Die Umsetzungsberatung

Change Management in Krisen






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Corona-Risikomanagement: Wie kommen wir über den Winter?

 

Winfried Berner, Die Umsetzungsberatung

Wie kommen wir über den Winter? Gerade weil diese Frage etwas Beunruhigendes hat, ist es angebracht, sie einzuordnen: Wenn sich unsere Urgroßeltern oder deren Eltern diese Frage stellten, ging es nicht um ein Sterblichkeitsrisiko von 0,8 bis 0,9 Prozent; es ging um Tod oder Leben. Es ging um die Frage, ob die Vorräte bis zur nächsten Ernte reichen würden. Ob die Familie würde hungern müssen. Ob man sich auf Diebstähle, Raub, Überfälle gefasst machen müsste. Im schlimmsten Fall, wer den Winter und das Frühjahr überleben würde.

  • Der Winter war schon mal riskanter
  • Nach schlechten Ernten waren solche Fragen über viele Jahrtausende "ganz normal". Im Vergleich dazu haben wir heute mit Corona ein relativ mildes Problem – jedenfalls die meisten von uns in Mitteleuropa. Dennoch haben wir aller Voraussicht nach ein schwierigeres Winterhalbjahr vor uns als in anderen Jahren, sowohl persönlich als auch geschäftlich. Für viele Firmen bringt der bevorstehende Corona-Winter beträchtliche Risiken mit sich – und zwar Risiken genau in dem Sinne, wie Risiken definiert sind: Als unerfreuliche Ereignisse, die eintreten könnten, aber nicht zwangsläufig müssen, und über deren Eintrittswahrscheinlichkeit wir relativ wenig wissen.

  • Ein relativ mildes Problem – und dennoch ein Risiko
  • Welches Problem wäre Ihnen lieber?

     

    Deshalb wundere ich mich und bin beunruhigt, ehrlich gesagt, sogar sehr beunruhigt, dass ich aktuell so wenig über Risikomanagement höre. Liegt das nur daran, dass ich zu wenig davon mitbekomme, weil vieles davon aus den Unternehmen nicht nach außen dringt? Dann soll es mir recht sein. Oder liegt es daran, dass es nicht oder nur sehr eingeschränkt stattfindet? Dann wäre es in meinen Augen ein schwerwiegendes Versäumnis.

  • Sehenden Auges in die Ungewissheit
  • Wir befinden uns aktuell in einer Situation, in der ein vorausschauendes Risikomanagement dringend angesagt wäre. Denn niemand weiß und niemand kann wissen, wie sich die Lage im nächsten (halben) Jahr entwickeln wird. Sicher, es kann sein, dass der bevorstehende Corona-Winter relativ glimpflich verläuft und es nicht zu größeren Problemen kommt. Es könnte aber auch sein, dass wir einige ziemlich schwierige Monate vor uns haben.

  • Vorausschauende Risikomanagement angesagt
  • Angesichts dieser Ungewissheit stehen Sie vor der klassischen Frage des Risikomanagements, welcher Fehler Ihnen lieber wäre: (a) Sie haben sich und Ihre Firma auf eine heftige zweite Corona-Welle und deren Auswirkungen vorbereitet, aber diese Welle tritt nicht ein oder verläuft glimpflich; (b) Sie haben sich und Ihre Firma nicht vorbereitet, aber eine heftige zweite Welle setzt ein – eventuell sogar mehrerer Wellen.

  • Wahl zwischen zwei möglichen Fehlern
  • Ich weiß nicht, wie Sie es sehen, aber mir persönlich wäre eindeutig Problem (a) lieber. Falls man sich auf eine Krise vorbereitet haben, die letztlich nicht eintritt, steht man hinterher natürlich ein bisschen doof da und muss sich von den unvermeidlichen Besserwissern fragen lassen, ob es wirklich notwendig war, so viel Stress zu verbreiten. Das wäre ohne Zweifel unangenehm, mehr aber auch nicht.

