Ein Verhandlungsratgeber für Fortgeschrittene, der hilft, das eigene Vorgehen konsequent ziel- und handlungsorientiert auszurichten, indem es nicht die Sachinhalte in den Fokus nimmt, sondern den Lösungsprozess und den jeweils nächsten Schritt.
Roger Fisher (1922 – 2012), Professor an der Harvard Law School und Begründer des renommierten Harvard Negotiation Projects, war schon bei Erscheinen dieses Buches vor 25 Jahren emeritiert, aber offenkundig noch voll engagiert. Zusammen mit seinen "Schülerinnen", den Anwältinnen Elizabeth Kopelman und Andrea Kupfer Schneider veröffentlichte er 1994 dieses kurze, aber eindringliche und auch heute noch lesenswerte Büchlein. Es hat in erster Linie internationale Konflikte zum Gegenstand, bietet aber auch für diejenigen von uns, die nur selten Konflikte mit anderen Staaten haben, eine Fülle wertvoller Einsichten und praktische Handlungsanleitungen.
Welche konkrete Entscheidung wollen Sie als nächstes herbeiführen?
In ihrem Vorwort machen die Autorinnen deutlich, was sie mit diesem Buch bezwecken: "Governments frequently show more concern for having the correct attitude toward the problem or for making an elegant statement about it than for bringing about beneficial change. Too often, foreign policy decision-makers fail to focus on the decision of those they are trying to influence." (S. 2, Hervorhebung von mir)
Dieser Fokus auf die angestrebte Entscheidung der Gegenseite klingt so selbstverständlich, dass ich ihn beim ersten Mal überlesen habe. Aber er ist bereits die erste wichtige Erkenntnis aus diesem Buch. Erst beim Lesen der Beispiele wird klar, wie häufig es an einer solchen klaren Zielsetzung fehlt.
Das ist ebenso erschreckend wie beschämend. Da verhängt der Westen – von Vietnam über Ex-Jugoslawien bis zum Iran – Wirtschaftssanktionen und führt Militärschläge aus, ohne eine erkennbare (und halbwegs realistische) Vorstellung davon zu haben, welche konkrete Verhaltensänderung der Gegenseite er damit herbeiführen will. Was konkret sollte zum Beispiel die iranische Regierung tun, um die Allianz der Unwilligen dazu zu bewegen, ihre Sanktionen zu mildern oder gar aufzuheben? Es kann ja wohl keine realistische Erwartung sein, dass sie geschlossen zurücktritt, ihrem Glauben abschwört und sich zum Abtransport nach Guantanamo fertig macht.
Auch im privaten und geschäftlichen Bereich machen wir uns – und der anderen Seite – oft viel zu wenig klar, was unsere konkreten (und realistischen!) Erwartungen an deren Entscheidungen und Verhaltensänderungen sind. Wir schimpfen und klagen, machen Vorwürfe und zitieren Paragrafen, aber wir haben selten sauber durchdacht, was ein zumutbarer und "zustimmungsfähiger" ("yesable") Schritt der Gegenseite sein könnte. Infolgedessen neigen wir viel zu schnell dazu, sie mit Druck und Drohungen zum Einlenken zu zwingen, statt eine Verhandlungslösung anzustreben. Worauf die andere Seite völlig überraschend mit Druck und Gegendrohungen reagiert.
Praxisratgeber für Fortgeschrittene
Die Überschriften der sechs Hauptkapitel geben einen guten Überblick über die Kernaussagen des Buchs:
- Look Forward with a Purpose
- Step into Their Shoes
- Focus on Their Choice
- Generate Fresh Ideas
- Formulate Good Advice
- Help Change the Game
Grundsätzlich betonen Fisher und seine Koautorinnen, dass es im Umgang mit Konflikten nützlicher ist, die Aufmerksamkeit auf einen geeigneten Prozess zu ihrer Bewältigung zu richten, als auf inhaltliche Lösungen:
"Understanding our task as conflict management rather than conflict resolution is a paradigm shift – away from a conception of conflict and negotiation that stresses static substantive solutions and toward an approach that stresses the power of process." (S. 4) Denn bei vielen Konflikten mangele es weniger an einer Vorstellung, wie eine gute Sachlösung aussehen könnte, als an einem gangbaren Weg dorthin.
