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Meisterhaftes Lehrbuch der beruflichen Konfliktmoderation

Thomann, Christoph (1998):

Klärungshilfe 2: Konflikte im Beruf

Methoden und Modelle klärender Gespräche bei gestörter Zusammenarbeit

Rowohlt Verlag (Reinbek), 4. Aufl. 2003; 407 S.; 9,90 Euro


Nutzen / Lesbarkeit: 10 / 9

Rezensent: Winfried Berner, 09.08.2004

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Eine ausgesprochen wertvolle und bereichernde Ergänzung zu Thomanns erstem Buch "Klärungshilfe". Diesmal geht es um die Klärung von Konflikten im Beruf, und zwar sowohl zwischen Individuen als auch innerhalb von Gruppen bzw. Abteilungen.

Genau 10 Jahre vor dem Erscheinen dieses Buchs hat Christoph Thomann schon einmal ein Buch mit dem Titel "Klärungshilfe" veröffentlicht, damals gemeinsam mit Friedemann Schulz von Thun. Es befasste sich hauptsächlich mit der Beratung ("Klärungshilfe") bei Partnerschaftskonflikten und war wirklich ein großer Wurf, der sich auch gut verkaufte und erheblichen Einfluss auf die Entwicklung von Konfliktberatung und Mediation im deutschen Sprachraum nahm. Obwohl diese ältere "Klärungshilfe" ein in sich geschlossenes Werk ist und ursprünglich offenbar kein zweiter Band geplant war, ist dieses neue Buch weit mehr als eine dem Bestseller nachgeschobene und im Grunde entbehrliche Fortsetzung. Es ist ebenfalls ein eigenständiges Werk, das man auch ohne vorheriges Studium des jetzigen ersten Bandes mit Gewinn lesen kann. Der Idealfall ist dennoch, dass man zuerst das ältere Buch liest und dann das neuere, denn das Letztere dringt zu höheren Schwierigkeitsgraden vor, und zugleich zu einem noch höheren Grad an Professionalität.

In seinem ersten Buch hatte Thomann sein Vorgehen auf ein "Vier-Felder-Modell der Klärungshilfe" gegründet. Es entwickelte sich schlüssig von der "Selbstklärung" (d.h., die Konfliktparteien werden sich erst einmal selbst über ihre eigene Wahrnehmung und Befindlichkeit klar) über die "Kommunikationsklärung" (Ausdrücken der eigenen Wahrnehmung) und die "Persönlichkeitsklärung" (Vermitteln der eigenen "Eigenarten, Bedürfnisse und 'Macken'" (S. 26)) bis hin zur "Systemklärung" (Reflexion der eingespielten Interaktionsstruktur: "Was läuft bei uns eigentlich ab?"). In dem neueren Buch verwendet Thomann dieses seinerzeit zentrale Modell nicht mehr; lediglich der Begriff der Selbsklärung taucht noch auf. Leider gibt er kleine Erklärung dafür, sodass offen bleibt, ob er dieses Modell gänzlich aufgegeben hat (und ggf. weshalb) oder ob es ihm nur für berufsbezogene Konfliktklärungen weniger geeignet erscheint (und ggf. weshalb).

Stattdessen stützt er sich jetzt auf ein (ebenfalls sehr schlüssiges) Phasenmodell, nach dem sich der Klärungsprozess nach der anfänglichen Auftragsklärung (Phase 0) entwickelt von dem, was Thomann harmlos "Anfang" nennt, über die "Selbstklärung" und den – schön! – "Dialog der Wahrheit" hin zu "Erklärungen und Lösungen" und schließlich dem "Abschluss", dem als Coda die "Nachsorge" folgt. Diese Abfolge scheint in der Tat so natürlich und logisch zwingend, dass man sie beinahe für trivial halten möchte. Doch in der Fachliteratur findet man sie – jedenfalls in meinen Quellen – sonst nirgendwo, jedenfalls nicht vor dem Erscheinen dieses Buchs. Offenbar bestätigt sich auch hier, dass viele große Erkenntnisse in der Rückschau offensichtlich sind – erstaunlich nur, wieso zuvor niemand darauf gekommen ist oder es zumindest nicht aufgeschrieben hat.

Jenes Phasenmodell liefert auch die Grobgliederung des Buchs. Zu jeder Phase beschreibt Thomann ausführlich und konkret, wie das genaue Vorgehen aussieht, worauf es bei diesem Schritt besonders ankommt, welche Unterschiede zwischen Zweier- und Gruppenklärung zu beachten sind und welche "Fehler und Fallstricke" jeweils drohen (bzw. sich anbieten). Anders als in der "Klärungshilfe 1" sind die Kapitel nicht mit zahlreichen Beispielen aus Klärungsgesprächen durchsetzt, sondern bleiben weitgehend "beispiellos". Die ausführliche Dokumentation einer (im doppelten Sinne) beispielhaften Gruppenklärung über ihre einzelnen Phasen folgt erst im letzten Teil des Buchs.

