provide for prejudgement interest on the court' s award." (S. 176)
• Prinzipien: "In some cases, the desire to clear a reputation or to defend a principle can be powerful." (S. 176) Neben dem Bedürfnis nach Genugtuung kann auch die Suche nach einer Präzedenz-Entscheidung die Bereitschaft zu einer außergerichtlichen Einigung erschweren.
• Komplexität: Die größte Chance, durch ADR Zeit und Kosten zu sparen, liegt nach Auffassung von ALLISON bei sehr komplexen Streitigkeiten.
• Streitwert: Manche Streitparteien könnten der Meinung sein, dass Auseinandersetzungen mit sehr hohem Streitwert vor ein ordentliches Gericht gehören.
• Beteiligung von Top Managern: "In any form of ADR, early and person al involvement by the disputants themselves or by the executives of the quarreling corporations is often critical to an efficient, expe ditious resolution. ... A manager's investment of time and effort will generate excellent returns in the long run." (S. 177).
Alles in allem vermittelt John R. Allison den Eindruck, ein exzellenter Kenner der Materie und darüber hinaus ein sehr fähiger Vermittler zu sein. Denn er vermittelt seinen Stoff nicht nur gut nachvollziehbar und mit vielen Praxisbeispielen, sondern er tut dies auch in einer sehr abgewogenen und zurückhaltenden Art und Weise - allen Meinungen gerecht werdend, ohne dabei seinen eigenen Standpunkt zu verschleiern.
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