Konfliktmanagement statt Konfliktlösung; Fokus auf den Prozess statt der Suche nach einer Sachlösung: Wir sind erst auf Seite 4 des Buchs, aber der Preis hat sich im Grunde bereits bezahlt gemacht.
"Berate den Fürsten"
Der Titel des Buchs ist eine bewusste Reverenz vor dem berühmten Florentiner, denn er hat aus Sicht der Autoren eines richtig gemacht, was auch heute noch viele seiner Nachfolger falsch machen: Er hat nicht allgemeine "Man-müsste-endlich-Appelle" an die Menschheit gerichtet, sondern sich für einen konkreten (und ausreichend einflussreichen) Adressaten seiner Empfehlungen entschieden: den "Fürsten".
"Advise a Prince", lautet denn auch eine Überschrift – womit Fisher & Co. sagen wollen: Bevor du Empfehlungen formulierst, überlege dir genau, wer eigentlich die Macht und ein ausreichendes Interesse haben könnte, sie in die Tat umzusetzen. Denn sonst sind sie, so schlau sie immer sein mögen, in den Wind gesprochen.
Hätten Sie es auch ein bisschen kleiner? Ja. Die Adressaten unserer Empfehlungen müssen nicht immer Fürsten, CEOs und Präsidenten sein: "Many people, in the course of their daily work, make decisions with the potential to change the world – a little. More of us could make a difference by first defining a manageable problem and then formulating a process for handling it." (S. 8)
Das macht es erforderlich, den Standpunkt des bloßen Zuschauers und klugscheißerischen Kommentators zu verlassen und sich – wenigstens konzeptionell – einzumischen. Die Leitfrage dafür lautet: "Wer könnte/sollte morgen früh welche konkreten Schritte unternehmen, um die verfahrene Sachlage ein Stückchen nach vorne zu bringen?"
An den eigenen Zielen orientieren
Die wichtigste Botschaft des ersten Kapitels ist aber genau das, was die Überschrift sagt: "Look Forward with a Purpose". Nur dass man die Tragweite dieses Satzes ohne Erläuterung nur ansatzweise versteht. Es beginnt, so banal das klingen mag, damit, nach vorne zu schauen und nicht in den Rückspiegel.
In der Realität sind Verhandler auf allen Ebenen oftmals eher reaktiv als zielorientiert unterwegs. Sie beklagen sich über zurückliegende Ereignisse, erheben Vorwürfe und Beschuldigungen, und sie reagieren mehr oder weniger heftig auf die vorausgegangenen Spielzüge der anderen Partei(en), die sie als ärgerlich, provozierend oder "völlig inakzeptabel" empfinden, statt ihre eigenen Ziele zu verfolgen. Tröstlich, aber auch beunruhigend, dass das offenbar nicht nur im Kleinen gilt: "Actors on the international scene are frequently not looking where they are going because they are too busy looking back over the shoulders." (S. 14)
Entscheidend ist dabei, sich über seine Ziele klar zu werden. Denn die Tauglichkeit möglicher Spielzüge lässt sich nur an ihrem Beitrag zu diesen Zielen messen. Solange die Ziele also unklar sind, fehlt jeder sinnvolle Handlungsmaßstab. Im wirklichen Leben sind die Ziele aber oft alles andere als klar – oft weiß man nur, welchen Ist-Zustand (oder welche drohende Entwicklung) man auf keinen Fall möchte. Doch aus der Tatsache, dass man weiß, was man nicht will, folgt noch lange keine Klarheit, was man will.
Und schließlich raten die Autoren, die eigenen Ziele mit Sorgfalt zu wählen und sich eine gewisse Flexibilität zu bewahren, statt sich allzu eng auf einen bestimmten Zielzustand festzulegen: "We are likely to do better if we formulate a purpose, at least to ourselves, in terms of the direction that we would like to go, rather than in terms of a fixed objective that we 'must' reach." (S. 14) Hier findet sich der Gedanke des Harvard-Konzepts wieder, sich nicht auf starre Positionen und Forderungen zu versteifen, sondern primär auf die Erfüllung der eigenen Interessen und Bedürfnisse zu achten – wie auch die der Gegenseite.