  • Vorbereitet: Im schlimmsten Fall stehen Sie dumm da
  • Käme dagegen eine zweite Welle und entwickelte eine (derzeit noch) völlig unerwartete Dynamik, dann stünden Sie nicht nur persönlich als jemand da, die oder der schlecht vorbereitet ist und zur Getriebenen der Ereignisse wird; im schlimmsten Fall könnte die Sache für Sie, für Ihre Mitarbeiter und für Ihre Firma ziemlich übel ausgehen. Und die gleichen unvermeidlichen Klugscheißer, die Sie bei einem anderen Verlauf für die übertriebene Aufgeregtheit kritisiert hätten, werden Ihnen entrüstet vorwerfen, in sträflicher Weise Ihrer Verantwortung nicht gerecht worden zu sein.

  • Unvorbereitet: Im schlimmsten Fall ein Desaster
  • Höchste Zeit für ein proaktives Risikomanagement

     

    Deshalb kann es in der aktuellen Situation eigentlich überhaupt keine Wahl geben: Es ist allerhöchste Zeit für ein proaktives Risikomanagement.

  • Höchste Zeit
  • Keine Frage: Dieses Thema passt Ihnen, Ihren Mitarbeitern und Ihren Chefs überhaupt nicht in den Kram. Erst recht passt es nicht in die allgemeine Stimmung: Nach einem halben Jahr Corona-Krise mit Lockdown, Hygieneregeln und Maskenpflicht ist die Sehnsucht nach Normalität buchstäblich mit Händen zu greifen. Zumal wir ja zumindest hier in Deutschland bislang einen glimpflichen Verlauf erlebt haben, was im Nachhinein viele der Vorsichtsmaßnahmen wie übertriebenen Aktionismus aussehen lässt.

  • Risikomanagement passt nie in die Stimmung
  • Charakteristisch für die aktuelle Stimmung ist, wie so oft, die Sprache: Viele Leute sprechen inzwischen über "die Zeit nach Corona" oder davon, was sie vorhaben, "wenn Corona vorbei ist". Doch das Virus wird nicht verschwinden, weil Viren nicht aussterben (außer, wenn sie es zu bunt treiben, gemeinsam mit ihrem Wirt). Das Virus wird bleiben, und wir können nur lernen, mit ihm zu leben und es halbwegs im Griff zu behalten, sei es durch Hygieneregeln, sei es – hoffentlich bald, aber vermutlich nicht so bald – durch eine Schutzimpfung.

  • Mit dem Virus leben lernen
  • Deshalb hilft es nichts, ungeduldig zu werden. Und noch gefährlicher wäre, nachlässig zu werden und zu glauben, der Spuk wäre vorbei, oder wir hätten zumindest das Schlimmste hinter uns. Denn das könnte sich als folgenschwerer Irrtum erweisen. So verständlich und nachvollziehbar der Überdruss an den ganzen Einschränkungen und die Sehnsucht nach Normalität ist: Viren sind ähnlich unsensibel für unsere emotionalen Bedürfnisse wie der Klimawandel.

  • Überdruss an Einschränkungen und Sehnsucht nach Normalität
  • Tatsächlich hat das Corona-Virus mit dem Klimawandel eine große Gemeinsamkeit: Man kann mit ihm nicht verhandeln. Man kann ihm nicht klarmachen, dass wir auch noch anderes zu tun haben. Und der Versuch, ihm "Grenzen zu setzen", in dem wir ihm zeigen, dass wir nicht mehr bereit sind, uns von ihm dauerhaft in unseren Freiheiten und Lebensgewohnheiten einschränken zu lassen, ist zu einem schmerzhaften Scheitern verurteilt.

  • Mit einem Virus kann man nicht verhandeln
  • All dies versteht das Virus nicht – und muss es nicht kümmern. Stattdessen tut es sein Bestes, um sich zu verbreiten, und nutzt dabei eiskalt jede Chance, die wir ihm bieten, und jeden Fehler, den wir machen. Unsere Emotionen, unsere Genervtheit und unser Unwillen wirken in diesem Fall gegen uns. Auch wenn Emotionen den Menschen erst zum Menschen machen – aber sie verleiten uns halt auch zu Fehlern, die das Virus begünstigen.

