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Ausgezeichneter, fundierter Ernährungsratgeber
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Kast, Bas (2018):
Der Ernährungskompass Das Fazit aller wissenschaftlichen Studien zum Thema Ernährung
Bertelsmann (München); 319 Seiten; 20 Euro
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Nutzen / Lesbarkeit: 10 / 10
Rezensent: Winfried Berner, 28.02.2019
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Bei diesem Buch verstehe ich, wieso es sich beharrlich auf den Bestsellerlisten hält: Es ist sehr gut lesbar geschrieben und fasst den derzeitigen Stand der Forschung kompakt zusammen, ohne in Eifer oder erkennbare Einseitigkeit zu verfallen.
Mein Fazit in Stichpunkten:
- Keine Panik vor Fett: "Wer auf Fett verzichtet, verzehrt zwangsläufig etwas anderes." (S. 12) Vor allem pflanzliche Fette sind ziemlich unbedenklich, aber auch tierisches Fett bringt einen nicht um. Nur von künstlich gehärteten "Transfetten", wie sie leider zum Frittieren genutzt werden, sollte man sich fernhalten. Für die allgemeine Fettphobie gibt es "schlicht keine rationale Basis." (S. 99)
- Es gibt Nahrungsmittel, die beim Schutz vor Übergewicht helfen, darunter Joghurt, Obst und – Nüsse! (Schon auf Seite 15 der erste Grund, von diesem Buch begeistert zu sein.)
- An Proteinen zu sparen und nur noch Obst, Salat und Gemüse zu verzehren, funktioniert nicht, weil unser Körper Proteine braucht: "Wir essen so lange, bis unser Proteinhunger gestillt ist." (S. 38)
- "Proteinreiche Diäten führen zu einem stärkeren Gewichtsverlust als proteinarme Diäten." (S. 53) Allerdings kurbeln tierische Proteine bei zu reichlichem Konsum den Alterungsprozess an.
- Sehr gesund ist hingegen Fisch, insbesondere fetter Fisch, weil er Omega-3-Fettsäuren enthält, die entzündungsdämpfend wirken. Optimal sind etwa 60 Gramm pro Tag. Also Mut zum fetten Fisch: "Nur fettige Fische liefern Omega-3-Fettsäuren in ausreichenden Mengen." (S. 244)
- Milch ist natürliches Kraftfutter für junge Säugetiere. Eben weil sie Wachstum fördert, ist sie für Erwachsene mit Risiken behaftet. Fermentierte Milch, also zum Beispiel Joghurt, Kefir und Quark, sind dagegen empfehlenswert, weil sie Entzündungen entgegenwirken. Ihr Fettgehalt spielt keine entscheidende Rolle.
- Käse ist "durchaus empfehlenswert" (S. 240), er wirkt sich günstiger als Butter auf die Blutfettwerte aus und liefert zudem Vitamin K. Bei Butter gibt es zumindest "keinen Grund, sie strikt zu meiden" (S. 235).
- Zucker enthält Glukose und Fruktose. Letztere ist besonders gefährlich, weil sie sofort in der Leber eingelagert wird, als "Vorbereitung auf einen Winter, der nie kommt" (S. 115). Dies führt zu einer Abstumpfung gegenüber dem Hormon Insulin und in deren Folge "zu vermehrter Insulinausschüttung, was wiederum der Entwicklung zahlreicher Leiden – von Übergewicht bis hin zu Krebs – Vorschub leistet." (S. 127)
- "Zucker trägt entschieden zur Arterienverstopfung und damit der Gefahr eines Herzinfarkts bei." (S. 130) Die Leber versucht, den überflüssigen Zucker loszuwerden; so verfetten auch die Muskeln und werden insulinresistenter (Diabetes). Zugleich verfetten die Bauchorgane, und das Bauchfett neigt dazu, sich zu entzünden.
- Fruchtsäfte enthalten viel Fructose und sind deshalb schädlich: "Bio-Apfelsaft enthält genauso viel Zucker wie Cola!" (S. 120f.)
- Unbedenklich sind dagegen Früchte selbst: "Die ganze Frucht ist immer besser als der gepresste Saft." (S. 159)
- Nährstoffarme Nahrungsmittel wie ausgemahlenes Getreide und daraus hergestellte Produkte (Weißbrot, Nudeln), weißer Reis und Zucker können "ein ständig nagendes Gefühl von Mangel, einen 'Nährstoffhunger'" (S. 165) hinterlassen, weil es trotz allen Essens an Vitaminen, Mineralien und wichtigen Fetten fehlt. Wer nicht unter einer Glutenunverträglichkeit leidet, kann aber unbedenklich Vollkornprodukte essen.
