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Führung: Klare Antworten auf eine schwierige einfache Frage

Prentice, W. C. H. (1961):

Understanding Leadership



Harvard Business Review; January 2004 (Original 1961, wiederveröffentlicht Best of HBR); 7 S. (102 - 108)


Nutzen / Lesbarkeit: 9 / 9

Rezensent: Winfried Berner, 08.03.2004

Schon bemerkenswert, dass uns ein 43 Jahre alter Artikel zum Thema Führung heute noch etwas zu sagen hat. Er leuchtet den Wesenskern von Führung so präzise aus, dass er nach wie vor eine Top-Empfehlung wert ist.

W. C. H. Prentice, ein früherer Präsident des Wheaton College und Dean des Swarthmore College, beginnt seinen Artikel mit einem heftigen Rempler: "Versuche, Führung zu analysieren, schlagen meistens fehl, weil die Möchtegern-Untersucher ihre Aufgabe missverstehen. Üblicherweise untersuchen sie überhaupt nicht Führung. Stattdessen untersuchen sie Popularität, Macht, Unterhaltsamkeit oder vorausschauende Langfristplanung."

Doch im zweiten Absatz kommt bereits seine zentrale Definition von Führung: "Leadership is the accomplishment of a goal through the direction of human assistants." Wer seine Mitarbeiter erfolgreich dazu veranlassen kann, spezifische Ergebnisse zu erreichen, sei ein Führer: "A great leader is one who can do so day after day, and year after year, in a wide variety of circumstances." (S. 102) Er müsse dafür weder mächtig noch populär sein, er müsse weder beeindruckend noch einflussreich noch besonders befähigt sein – möglicherweise führe er als Führer lediglich die Pläne von anderen aus. (Das Wort "Führer" hat im Deutschen einen anderen Beigeschmack als das amerikanische "Leader"; trotzdem finde ich es weder mit "Leiter" noch mit "Führungskraft" richtig übersetzt.)

Die zentrale Frage, der sich Prentice dann zuwendet, ist, auf welche Weise erfolgreiche Führer die Mitarbeiter dazu bewegen, ihre Ziele zu verwirklichen. Anerkennung sei wohl die gebräuchlichste Methode; krude Formen von Führung bauten ausschließlich auf finanzielle Belohnungen oder umgekehrt auf Angst. Solche Formen von Motivation funktionieren in gewissen Grenzen, weil sie die Interessen der Mitarbeiter an die des Arbeitgebers koppelten, stellt Prentice fest. Doch würden sie Menschen allenfalls dazu bringen, wie Automaten zu funktionieren; dabei blieben sie aber weit unter ihren Möglichkeiten und reagieren im ungünstigsten Fall mit offenem oder verdecktem Widerstand.

Prentice kritisiert, dass sich das (1961) gängige Führungsverständnis stark an militärischer Führung orientierte. Das sei das falsche Vorbild, denn militärische Strukturen seien "the purest example of an unimaginative application of simple reward and punishment mechanisms as motivating devices." (S. 104) Und zwar aus gutem Grund, denn bei Militäreinsätzen können die "Mitarbeiter" verwundet oder getötet werden, was nicht nur untypische Motivationsprobleme aufwirft, sondern auch dazu führt, dass sie kurzfristig ersetzt werden müssen. Das seien wichtige Gründe, sie einheitlich und mechanisch zu behandeln. Doch gerade deshalb sei das militärische Modell eine denkbar ungeeignete Richtschnur für Führung im Geschäftsleben.

Dem setzt Prentice sein Führungsverständnis entgegen, das auch für heutige Verhältnisse ausgesprochen modern ist: "When the leader succeeds, it will be because he has learned two basic lessons: Men are complex, and men are different. Human beings respond not only to the traditional carrot and stick used by the driver of a donkey but also to ambition, patriotism, love of the good and beautiful, boredom, self-doubt, and many more dimensions and patterns of thought and feeling that make them men. But the strength and importance of these interests are not the same for every worker, nor is the degree to which they can be satisfied in his job." (S. 104) Sein Zwischenergebnis lautet denn auch: "A great leader's unique achievement is a human and social one which stems from his understanding of his fellow workers." (S. 105)

Prentice erläutert mit eindrucksvollen Beispielen, weshalb dieses "Verstehen" leichter gesagt als getan ist, und beschreibt dann – ebenfalls erstaunlich für die 60-er Jahre – die Schwierigkeiten, die Menschen damit haben (können), Untergebene sein und anderen die Entscheidung über ihr Handeln zuzubilligen. Aus diesen Überlegungen leitet er eine Reihe von sehr praxisrelevanten Schlussfolgerungen ab – darunter die, unbedingt eine scharfe Grenze zu ziehen zwischen den Dingen, die Mitarbeiter mitentscheiden können, und denen, die alleine vom Vorgesetzten entschieden werden. Man dürfe auf keinen Fall eine "Demokratie" vorgaukeln, weil die dann doch notwendigen Führungsentscheidungen ansonsten als hochgradig willkürlich und ungerecht empfunden würden.

Den Gedanken einer langfristigen Entwicklung des Mitarbeiters sieht Prentice als zentrales Element von Führung an. Dabei gehe es nicht darum, dass der Vorgesetzte die Rolle des Vaters oder des Psychiaters einnehme; vielmehr solle sein Interesse an der Weiterentwicklung der Mitarbeiter "völlig unpersönlich und unsentimental" sein. Seine Haltung gegenüber dem Mitarbeiter lasse sich so beschreiben: "There is nothing personal about this. Anyone in your post would get the same treatment. But as long as you work for me, I am going to see that you get every opportunity to use the last ounce of your potential. Your growth and satisfaction are part of my job. The faster you develop into a top contributor to this company, the better I will like it. If you see a better way to do your job, do it that way; if something is holding you back, come and see me about it." (S. 107)

Das ist nicht der letzte Gedanke aus einem Artikel, der es verdient, wieder entdeckt zu werden – nicht aus historischen Gründen, sondern weil er uns trotz seines Alters mehr Orientierung für unsere heutigen Führungsaufgaben gibt als die meisten aktuellen Neuerscheinungen. Was am Ende eine Frage aufwirft: War W. C. H. Prentice seiner Zeit so weit voraus? Oder gibt es tatsächlich so wenig Neues unter der Sonne?

Schlagworte:
Führung, Definition, Motivation, Empathie, Mitarbeiterentwicklung, Entwicklung

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