Dennoch sind die vorausgehenden Kapitel alles andere als "un-praktisch" – im Gegenteil: Thomann arbeitet mit wahrhaft schweizerischer Sorgfalt und Präzision zahlreiche Dinge heraus, die in anderen Büchern über Konfliktmoderation allenfalls genialisch gestreift werden. So etwa, wenn er erklärt, weshalb er es ablehnt, im Vorfeld seiner Klärungshilfe inhaltliche Vorgespräche mit den Konfliktbeteiligten zu führen: Nicht bloß, um dem Entstehen von Voreingenommenheit vorzubeugen, sondern vor allem, weil ihn vertrauliches Vorwissen daran hindern würde, im Verlaufe der Klärung ganz simple, naive Fragen zu stellen. Oder wenn er den Ablauf einzelner Phasen und Schritte minutiös beschreibt, bis hin zu Angaben über ihren Zeitbedarf. Genau diese Sorgfalt im Detail ist es, die den besonderen Nutzen dieses Buches ausmacht: Erfahrene Konfliktmoderatoren können daran ihr eigenes Vorgehen überprüfen, und Novizen können sich durch "Lernen am Modell" so manchen eigenen schmerzlichen Fehler ersparen.

Zwischen den Kapiteln, die die einzelnen Phasen beschreiben, finden sich zahlreiche"Einsprengsel", in denen Thomann jeweils ein Stück "Theorie" oder "Hintergrundwissen" anbietet. Da geht es zum Beispiel um "Interne Klärungshelfer", "Moderation nach TZI", "Der Mensch – ein Schichtenwesen", "Einsatz von Musik", "Der systemische Blickwinkel" und andere (eines der seltenen Beispiele, wo der Begriff "systemisch" mehr ist als ein zeitgeistiger Modeschmuck). Ein weiteres Einsprengsel widmet sich dem "Handwerkszeug". Darin erläutert er wichtige Techniken der Konfliktklärung, vom aktiven Zuhören über "Reales Verhandeln" bis hin zum Doppeln. Mit Ausnahme des Doppelns, das für Thomann die Klärungshilfetechnik par excellence ist, sind die Erläuterungen allerdings knapp und setzen Vorkenntnisse voraus – was bei einem solch spezialisierten Fachbuch aber völlig in Ordnung ist.

Nur an einer einzigen Stelle würde ich dem Meister (ich verwende dieses Wort ohne Ironie) widersprechen, und zwar dort, wo er den "Metakommunikativen Führungsstil" beschreibt. Auf der Basis von Fritz Riemanns Klassiker "Grundformen der Angst" (1961) entwickelt er im Kapitel "Menschen sind verschieden" zunächst jeweils vier Mitarbeiter- und Vorgesetzten-Typen (die "Riemann-Thomann-Theorie"). Bei aller Problematik von Persönlichkeitstypologien kann solch ein Modell doch helfen, die Unterschiedlichkeit von Menschen nicht nur abstrakt zu akzeptieren, sondern auch vorstellbar und damit handhabbar zu machen. In diese Typologie ordnet er dann die unterschiedlichen Führungstheorien und -modelle ein – was originell ist und erstaunlich gut "aufgeht". Doch dann folgert er: "Jeder Führungsstil ist immer nur für die Mitarbeiter goldrichtig, die dort ihr Heimatgebiet haben. Für die Mitarbeiter, die in den zwei jeweils daneben liegenden Quadranten zu Hause sind, ist der Führungsstil akzeptabel. Für die Mitarbeiter, die aus dem gegenüberliegenden Quadranten kommen, ist der Führungsstil nicht richtig bzw. schlecht und im schlimmsten Fall katastrophal." (S. 242)

Darin kommt meines Erachtens ein falsches Verständnis von Führung zum Ausdruck, weil es nur auf die Angemessenheit des Führungsstils für den jeweiligen Mitarbeiter Bezug nimmt. Doch Führung ist nicht nur dazu da, dass sich die Mitarbeiter möglichst gut aufgehoben und verstanden fühlen – sie muss vor allem den Brückenschlag zwischen den Individuen und den Zielen des Unternehmens bzw. der Abteilung hinbekommen. Dafür aber ist es oftmals notwendig, die Mitarbeiter zu fordern, ihnen die Anstrengung der Auseinandersetzung mit unangenehmen Aufgaben und schwierigen Menschen zuzumuten und sich, wenn nötig, auch mit Verweigerung, Ängsten und Verwöhnung auseinanderzusetzen. Ein metakommunikativer Führungsstil, der immer wieder zur gemeinsamen Reflexion der Führungsbeziehung einlädt, kann dabei sicherlich hilfreich sein – aber er muss um eine klarer Kommunikation von Zielen, Maßstäben und Leistungserwartungen und regelmäßiges Feedback vervollständigt werden: Metakommunikation nicht nur in Bezug auf die Führung, sondern auch in Bezug auf Leistung und Verhalten. Denn eine selbstkritische Führung ist zwar nützlich, aber keinesfalls hinreichend für gemeinsamen Erfolg.

Aber es wäre ja auch erstaunlich, wenn es an einem 400-Seiten-Werk gar nichts auszusetzen gäbe. Unabhängig davon ist dies ein wahrhaft meisterhaftes Lehrbuch der Konfliktmoderation, das sich überdies durch einen unprätentiösen, leicht lesbaren Stil und hohe Anschaulichkeit auszeichnet.

Schlagworte:
Konfliktmanagement, Konfliktmoderation

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