  • Unsere Emotionen wirken hier gegen uns
  • Wir wissen mehr, als wir zu wissen glauben

     

    Was kann man im Sinne eines vorausschauenden Risikomanagements tun, um sich auf dem bevorstehenden Corona-Winter vorzubereiten? Klar, man kann sich Szenarien ausdenken, nach der gängigen Dreiteilung "best case", "worst case", "middle case" (irreführenderweise oft auch als "real case" bezeichnet). Aber woher soll man wissen, was"best", "worst" und was realistisch ist? Wir wissen es nicht wirklich – und sind damit in der Gefahr, die mögliche Dynamik der Entwicklung sowohl dramatisch zu überschätzen als auch heillos zu unterschätzen.

  • Was ist der schlimmste Fall, was der realistische?
  • Bevor wir uns daran machen, Szenarien zu konstruieren, ist es sinnvoll, erst einmal zusammenzutragen, was wir, Stand heute, sicher oder zumindest mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit wissen. Denn auch wenn wir längst nicht alles wissen: Wir wissen mehr als wir zu wissen glauben, auch wenn natürlich immer Überraschungen möglich sind und neue Erkenntnisse hinzukommen.

    So wissen wir zum Beispiel:

  • Was wir alles (relativ sicher) wissen
    • Vor Mitte nächsten Jahres wird es höchstwahrscheinlich keine Entwarnung in Sachen Corona geben. Selbst wenn bis zum Frühjahr ein wirksamer Impfstoff gefunden wurde, wird es geraume Zeit dauern, bis ausreichend viele Menschen geimpft sind und sich eine ausreichende "Herdenimmunität" aufgebaut hat.
  • Entwarnung vor Mitte 2021 unwahrscheinlich
    • Die Corona-Pandemie wird sich im Winter mit der Erkältungs- und Grippesaison überlagern; das wird zu zusätzlicher Verunsicherung und mancherlei Aufgeregtheit führen, möglicherweise auch zu Verwechslungen, die die Ausbreitung des Virus begünstigen.
  • Überlagerung mit Erkältungs-/ Grippesaison
    • Die Sicherheits- und Hygienevorschriften werden fortbestehen, zeitweilige Verschärfungen bei verschlechterter Corona-Lage sind ebenso zu erwarten wie ein fortgesetztes Ringen um Lockerungen und der Versuch von Lobbygruppen, Sonderregelungen für die eigene Branche durchzusetzen.
  • Sicherheits- und Hygienevorschriften bestehen fort
    • Da die höchste Ansteckungsgefahr von Aerosolen ausgeht, ist das Risiko besonders hoch, wenn sich mehrere Personen über längere Zeit gleichzeitig oder kurz nacheinander in geschlossenen Räumen mit schlechter Durchlüftung aufhalten. Deshalb wird die Minimierung derartiger Risiken ein zentraler Baustein der Prävention sein. Sie dürfte auch im Fokus stehen, wenn öffentliche Vorschriften situativ verschärft werden.
  • Höchstes Augenmerk auf geschlossenen Räumen
    • Wie bei allen Sicherheitsvorschriften, besteht auch bei öffentlichen und firmeninternen Corona-Regeln eine unvermeidliche Tendenz zum Schlendrian, je länger nichts passiert ist. "Weil ja nichts passiert ist", werden die Regeln im Laufe der Zeit immer liberaler ausgelegt, sprich, immer weniger eingehalten, sofern deren Einhaltung nicht durch konsequente Interventionen und nötigenfalls Sanktionen auch gegen Widerstände durchgesetzt wird.
  • Unvermeidliche Tendenz zum Schlendrian
    • Dauerhaft Regeln einhalten zu müssen, die die eigene Freiheit einschränken, bedeutet Stress und löst unvermeidlich Reaktanz aus, also Unwillen und das Bestreben, die eingeschränkte Freiheit wiederherzustellen. Es ist daher damit zu rechnen, dass Gereiztheit, Aggression und Regelverstöße zunehmen. Auch wenn sich Viele bereits an die neuen Regeln gewöhnt oder mit ihnen abgefunden haben, wird eine flächendeckende Gewöhnung vermutlich auf sich warten lassen.
  • Unwillen und Regelverstöße
    • Sowohl die Politik als auch Firmenleitungen stehen vor dem schwierigen Balanceakt, einerseits die notwendigen Regelungen durchzusetzen, andererseits die (mehrheitliche) Akzeptanz der Bevölkerung bzw. der Beschäftigten nicht zu verlieren. Sie sind dabei in der Gefahr, mal über-, mal unterzureagieren und dabei insgesamt den Eindruck eines Schlingerkurses zu vermitteln.
  • Balanceakt und drohender Schlingerkurs
  • Unternehmensspezifisches Wissen

     

    Über diese allgemeinen Punkte hinaus haben Sie zusätzliches Wissen über Ihr Unternehmen, das Sie teils erst im letzten halben Jahr herausgefunden, teils schon immer gewusst oder geahnt haben.