- Die Mehrzahl an Überblicksstudien stuft rotes und verarbeitetes Fleisch als schädlich ein. Für Fisch sieht die Befundlage genau umgekehrt aus.
- Kartoffeln lassen den Blutzuckerspiegel rasch und steil ansteigen; etwa zwei Stunden nach der Mahlzeit setzt dann eine Unterzuckerung ein, sprich Hunger. Ähnlich ist es mit weißem Reis. "Nudeln sind insgesamt empfehlenswerter als Reis." (S. 181)
- "Hülsenfrüchte sättigen." (S. 182) Und stehen darüber hinaus "sogar in dem Verdacht, sich vorteilhaft auf den Alterungsprozess auszuwirken." (S. 183)
- Kaffee senkt das Sterblichkeitsrisiko: "Drei, vier, fünf Tassen Kaffee täglich sind gut für Ihr Herz sowie für den Rest Ihres Körpers, vor allem für die Leber." (S. 197)
- Regelmäßiger Alkoholgenuss erhöht das Krebsrisiko um immerhin 400 Prozent.
- Olivenöl und knapp dahinter auch Rapsöl sind empfehlenswert, weil beide viele ungesättigte Fettsäuren enthalten. Dagegen enthält Palmöl kaum ungesättigte Fettsäuren.
- "Möglichst unverarbeitete Nahrungsmittel." (S. 285) Länder mit einer hohen gesunden Lebenserwartung haben eines gemeinsam, nämlich "dass man in all diesen Kulturen echtes Essen statt industrielles Junkfood isst." (S. 107)
- Essen ist etwas Individuelles – nicht jede Diät funktioniert für jeden. So verträgt zum Beispiel nicht jede(r) gleich viele Kohlehydrate. Weil Diäten ein übergestülptes Fremdprogramm sind, erfordern sie viel Disziplin – letztlich ein nutzloser Kraftakt, bis sich der Körper schließlich doch durchsetzt. "Die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Diät besteht darin, dass man sie durchhalten kann." (S. 109)
- Was Kohlehydrate und Fette betrifft, kommt es weniger auf die Mengenverhältnisse an als darauf, "die gesunden Kohlehydrate und Fette zu essen." (S. 110)
- Nahrungsergänzungsmittel sind unter normalen Umständen nicht sinnvoll: "Unser Körper steht nicht so auf einzeln ausgewählte Substanzen, er mag Nährstoffcocktails, Nährstoffpakete. Er mag echtes Essen lieber als Pillen." (S. 238) Mit zwei Ausnahmen: Vitamin D und Omega-3-Fettsäuren. Wer sich nicht sehr viel unter freiem Himmel bewegt (Vitamin D) und viel Olivenöl und Fisch isst, für den kann es ratsam sein, sie als Tabletten oder Kapseln zu sich zu nehmen.
- Entgegen dem mechanistischen Denkmodell der "Energiebilanz" spielt der Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme eine Rolle. Deshalb ist es ratsam, "den Großteil der Kalorien eher früh am Tag zu sich zu nehmen" (S. 274). Weil die Ausschüttung von Insulin am Abend durch Melatonin gehemmt ist, ist es ideal, gesunde Kohlehydrate eher in der ersten Tageshälfte zu sich zu nehmen. "Nachmittags könnte man dann zu einer Proteinquelle, wie Fischfilet mit Salat und Gemüse, greifen, während man sich gegen Abend stärker bei den fettreichen Lebensmitteln bedient, wie Avocados, Nüsse, Olivenöl, Käse usw." (S. 274)
- "Zeitbegrenztes Essen stabilisiert den Tag-Nacht-Rhythmus des Körpers" (S. 276), verbessert den Schlaf und begünstigt dazu das Gewicht. Zeitbegrenztes ist zudem "die einfachste und wirksamste Art zu fasten." (S. 282)
Insgesamt ein sehr nützliches und fundiertes Buch, um die eigene Ernährung – nein, nicht "umzustellen", aber behutsam nachzujustieren. Und eine Ermutigung dazu, die Ernährung nicht als Kampf gegen den eigenen Körper und auch nicht als seine Disziplinierung zu verstehen. Dabei kann auch ein bisschen Wissen und Verstand nicht schaden, zumal wir in einer Welt leben, in der viele industrielle Nahrungsmittel darauf optimiert sind, uns zum "unkontrollierten Fressen" zu motivieren.
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Schlagworte:
Ernährung, Gesundheit, Übergewicht, Zucker, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen
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