Ein nützliches Doppelpack über Fallstricke in der tschechisch-deutschen Zusammenarbeit, die sich aus unterschiedlichen Kulturstandards (Normen) ergeben. Schade, dass sich das Autorengespann nicht noch stärker am Nutzwert für Praktiker orientiert hat.
Das Ungewöhnliche an diesem Buch ist, dass es sich eigentlich um ein Paar Bücher handelt. Denn zu dem hier besprochenen Titel gibt es von den gleichen Autoren (in umgekehrter Reihenfolge) eine tschechische Parallelversion: "Interkulturní komunikace v rízení a podnikání" (Management Press Praha). Dieses ebenso simple wie pfiffige Konzept hat nicht nur den Vorteil, dass beide Seiten den Text in ihrer Muttersprache lesen können, sondern auch, dass sie dieselben Basisinformationen erhalten; das erleichtert einen Dialog über kulturelle Unterschiede und deren Bewältigung erheblich. Wie viel das wert ist, weiß man wohl erst zu schätzen, wenn man einmal versucht hat, für die Mitwirkenden an einem kulturübergreifenden Projekt ein bisschen Hintergrundlektüre zusammenzustellen. Falls man überhaupt etwas findet, hat man immer das Problem, dass die Texte in der einen Sprache anders aufgebaut sind als die in der anderen und damit keine wirkliche gemeinsame Gesprächsbasis liefern.
Wer immer an einer länderübergreifenden Zusammenarbeit beteiligt ist, dem kann man nur raten, ein paar Stunden oder Tage in solche Literatur zu investieren. Denn die Unterschiede in den Gepflogenheiten und Werten sind selbst zwischen so engen Nachbarn wie Deutschland und Tschechien deutlich größer als man es angesichts der Nähe und der gemeinsamen Geschichte vermuten würde. Das hat zur Folge, dass einige systematische Fallgruben aus kulturbedingten Missverständnissen einladend offen stehen. Sie drohen am Ende in gegenseitige Vorurteilsbekräftigung zu münden: "Deutsche sind arrogant, formalistisch und unflexibel" – "Tschechen sind undurchsichtig, widerspenstig und legen sich nie fest".
Dem Buch merkt man seine akademische Herkunft noch deutlich an, genauer die vom Regensburger Lehrstuhl für Sozialpsychologie und internationalen Kulturaustausch (Prof. Alexander Thomas): Es beginnt nicht etwa mit einigen praktischen "Störfällen", sondern mit "einigen theoretische(n) und methodische(n) Grundlagen" zum Thema "Kultur und Management". In diesem ersten Kapitel geht es erst mal 17 Seiten lang recht abstrakt um "Kulturstandards", deren Bewertung und Kritik sowie die Methoden zu deren Erhebung. Für jemanden, der an der Materie auch theoretisch interessiert ist, ist das durchaus lesenswert – an dem Praktiker, der vor allem daran interessiert ist, besser mit seinen tschechischen Counterparts klarzukommen, geht es hingegen völlig vorbei.
Wer das hinter sich gebracht (oder überblättert) hat, darf zur Belohnung etwas weiter zur Praxis vorrücken: Im umfangreichen zweiten Kapitel, das mit 115 Seiten den Löwenanteil des Buchs ausmacht, geht es um "Tschechische und (west)deutsche Kulturstandards im Vergleich". Darin stellen Schroll-Machl und Nový acht Kulturstandard-Paare einander gegenüber – zum Beispiel "Personenbezug vs. Sachbezug", "Simultanität vs. Konsekutivität" und "Konfliktvermeidung vs. Konfliktkonfrontation". Das klingt auch noch ziemlich theoretisch, aber durch die Art der Behandlung ist es schon deutlich praxisnäher (ohne deswegen "theoriefern" zu sein).