  • Wissen über die eigene Firma
  • Beispielsweise wissen Sie, wie Ihre Belegschaft, Ihr Management und Ihr Betriebsrat bislang mit der Corona-Krise und den festgelegten Maßnahmen umgegangen ist: Trägt beispielsweise der Betriebsrat die Maßnahmen mit, die zum Schutz der Belegschaft sowie der Kunden und Lieferanten dienen, oder geht er eher auf Distanz und schlägt sie auf die Seite derer, den das alles nicht in den Kram passt? Welche Haltung nehmen Mitarbeiter und Führungskräfte ein? Wie hat sich die Stimmung in den letzten Monaten entwickelt, in welche Richtung bewegt sie sich?

  • Bisherige Reaktionen im Unternehmen
  • Was Sie ebenfals wissen, ist, wie gut die Umstellung auf Home Office und das Zusammenspiel zwischen Home-Office und Präsenzarbeitsplätzen funktioniert hat, aber auch, wie sich insgesamt die Leistungs- und Handlungsfähigkeit Ihres Unternehmens unter Stressbedingungen dargestellt hat. Daraus können Sie wertvolle Erkenntnisse ableiten, wo es noch hakt, wie sich die Sache weiter entwickeln wird und an welchen kritischen Engpässen Sie vielleicht noch Verbesserungen vornehmen müssen.

  • Bisheriger Erfolg von Anpassungen
  • Vor allem aber wissen Sie aus den Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit eine Menge über Ihren Markt, über Ihre Kunden und Wettbewerber. Sie wissen, in welchem Ausmaß Ihr Geschäft von der Corona-Krise direkt oder indirekt betroffen ist, in welchem Ausmaß eine erneute Verschärfung der Krise und darauf folgende Einschränkungen Sie treffen würden, und Sie wissen auch einiges darüber, welche Faktoren Sie beeinflussen können und wo die Grenzen Ihrer Einflussmöglichkeiten liegen.

  • Erfahrungswissen über Markt, Kunden und Wettbewerb
  • Quälendes Nichtwissen

     

    Mit anderen Worten, Sie wissen eigentlich eine ganze Menge. Aber natürlich gibt es auf der anderen Seite auch eine Vielzahl vitaler Fragen, bei denen Sie die Antworten nicht kennen: Ein Nichtwissen, das schmerzt, erst recht, wenn man für die Zukunft eines Unternehmens (mit)verantwortlich ist.

  • Schmerzliches Nichtwissen
  • Das Wichtigste, was wir heute alle noch nicht wissen, ist, wie sich die Pandemie über das Winterhalbjahr entwickeln wird. Zwar kennen wir einige Parameter, Zusammenhänge und Frühwarnsignale, aber dennoch weiß niemand, was auf uns zukommt.

  • Unvorhersehbare Entwicklung der Pandemie
  • Natürlich kann man dazu eine Meinung haben – aber im Grunde kann man es sich auch sparen. Wahrscheinlich ist es sogar klüger, auf eine Meinung zu verzichten und sich sein Unwissen einzugestehen. Denn in die größten Schwierigkeiten kommen wir, wie Mark Twain treffend gesagt hat, nicht wegen der Dinge, die wir nicht wissen, sondern wegen derer, von denen wir fest überzeugt sind, die sich aber im Nachhinein als falsch herausstellen.

  • Besser "agnostisch" herangehen
  • "It ain't what you don't know that gets you in trouble.
    It's what you know for certain that just ain't true."