Verstehen als Schlüssel zur Verständigung
"Step into Their Shoes", ist das zweite Kapitel überschrieben – und das klingt schon fast zu vertraut: Ja, natürlich, man sollte empathisch sein, sich in die andere Seite hineinversetzen, die Situation aus ihrer Perspektive sehen – alles gut und schön, solang es keinen ernsthaften Konflikt gibt. Aber das hält, genau wie Moltke sagte, "bis zur ersten Feindberührung": In einem wirklichen Streit "wissen" wir doch, dass unsere Position sachlich, moralisch und auch sonst die einzig zutreffende ist – und wir ahnen, dass jede Einfühlung in die andere Seite nur unsere Selbstgewissheit irritieren und so unsere Kampfbereitschaft schwächen würde. Also was soll der Quatsch?
Naja, wenn wir eine Verhandlungslösung erreichen wollen (oder mangels praktikabler Alternativen erreichen müssen), wäre es wahrscheinlich hilfreich, wenn wir die andere Seite mit unseren Argumenten und Vorschlägen erreichten, und dafür wiederum wäre es wohl nützlich, wenn die ihre Sichtweise verstünden. Mit einer empathiefreien Versteifung auf unsere Sichtweise würden wir wohl unsere Kampfkraft stärken, aber nicht unbedingt unsere Überzeugungskraft. Also müssen wir eine Entscheidung treffen, welchen Weg wir einschlagen wollen – sprich, welches Problem uns lieber ist.
Deshalb ist der Rest des Buchs und dieser Rezension nur für diejenigen relevant, denen das Herbeiführen einer Einigung wichtiger ist als das Rechtbehalten.
Wer auf Verständigung setzt, für den ist eine nützliche Übung, die bisherigen eigenen (verbalen und nonverbalen) Botschaften aus der Perspektive der anderen Partei wahrzunehmen. Unter Umständen benötigt man dafür die Hilfe von jemanden, der/die nicht (so sehr) Partei ist, doch solange man nicht weiß, wie die eigenen Aussagen verstanden werden, kann man nicht sinnvoll und zielgerichtet kommunizieren.
Dabei ist ein Hinweis wichtig: "Understanding is not simply an intellectual activity. Feeling empathetically how others may feel can be as important as thinking clearly about how others may think." (S. 33)
Genau deshalb halten die Autorinnen einen Rollentausch für eine ausgesprochen nützliche Übung, vor allem wenn er genutzt wird, um nicht nur die vorgebrachten Positionen besser zu verstehen, sondern die dahinter liegenden Bedürfnisse und Interessen. Das eröffnet die Möglichkeit, Lösungsansätze zu finden, die den beiderseitigen Anliegen auf eine unerwartete neue Art und Weise gerecht werden.
Fokus auf die Entscheidungsalternativen der Gegenseite
Gleich ob im privaten, geschäftlichen oder politischen Umfeld, jeder Konflikt hat eine Vorgeschichte – und die ist nicht zuletzt davon gekennzeichnet, dass bislang kein Versuch zu seiner Lösung funktioniert hat. Was zugleich auch bedeutet, dass die Kommunikation nicht erfolgreich war und vermutlich mit Missverständnissen und negativen Fremdbildern belastet ist. Bevor man also weitere Versuche macht, ist es sinnvoll, erst einmal eine Basis für eine wirksame Verständigung zu schaffen.
Dafür sind zwei Fragen besonders relevant: Erstens, wie hat die andere Seite unsere bisherigen Botschaften eigentlich verstanden? Und zweitens, vor welche Entscheidungsalternativen sieht sie sich durch diese Botschaften gestellt? Wie versteht zum Beispiel der Iran, oder wie versteht Russland die Botschaften des Westens, und welche Handlungsalternativen ergeben sich für sie daraus?
Um diese und ähnliche Fragen zu analysieren stellen Fisher, Kopelman und Schneider im weiteren Verlauf des Buchs zahlreiche Templates zur Verfügung, also Formulare, Checklisten und Fragenkataloge, die ein strukturiertes Bearbeiten erleichtern. Wenn einem dabei klar wird, dass man die Gegenseite bislang vor aus deren Sicht völlig inakzeptable Alternativen gestellt hat, ist viel gewonnen. Denn dann versteht man plötzlich, weshalb sie sich bislang so "verstockt" gezeigt hat – und dass sie sich wohl auch weiter so stur verhalten wird, wenn man ihr keine besseren Alternativen bietet.