In jedem der acht Teilabschnitte definieren die Autoren zunächst, was mit dem betreffenden Kulturstandard gemeint ist, erläutern dann ausführlich, wie er sich in der Praxis auswirkt, und diskutieren schließlich kurz seine Vor- und Nachteile. Jeder Teilabschnitt endet mit zwei Kästen: zum einen "Empfehlungen an Deutsche, die mit Tschechen arbeiten", zum anderen "Empfehlungen an Tschechen, die mit Deutschen arbeiten". Da man aus natürlicher Neugier immer auch die Empfehlungen für die andere Seite überfliegt, bekommt man noch einmal ein indirektes Feedback darüber, wo Tschechen mit unseren deutschen Gepflogenheiten Schwierigkeiten haben (könnten) – und damit zugleich einen Impuls, sie hier vielleicht ein wenig zu mäßigen. Das liest sich dann beispielsweise so: - "Bemühen Sie sich, zu Beginn einer Kooperation schon eine Beziehungsebene zu installieren und die Sachebene 'gebremster' zu verfolgen. Nehmen Sie sich Zeit dafür. Wenn Sie von Deutschland aus mit Tschechen zusammenarbeiten, heißt das notwendigerweise viele Besuche zu machen und auch viele Gegeneinladungen auszusprechen. Das Motto 'Kommen, kommandieren, kontrollieren, kritisieren', wie das Tschechen vielen Deutschen nachsagen, funktioniert sicher nicht." (S. 38)
- "Wittern Sie hinter Normen Deutscher nicht gleich Gängelei. Normen und das Pochen auf ihre Einhaltung sind weder gegen Sie gerichtet noch anti-tschechisch. Sie sind schlicht die Art und Weise, wie Deutsche zu einem Großteil Professionalität definieren. Falls es Sie beruhigt: Deutsche benehmen sich untereinander genauso." (S. 54)
- "Sprechen Sie einen Konflikt nur an, wenn es wirklich wichtig ist. Der Normalfall heißt nämlich: Störungen glattbügeln, sodass sie die Beziehungsebene nicht mehr beeinträchtigen. Wird etwas unnötigerweise expliziert, dann kann das zu einer Verschlimmerung der Situation führen." (S. 125)
Spannend ist auch das mit 14 Seiten recht kurze dritte Kapitel "Der Transformationsprozess von einem sozialistischen zu einem marktwirtschaftlichen System". Darin geht es um die Frage, was an der tschechischen Geschäftskultur wirklich originär tschechisch und was nur eine Spätfolge des Kommunismus ist. Denn wenn Kultur Ausfluss der gemeinsamen Lerngeschichte eines Volkes ist, dann müssten ja die Lebens- und Arbeitsbedingungen eines vierzigjährigen "natürlichen Experiments" (Urie Bronfenbrenner) spürbare Wirkungen hinterlassen haben. Vor allem aber sollten sich dann auch die veränderten Bedingungen der letzten 15 Jahre in einem Kulturwandel bemerkbar machen, der es geradezu gefährlich erscheinen ließe, die "Momentaufnahme" aus der Zeit der Recherche zu diesem Buch zu statisch zu sehen. Doch leider zögern Schroll-Machl und Nový hier etwas mit klaren Aussagen.
Dabei ist das keineswegs nur ein theoretisches Problem, sondern es wirft die Frage nach der zeitübergreifenden Gültigkeit von Kulturstandards auf. Während Schroll-Machl und Navý das tschechische Arbeitsverhalten als eher nachlässig, passiv und initiativlos beschreiben, erbrachte ein Gespräch mit Egerländern über ihre Erfahrungen aus der Vorkriegszeit die Aussage: "Die Tschechen waren gute und sorgfältige Arbeiter." Und die Unzahl tschechischer Kleintransporter auf deutschen Autobahnen kann man sicherlich unterschiedlich werten, aber als Ausdruck von Passivität und Initiativlosigkeit kann man sie wohl kaum deuten.
An dem vierten Kapitel "Fallbeispiele" habe ich nur auszusetzen, dass es viel zu wenige sind. Schroll-Machl und Navý analysieren hier auf leider nur 11 Seiten zwei lebensnahe (und recht dramatische) Fallbeispiele. Nach der Schilderung des Sachverhalts beschreiben sie jeweils die gedanklichen und emotionalen Hintergründe und die sich aufbauenden wechselseitigen Enttäuschungen und kommen von dort zu den "Kulturstandards", die dabei im Hintergrund wirksam werden. Schade, dass sie dabei nicht den Mut zur Entwicklung alternativer Handlungsstrategien haben. Schade aber vor allem, dass sie von diesem ebenso mitreißenden wie lehrreichen Vorgehen erst so spät und nur so wenig Gebrauch machen. Denn Im Grunde wäre dies das Alternativkonzept zur Gestaltung dieses Buches – so hätte man es anlegen können, um seinen praktischen Nutzen zu verstärken.
Das Buch endet mit einem (mit 10 Seiten ebenfalls zu kurzen) Schlusskapitel "Wege zum gemeinsamen Erfolg". Seine zentrale Frage ist, wie man interkulturelle Zusammenarbeit so gestalten kann, dass statt einer einseitigen Dominanz bzw. Anpassung und statt einer (mehr oder weniger faulen) Kompromissbildung echte Synergien aus der Unterschiedlichkeit entstehen können. Vom Denkansatz her ausgesprochen spannend, aber leider bleibt das allzu abstrakt und "konzeptionell".
Den beteiligten Verlagen ist der Mut zu wünschen, mehr solcher "Bücherpaare" auf den Markt zu bringen: Sie können sehr dabei helfen, eine länderübergreifende Zusammenarbeit produktiver, konfliktärmer und auch vor allem auch menschlich befriedigender zu gestalten. Offenbar gibt es dafür auch einen Markt: Das vorliegende Buch ist bereits in zweiter Auflage erschienen.
|