                                                                           Mark Twain

    Jenseits von Wissen und Nichtwissen gibt es noch eine dritte Kategorie, nämlich die sogenannten "unknown unkowns", also die Fragen, bei denen wir nicht einmal wissen, dass wir die Antwort nicht kennen. Was häufig daran liegt, dass wir die betreffende Frage bislang noch gar nicht als relevantes Thema ausgemacht haben. Es gibt es keinen direkten Weg, an diese "unbekannten Unbekannten" heranzukommen – aber mit etwas Glück erkennt man zumindest einige von ihnen im Zuge eines vorausschauenden Risikomanagements. 

  • Die unbekannten Unbekannten
  • Prä-Mortem-Analyse statt Ex-post-Vorhersagen

     

    Ärgerlich, aber nicht zu ändern ist, dass uns im Augenblick auch Vieles nicht bewusst ist, das uns in einem halben Jahr im Rückblick offensichtlich erscheinen wird. Das ist ein bekanntes Phänomen: Wir Menschen sind nun einmal grottenschlecht darin, die Zukunft vorherzusagen, aber phänomenal gut darin, im Nachhinein zu erklären, warum es genau so kommen musste. So kommen all die besserwisserischen Ex-Post-Vorhersagen zustande oder, wie Chirurgen sie etwas derber titulieren, die postmortale Klugscheißerei.

  • Manches wird im Rückblick offensichtlich scheinen
  • Der amerikanische Psychologe Gary S. Klein hat aus dieser Diskrepanz zwischen Rückblick und Voraussicht ein Instrument entwickelt, das für das Risikomanagements nützlich ist, nämlich seine "Pre-Mortem-Analysis". Sein simpler Gedanke: Wenn wir schon so gut darin sind, bereits eingetretene Ereignisse zu erklären, könnten wir diese Fähigkeit zum erleuchteten Rückblick doch nutzen, um uns gedanklich in die Zukunft – bzw. in unterschiedliche Zukünfte – zu versetzen und "rückblickend" zu erklären, wie es dazu gekommen ist.

  • Die Zukunft gedanklich vorziehen – und erklären
  • Man kann diese "Prä-Mortem-Analyse" nicht nur nutzen, um Risiken früher zu erkennen, sondern auch, um Chancen zu identifizieren. Deshalb ist es ratsam, die Leitfragen nicht "einseitig" zu formulieren, sondern in beide Richtungen:

    • "Unsere Firma ist an der Corona-Krise gescheitert, weil wir etwas Entscheidendes übersehen hatten, nämlich …"
    • "Unsere Firma ist besser als alle Wettbewerber aus der Corona-Krise gekommen, weil wir früher als andere etwas Entscheidendes erkannt haben, nämlich …"
  • Nicht nur Risiken, auch Chancen ausleuchten
  • Probiert man das praktisch aus, stellt sich heraus, dass diese Methode zwar Anregungen liefert, unerkannte Risiken und Chancen zu entdecken, aber auch an Grenzen stößt. Denn im Gegensatz zu "echten" Ex-post-Erklärungen fehlen uns beim fiktiven Rückblick aus der Zukunft viele Fakten und Zusatzinformationen, aus denen sich ein Erklärungsmodell weben lässt. Dem kann man wenigstens teilweise abhelfen, indem man die Blickrichtung stärker auf einzelne Felder fokussiert:

    • "Unsere Firma ist an der Corona-Krise gescheitert, weil wir etwas für das Geschäft unserer Kunden / für unser Supply Management / für unsere Finanzierung / für… Entscheidendes übersehen hatten, nämlich …"
    • "Unsere Firma ist besser als alle Wettbewerber durch die Corona-Krise gekommen, weil wir früher als andere etwas Entscheidendes für das Geschäft unserer Kunden / für unser Supply Management / für unsere Finanzierung / für … erkannt haben, nämlich …
  • Blickrichtung stärker fokussieren
  • Wenn Sie auf diese Weise näher an einzelne Handlungsfelder "heranzoomen" und sie jeweils separat durchleuchten, werden Sie zwar wahrscheinlich nicht alle "unbekannten Unbekannten" entdecken, aber die Chancen stehen gut, dass Sie zumindest auf einige wesentliche Themen stoßen, die Sie bisher nicht auf dem Radar hatten.