Diese Fragen können und dürfen einem nicht gleichgültig sein, denn solange sich die Gegenseite vor eine inakzeptable Wahl gestellt sieht, wird sie sich nicht bewegen. Deshalb lautet der Rat: "See changing their choice as our problem" (S. 56). Um einen Konflikt beizulegen, muss man Entscheidungsoptionen anbieten, die für beide Seiten annehmbar sind – und das heißt im politischen Raum auch: Gegenüber der eigenen Öffentlichkeit und insbesondere gegenüber den innenpolitischen Gegnern vertretbar.
Wenn die andere Seite bislang nicht zum Einlenken bereit war, ist das mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder Ausdruck von Dummheit noch von Irrationalität noch von Hasardeurtum – vielmehr ist davon auszugehen, dass ihre Haltung ebenso rational war wie die eigene Sichtweise: "The key to stepping out of this dilemma is to focus first on the other side's choice, not ours, and to see what might do to change it. Drawing up a Currently Perceived Choice chart – even where it is only a good guess – can often disclose why a seemingly erratic decision-maker is choosing a particular cause of action. Looking at the other side's choice, and assuming that they will behave rationally, substantially increases the chance that we will." (S. 66)
Neue Ideen wagen
Auch im vierten Kapitel "Generate Fresh Ideas" bieten die Autoren etliche Templates an, beginnend mit einem vierteiligen Raster "Problem – Diagnosis – General Approaches – Action Ideas". Das ist, wie sie schreiben, einfach genug, um handhabbar zu sein und relativ schnell Akzeptanz zu finden, aber zugleich strukturiert genug, um einen Ausweg aus der Sackgasse des ungeordneten Denkens zu bieten.
Nach ihrer Erfahrung sind sowohl Einzelne als auch Gruppen allzu oft in ihrer eingefahrenen Sichtweise gefangen und verwerfen alles, was nicht sofort in ihr Raster passt. Um diese Begrenzungen zu überwinden, bieten sie zahlreiche Werkzeuge und Leitfragen an wie etwa "Why is the conflict not being settled?" oder "Who do you think might be able to do what in order to help resolve it?" (S. 83)
Aber sie machen auch klar, dass die Beteiligten ihre reflektorische Abwehr gegen alles Ungewohnte überwinden müssen: "If proposals are rejected unless they immediately appeal to the most participants, each new approach will fail unless it falls within that small area consistent with the current thinking of most members of the group. Instead of garnering the benefits of many minds and many perspectives, we tend to limit one another." (S. 85) In diesem Sinne zitieren sie den ehemaligen UN-Generalsekretär Butros Butros-Ghali: "If I lost hope every time I proposed something offbeat, I would never have accomplished anything." (S. 87)
Bei solchen Verhandlungen ist nach ihrer Erfahrung ein großes Problem, dass viele der Beteiligten vor lauter Angst, eine für ihre Partei nachteilige, nicht mehr zurückholbare Aussage zu machen, ständig Selbstzensur üben und gedanklich mit beiden Beinen auf der Bremse stehen. Deshalb bemühen sich die Autorinnen darum, für diese kreativen Workshops möglichst informelle Rahmenbedingungen zu schaffen: "To overcome resistance, the proposed gathering can be identified as 'exploratory', 'pre-negotiation', 'off-the-record', 'without commitment', or 'without prejudice'." (S. 90)
Ein effektiver Ratgeber sein
In den beiden letzten Kapiteln "Formulate Good Advice" und "Help Change the Game" geht es darum, wie man seine Beraterrolle möglichst wirksam ausübt. Entscheidend ist, dass die eigenen Vorschläge und Empfehlungen "yesable" sind – zustimmungsfähig. Das heißt nicht, dass die Zustimmung sicher oder auch nur sehr wahrscheinlich sein muss, sondern nur, dass der/die/das Adressat ihnen vom Grundsatz her zustimmen können sollte.
