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Revolutionäre (nicht mehr ganz) neue Denk-Technik

De Bono, Edward (1999):

Six Thinking Hats



Back Bay Books; revised and updated edition 1999 (Ersterscheinung 1985); 192 S.; 13,95 Euro


Nutzen / Lesbarkeit: 10 / 8

Rezensent: Winfried Berner, 02.10.2004

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De Bonos sechs "Denkhüte" sind weit mehr als eine Kreativitätstechnik – sie sind eine revolutionäre neue Denk-Technik: eine Methodik, die es uns ermöglicht, systematischer und damit erfolgversprechender über Problemstellungen aller Art nachzudenken.

Manchmal reicht schon ein einziger Satz, um den Kaufpreis eines Buchs mehr als zu rechtfertigen. Ein solcher Satz ist für mich de Bonos lapidare Problemanalyse im Vorwort: "The main difficulty of thinking is confusion. We try to do too much at once. Emotions, information, logic, hope and creativity all crowd in us. It is like juggling with too many balls." (S. 2) Genau so ist es – das beschreibt exakt meine Erfahrung, sowohl bei schwierigen Entscheidungen im Alltag als auch (und erst recht) beim Versuch des geordneten Denkens in Krisen. Oft sind wir nicht in der Lage, einen wirklich klaren Gedanken zu fassen, nicht weil es uns an Gedanken fehlt, sondern weil wir zu viele davon gleichzeitig im Kopf und in den Gedärmen haben. Sie lassen sich schon deshalb nicht ohne weiteres zusammenführen, weil sie sich auf völlig verschiedenen Ebenen bewegen: Ängste, Fakten, Optionen, Risiken, Hoffnungen, Einwände, Gefahren, Wahrscheinlichkeiten ...

Hat man das Problem erst einmal klar und prägnant formuliert, ist man seiner Lösung ein gutes Stück näher. Dann braucht man im Grunde nur noch dem Leitspruch meiner Großmutter folgen: "Eins nach dem anderen!" Und genau das tut Edward de Bono mit seinen "sechs Denkhüten": Er unterscheidet sechs unterschiedliche Denkstile und fordert, sie nicht bunt durcheinander einzusetzen, sondern der Reihe nach – "eins nach dem anderen". Neben der Vermeidung von Konfusion nennt de Bono einen weiteren wichtigen Grund, die Denkstile zu trennen: Er liegt darin, dass unser abendländisches Denken spätestens seit Aristoteles stark von einer Tradition des analytisch-kritischen Denkens geprägt ist. Schon seit Sokrates und Platon ist ja der Zweifel an der Sicherheit unserer Erkenntnis ein zentrales Thema der Philosophie, und diese Sorge führt zwangsläufig zu einem analytischen, kritisch-hinterfragenden, skeptischen Denken. Aufgrund dieser Tradition ist das, was de Bono den "schwarzen Denkhut" nennt, so dominierend, dass alle anderen Denkweisen und -stile zu erdrücken droht. Nach seiner Überzeugung sollten wir dem analytisch-kritischen Denkstil jedoch nicht abschwören; wir sollten nur die Fähigkeit erwerben, uns temporär von ihm zu lösen und ihn durch andere Denk-Möglichkeiten zu ergänzen. (Womit er sich wohltuend von jenem platten Geschwätz abhebt, wonach wir generell zu verkopft seien und stattdessen mehr "rechtshirnig" denken müssten.)

Die sechs "Thinking Hats" sind sechs unterschiedliche Denkstile oder Denkweisen, mit denen wir an Problemstellungen herangehen können. De Bono empfiehlt, sie schrittweise nacheinander einzusetzen, wobei er auch betont, dass man sich daran nicht sklavisch halten muss. Hier eine Beschreibung der sechs Hüte in Ultrakurzfassung:

  • Weißer Hut: Wie sind die Tatsachen? Was wissen wir?
    (Kühl, objektiv, neutral: Informationen, Zahlen, Daten, Fakten)
  • Roter Hut: Was spüren wir? Was sagt unsere Intuition?
    (Stimmungen, Eindrücke, Gefühle, Emotionen, "Bauchgefühl")
  • Gelber Hut: Was spricht dafür? Wie könnte es gehen?
    (Rational-positiv, optimistisch, konstruktiv, "advocatus coeli")
  • Grüner Hut: Wie könnte es anders sein / gehen?
    (Alternativen, Optionen, Ideen, Vorschläge, Träume, Spinnereien)
  • Schwarzer Hut: Was spricht dagegen?
    (Rational-negativ, pessimistisch, destruktiv, "advocatus diaboli")
  • Blauer Hut: Wie wollen wir es strukturieren?
    (Meta-Kommunikation, Ordnung, Organisation, Strukturierung, Planen)

Die hier wiedergegebene Reihenfolge ist weder logisch noch methodisch zwingend, aber eine Abfolge, die sich nach meiner Erfahrung für viele Zwecke brauchbar ist. Doch auch andere Sequenzen sowie auch ein iteratives Hin- und Herspringen zwischen einzelnen Denkstilen ist möglich, ohne de Bonos Idee und den Nutzen der sechs Hüte zu verwässern. Wichtig ist nur, die verschiedenen Denkstile ein Stück weit voneinander zu trennen: "Eins nach dem anderen!" Denn sonst besteht die Gefahr, dass der "schwarze Hut", das rational-negative Denken, alle aufkeimenden jungen Pflänzchen neuer Ideen und Ansätzen abwürgt, bevor sie überhaupt das Licht der Welt erblickt haben.