  • Erweiterung des Blickfelds

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    Ein Krisenplan ist auch jetzt noch sinnvoll

     

    Trotzdem: Niemand weiß heute, welchen Verlauf das kommende halbe Jahr nehmen wird und welche Folgen das für einzelne Branchen und Firmen haben wird. Was kann man in so einem Fall tun, um sich trotzdem bestmöglich vorzubereiten auf, was auch immer da vor uns liegen mag? Man greift auf ein bewährtes Instrument zurück und macht einen Krisenplan. Ein Krisenplan ist im Kern ein Satz von einfachen Wenn-Dann-Aussagen: "Wenn eine bestimmte Situation eintritt, festgemacht an diesen relevanten Fakten, dann machen wir das Folgende: ..."

  • Ein Satz einfacher Wenn-Dann-Aussagen
  • Aber welche Szenarien sollte man dafür zugrundelegen? Das hängt natürlich von dem eigenen Geschäftsmodell ab sowie davon, welche Entwicklungen das eigene Geschäft wie stark treffen würden, doch der Leitgedanke ist, sich an den eigenen verletzlichen Stellen zu orientieren: Welche direkt oder indirekt Corona-bedingten Entwicklungen würden diese wunden Punkte wie stark treffen? Entsprechend kann vorab durchdacht werden, was man in einem solchen Fall unverzüglich tun könnte, sollte oder müsste.

  • Verletzlichkeiten des eigenen Geschäftsmodells analysieren
  • Wessen Geschäft vor allem auf der Absatzseite verletztlich ist – wie zum Beispiel Hotels, Busunternehmen oder Gaststätten –, muss sich hier andere Gedanken machen als Firmen, deren Fähigkeit zur Leistungserbringung beeinträchtigt sein könnte, wenn sich die Lage zuspitzt, wie etwa Krankenhäuser, Seniorenheime oder auch Stromnetzbetreiber.

  • Ausgeprägte Unterschiede zwischen Geschäftsmodellen
  • Auch die "Auslöser" für Krisenmaßnahmen, also die "Wenns" in den Wenn-Dann-Aussagen können und müssen stark variieren: Ein zweiter Lockdown etwa würde Gaststätten und Geschäfte hart treffen, Krankenhäuser und Stromnetzbetreiber dagegen weit weniger. Und während Krankenhäuser wohl vor allem bei einem Anstieg der schweren Verläufe an ihre Grenzen kämen, wären Stromnetzbetreiber vor allem von einem Anstieg der Zahl erkrankter Mitarbeiter betroffen, unabhängig von der Schwere der Verläufe. Deshalb sollte sich jede Firma und jede Organisation vor allem auf die Fälle vorbereiten, die gravierende Auswirkungen auf ihr Geschäft hätten.

  • Unterschiedliche Auslöser von Handlungsbedarf
  • Wie in einem eigenen Artikel genauer beschrieben, ist ein guter Krisenplan nicht ein Papier, sondern ein Prozess, der in einen tragfähigen Konsens mündet. Idealerweise entsteht es aus einem gemeinsamen Lern- und Denkprozess, der die gesamte Belegschaft und den Betriebsrat mit einschließt.

    Denn was nützt der schönste Krisenplan, wenn man im Ernstfall erst einmal zeitraubende Verhandlungen über dessen mitbestimmungspflichtige Elemente führen muss? Oder wenn der überrumpelte Betriebsrat im ungünstigsten Fall erst einmal auf Abwehr schaltet und alle Mitarbeiter zu einer außerordentlichen Betriebsversammlung einlädt oder sie zu Kundgebungen gegen die "skandalösen Geheimpläne des Managements" aufruft?

  • Kein Papier, sondern ein Konsens
  • Chancen in der Krise

     

    Über all den Risiken gilt es, die Chancen nicht zu übersehen, die wie jede Krise auch die Corona-Krise mit sich bringt. Das ist nicht zynisch gemeint und sollte auch nicht so verstanden werden. Klar, wenn jemandem infolge von Corona sämtliche Aufträge weggebrochen sind und/oder er tiefrote Zahlen schreibt, dann ist nachvollziehbar, dass ihm oder ihr der Spruch von den Chancen in der Krise ziemlich deplatziert erscheint und sie oder er entsprechend genervt reagiert. Aber das ändert nichts daran, dass auch diese Krise, wie jede, Chancen mit sich bringt.