Konkret ist damit gemeint, dass jeder Vorschlag drei Bedingungen erfüllen sollte: "Yes is a sufficient answer; Yes is a realistic answer, and Yes is operational." (S. 96) Das heißt, im Falle eines Ja wären keine weiteren Entscheidungen erforderlich, um sofort loslegen zu können ("sufficient"), und aus der Zustimmung folgten unmittelbar Handlungskonsequenzen ("operational").
Sehr lehrreich fand ich auch, was Fisher, Kopelman und Schneider zu effektiven und weniger effektiven Vermittlungs- (oder Mediations-)Strategien sagen. Als wenig effektiv sehen die die "Pendeldiplomatie" à la Henry Kissinger an, weil sie auf einen "concession hunting" hinausläuft: Der Unterhändler fliegt zwischen den Regierungssitzen der streitenden Parteien hin und her und versucht, ihnen bei jedem Besuch weitere Zugeständnisse abzuringen, umso eine schrittweise Annäherung zu erreichen.
Das macht den Verhandlungsprozess zum Null-Summen-Spiel, bei dem jede Seite so viel gewinnt, wie die andere verliert (und umgekehrt). Unter diesen Bedingungen ist es für die Verhandlungsparteien rational, als Ausgangspunkt möglichst überzogene Maximalforderungen zu wählen, um so einen möglichst großen Spielraum für relativ schmerzfreie Zugeständnisse zu haben, und bei jedem neuen Vermittlungsschritt möglichst geringe Zugeständnisse zu machen.
Mediation mit "One-Text-Process" und "Two-Draft-Strategy"
Als wesentlich effektiver sehen sie den "One-Text-Process" an, bei dem die Vermittlerin auf Basis der ersten Gespräche einen ersten, vorläufigen Textentwurf macht, den sie beiden Parteien zur Kritik vorlegt. Auf Basis dieser Kritik erstellt sie einen überarbeiteten Entwurf, den sie abermals der Kritik der Verhandlungsparteien unterwirft. Und so weiter, bis ein Punkt erreicht ist, an dem die Vermittlerin keine Verbesserungsmöglichkeiten mehr sieht.
Wenn dieser Punkt erreicht ist, bittet sie die Parteien um ihre Entscheidung, ob sie dem vorliegenden Text zustimmen wollen. Zu diesem Zeitpunkt sind in dem Text viele Punkte enthalten, die den Beteiligten wichtig sind. Die würden sie aufs Spiel setzen, wenn sie ablehnen, umgekehrt ist durchaus fraglich, was sie mit einer Ablehnung mehr gewinnen könnten. Das heißt, bei diesem Vorgehen ist der Anreiz zur Zustimmung stark, und die möglichen Kosten einer Ablehnung hoch.
Falls sich unvereinbare Grundsatzpositionen gegenüberstehen, ist eine interessante Variante die "Two-Draft-Strategy". Sie setzt einen von beiden Seiten anerkannten Schiedsrichter oder eine andere Art von "letzter Instanz" voraus, wie zum Beispiel eine Volksabstimmung. In die beiden Alternativentwürfen werden im Zuge der Erarbeitung aller relevanten Aspekte aufgenommen und geregelt. Am Schluss entscheidet die vorher festgelegte Schiedsinstanz, welcher der beiden Entwürfe angenommen wird und Gültigkeit erlangt.
Bei diesem Vorgehen konkurrieren die beiden Entwürfe um die Zustimmung der Schiedsinstanz. Das macht es für die streitenden Parteien rational, ihre Entwürfe so zu formulieren, dass sie möglichst hohe Chancen haben, den Zuschlag zu bekommen – was de facto zu einer Annäherung dieser Entwürfe führt. Denn je starrerer eine Partei auf ihren Maximalpositionen beharrt, desto unwahrscheinlicher ist es, dass sie die Schiedsinstanz auf ihre Seite ziehen kann.
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Insgesamt ist dieses schmale Buch auch 25 Jahre nach seinem Erscheinen noch ein sehr lesenswerter Verhandlungsratgeber für Fortgeschrittene. Man sollte mit den Grundlagen vertraut sein und schon einige Verhandlungsführung haben, um den maximalen Nutzen aus ihm ziehen zu können, aber dann bietet er ein ganzes Repertoire an nützlichen Handwerkszeug sowie viele Impulse, das eigene Vorgehen zu überdenken und zu optimieren.
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