Am besten funktioniert die Methode natürlich, wenn eine ganze Gruppe mit den sechs Hüten vertraut ist (was problemlos in anderthalb Stunden zu erreichen ist). Dann kann man einfach sagen: "Könnten bitte alle mal den roten Hut aufsetzen und nur sagen, welches Bauchgefühl unsere Problemstellung bei ihnen auslöst?" In Gruppen, die damit nicht vertraut sind, ist es ein bisschen mühsamer, weil es mehr Steuerungsimpulse benötigt. Aber auch da kann man als Teilnehmer und erst recht als Diskussionsleiter sagen: "Bevor wir in die inhaltliche Diskussion einsteigen, würde ich gern mal von Ihnen allen wissen, welches Bauchgefühl sie bei unserer Problemstellung haben?" Oder, um den "weißen Hut" aufzurufen: "Welche harten Informationen, Zahlen, Daten und Fakten haben wir eigentlich zu Verfügung?" Solche Strukturierungsimpulse lösen zuweilen ein kurzes Erstaunen aus, werden aber meistens angenommen – und, wenn man es einige Male erfolgreich gemacht hat, oft auch von anderen Teilnehmern übernommen.

Ich zähle wahrlich nicht zu denen, die jeden Pippifax mit Attributen wie "sensationell" oder "revolutionär" feiern. Aber de Bonos sechs Hüte verdienen in meinen Augen wirklich das Prädikat "revolutionär", weil sie das zentrale Cockpit menschlichen Lebens und Leistens, das Denken – einschließlich seiner Verflechtung mit Emotionen – einer Systematisierung und Strukturierung zugänglich machen. Es ist doch verrückt, dass es, sieht man einmal von den dialektischen Techniken der rationalen Konsensbildung (siehe Rezension Rupert Lay: Kommunikation für Manager) ab, kaum methodische Ansätze gibt, unser wichtigstes Instrument der Handlungssteuerung zu professionalisieren, statt blind darauf zu vertrauen, dass unser Denken schon von alleine irgendwie funktionieren wird. In erstaunlichen und erschreckenden Ausmaß sind Entscheidungsprozesse selbst auf höchsten Führungs- und Beratungsebenen von einem unsystematischen, kaum strukturierten Denk- und Diskussionsstil geprägt, mit der Folge, dass die Qualität der Ergebnisse oft weit hinter den Kenntnissen und Fähigkeiten der betreffenden Gruppe zurückbleibt. De Bonos sechs Denkhüte eröffnen die Chance, unser Denken zu systematisieren und besser zu ordnen, ohne es in ein allzu enges Korsett einzuschnüren.

Die "revised and updated edition" von 1999 unterscheidet sich im Hauptteil, soweit ich feststellen konnte, nicht nennenswert von der Erstausgabe von 1985. Nur die Einleitung hat der Meister geändert, die allerdings von Grund auf. Eine Überarbeitung des "harten Kerns" war auch nicht zwingend erforderlich: Die Erläuterungen zu den verschiedenen Hüten sind klar, umfassend und oftmals "thought-provocing". Dennoch ist kaum vorstellbar, dass de Bono in den 14 Jahren seit der Erstauflage nichts hinzugelernt hat. Schade daher, dass er uns an der Weiterentwicklung nicht teilhaben lässt. Umso ausführlicher informiert er die Leser im Vorwort über die Erfolgsstory seiner Denkhüte: In der Neuauflage ist es keine Legitimation des 1985 noch sehr fremdartigen Ansatzes mehr, sondern eine wahrhaft beeindruckende Erfolgsgeschichte, beginnend mit Firmen, die de Bonos Techniken systematisch einsetzen, bis hin zu Ländern, in denen Kinder das systematische und kreative Denken bereits in der Schule lernen. Leider scheint diese Entwicklung an Deutschland weitgehend vorbeigegangen zu sein, obwohl es eine Zeit lang auch eine (mäßig übersetzte) deutsche Ausgabe gab (mit dem besserwisserischen, aber nicht sonderlich erfolgreichen Titel "Das Sechsfarben-Denken", Econ Verlag).

Schlagworte:
Denken, Problemlösen, Denktechniken, Kreativität, Kreativitätstechniken

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