  • Weit mehr als eine abgedroschene Phrase
  • Häufig eröffnet zum Beispiel gerade der "mentale Krisenmodus" die Chance, in kürzester Zeit Dinge zu realisieren, die im "Normalbetrieb" kaum möglich wären und/oder Jahre dauern würden. Der Umstieg auf Videokonferenzen, der – mit einigem Holpern, aber trotzdem – innerhalb von Wochen gelang, ist nur ein Beispiel unter vielen, das beinahe flächendeckend gelang, die Umstellung auf Homeoffice ein anderes.

    Einmal ehrlich: Wenn Corona uns nicht überfallen hätte, wie weit wären wir heute mit Videokonferenzen und Home Office, und wie lange würde es noch dauern, bis wir den Stand erreicht hätten, der uns heute beinahe schon selbstverständlich ist?!

  • Beschleunigung durch "mentalen Krisenmodus"
  • Doch es gibt auch unternehmensspezifische Durchbrüche, etwa von Firmen, die kurzentschlossen auf ein anderes Geschäftsmodell gewechselt sind, weil ihr bisheriges durch Corona ausgehebelt war, die neue Angebote entwickelt haben, nachdem es für ihre bisherigen kaum noch Nachfrage gab, die Teile ihres Geschäfts mit einem gewaltigen Kraftakt digitalisiert oder die ihre vorhandenen Kernkompetenzen erfolgreich auf ganz andere Anwendungsfelder transferiert haben.

  • Unternehmerische Durchbrüche
  • Diese Beispiele, über die immer wieder auch in den Medien berichtet wird, sind in aller Regel nicht generalisierbar – aber das brauchen sie auch nicht sein: Hauptsache, sie haben dem Unternehmen, das sie realisiert wird, beim Überleben geholfen oder sogar dabei, sich auch jenseits von Corona zukunftssicherer aufzustellen. Lernen kann man aus ihnen trotzdem, und sei es auch nur, dass man dabei den Mut haben sollte, dreimal um die Ecke zu denken und keine Idee vorschnell zu verwerfen.

  • Fremde Beispiele als Anregung und Ermutigung
  • Eine Chance ist keine Garantie

     

    Trotzdem ist notwendig, zwei Missverständnisse in aller Deutlichkeit auszuräumen. Erstens: Die Aussage, dass jede Krise auch Chancen mit sich bringt, heißt nicht zwangsläufig, dass sie Chancen für jede/n und für jedes Unternehmen mit sich bringt. Wenn die Einnahmen schnell und dauerhaft wegbrechen, während die Ausgaben zum Großteil weiterlaufen, ist man möglicherweise ohne eigenes Verschulden schneller zahlungsunfähig als man über Alternativen nachdenken kann.

  • Nicht jede Firma hat eine realistische Chance
  • Je nach weiterem Verlauf werden die Corona-Krise und ihre Folgen möglicherweise ganze Branchen auslöschen, andere stark dezimieren. Und selbst dort, wo sie nicht gleich die ganze Branche auslöschen, werden längst nicht alle heutigen Anbieter überleben. Was aber im Umkehrschluss heißt: Wenn auch nicht alle, so werden doch einige Anbiete überleben. Mit anderen Worten, die Herausforderung besteht nicht darin, "unsinkbar" zu werden – es genügt, besser zu sein als diejenigen, die auf der Strecke zu bleiben. Was wiederum erfordert, schneller als andere herauszufinden, was "besser sein" in Ihrem Geschäft konkret bedeutet.

  • Man muss nicht perfekt sein, nur besser als andere
  • Das zweite Missverständnis wäre, eine Chance mit einer Garantie zu verwechseln, sprich, mit einem sicheren Weg in die Zukunft. Eine Garantie kann es nicht geben, dafür ist die Ungewissheit einfach zu groß. Doch auch eine unsichere Chance ist zumindest eine Chance, die es sich auszuloten lohnt: Lieber mit fliegenden Fahnen untergehen als wie das Kaninchen auf die Schlange starren und gelähmt vor Angst auf deren Biss warten! Gerade wenn man nichts mehr zu verlieren hat, ist es eine rationale Strategie, alles auf eine Karte zu setzen – auch wenn das mit Risiken verbunden ist.

  • Lieber mit fliegenden Fahnen untergehen als auf den Tod warten

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